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5916 Fertige Bücher. 223, 24. September 1896. T>s41494j Oerlag von Albert Längen, j?aris, Leipzig, AUinchen. 8imp!iei88imn8 Folgendes Rundschreiben wurde soeben versandt: im September f8ys. Sehr geehrter Herr Aoliege! Der österreichische Ministerpräsident Gras Badcni hat in einer Audienz den berechtigten Ansprüchen des Unter zeichneten Herausgebers des „Sirnplieissirrius", in Lezug ans die Aonsiskation seines DIattes willfahren und die Freigabe des „8impliei88imu8" in Oesterreich sofort verfügt. Die „Nsr-de»»tfehe Allseiireilte ZeitttNS" schreibt am 9. August d. g. über den „Simplicissimus": „Einem neuen Unternehmen muß die Kritik stets mit Wohlwollen begegnen, wenn es ein ehrliches, ernstes Streben nach einem bestimmten festen und löblichen Ziele bemerken läßt. Und da unterliegt es nun bei einer gewissenhaften und sorg fältigen Prüfung keinem Zweifel, daß „Simplicissimus" dieses Streben in der That für sich beanspruchen darf. — ... Die Satire der neuen Zeitschrift richtet sich im wesentlichen gegen die allzeit und allerorten und nicht zum wenigsten im lieben deutschen vatcrlande verbreiteten Laster des grämlichen Ulenschenhasses, der hochmütigen Dummheit, der altjüngferlichen Prüderie und der scheinheiligen Frömmelei. Jeder Freund eines lebensvollen, vernünftigen Fortschrittes aus allen Gebieten des Lebens wird gern an dem frischen, fröhlichen Kampf gegen diese lebcnsfeindlichcn Mächte tcilnehmen, den „Simplicissimus" ebenso wie die kürzlich an anderer Stelle und von anderer Seite in unserm Blatte ausführlich gewürdigte Münchener „Jugend" eröffnet hat. Es ist mit Freude zu begrüßen, daß gleichzeitig zwei neue eigenartige Zeitschriften dieser Artung plötzlich in die Schranken treten, nachdem cs bisher noch an einem spezifischen Kampfplatze für solchen satirischen Feldzug fehlte. Die Politik schließt der „Simplicissimus" mit weiser Vorsicht gänzlich ans seinem Kriegsplan aus. Beben der im Durchschnitt gesunden und leicht verständlichen Satire, der wir gern noch größeren Spielraum cingeräumt sähen, will sich aber die neue Zeitschrift auch an der positiven Pflege von Litteratur und Kunst beteiligen, und man muß gestehen, daß hier manche sehr beachtenswerte Leistung bei gebracht ist. Namentlich spricht sich unter den kurzen Prosabeiträgen des vorliegenden tpnartalbandes eine überraschende Sicherheit in der technischen Behandlung der Skizze aus dem modernen Leben aus. Es hat sich hier geradezu eine neue, bisher noch nicht gepflegte Kunstsorm herausgebildet: knapp und scharf in ihren Umrissen, mit schnellem Fortgang der Handlung ausgestattet, sind diese oft tragischen Momentausschnitte aus der Wirklichkeit des modernen Lebens nicht selten wahre Kabinetsstücke der Erzählungskunst. Neben bewährten Namen finden sich auch weniger bekannte neue, die in dieser Arena zum erstcnmale vor der großen Beffentlichkeit ihre vielversprechenden Kräfte erprobe», wie Jakob Wassermann, Donald wedekind, Karl Rosncr u. a. m. Unter den poetischen Beiträgen in gebundener Sprache finden wir köstliche Perlen, wie die tief empfundenen Mutterlieder von Mia Holm und manche von den sozialen Liedern Frank wcdckinds. Der modernen symbolistischen Klügelei, die wunder welchen geheimnisvollen Tiefsinn zu besitzen glaubt, weil sie sich eine Art Geheimsprache zurecht gedrechselt hat, die nur ein kleiner Kreis von Mysten versteht, ist zum Glück nur wenig Raum gegönnt. — ..."