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277, 28. November 1912. Nichtamtlich«: EM. Börsenblatt f. d. Dlschn. Buchhandel. 16171 Walter Schönborn wahrscheinlich im Monde liegt oder noch der Ent deckung durch einen unternehmenden Verleger harrt, falls ein sol cher iiberhaupt existieren sollte. Unbegreiflich an der Geschichte ist aber, nach unserem Dafürhalten, nicht das Verhalten des Ver käufers — der junge Mann hat getan, was er tun konnte —, son dern das des Verfassers. Denn wenn es ihm ernst damit war, dem Sortiment etwas zuzuwenden, warum hat er daun das ihm so warm empfohlene Buch über Luftschiffahrt nicht gekauft? Mußte er denn mit aller Gewalt auf der glücklichen Insel landen, oder weiß er über die Lustschiffahrt, die zweifellos eine weit größere Zukunft hat als Walter Schönborn, tatsächlich alles, was man davon wissen muß? Die Wahrheit ist wohl, daß ihm, wenn er nicht etwa nur für seinen Schützling Reklame machen wollte, schon im Laden sein Entschluß, sich ein Buch zu kaufen, wieder leid geworden und ihm eingefallen ist, daß man für 1 sich ein Viertelpfund Kaviar bei Kempinski kaufen kann. Dann hätte er aber nicht erst sich, den »jungen Mann« und uns zu bemühe« brauche«. Mit solchen Kunden wird auch die Sorti mentsabteilung des »Sprungbretts« nicht viel anzufangen wissen. Wie anders wirkt da Thomas Mann ans uns ein, der aller dings kein Sprungbrett mehr nötig hat und sich daher den Luxus leisten kann, für andere Reklame zu machen. Das tut er in einem hübschen Briefe an »seinen« Sortimenter Heinrich Iaffe in München, den dieser seinem diesjährigen Weihnachtskatalog vor anstellt. Da man den Buchhändler so selten in der Öffentlichkeit loben hört, so berührt es ordentlich wohltuend, wenn jemand einmal ein Wort der Anerkennung über ihn äußert. Die Arbeit des Verlegers verschwindet hinter der des Schriftstellers, die des Sortimenters, als des letzten in der Reihe, hinter der des Verlegers, und nur der eine weiß von dem anderen, was er ihm schuldig ist uud was auf sein Konto gehört. Manchmal wissen sie's auch uicht oder wollen es nicht wissen. Wenn von den ersten beiden jeder seine Schuldigkeit getan zu haben glaubt, so ist der Sortimenter derjenige, welcher, mag er auch noch so sehr ans das Publikum schimpfen, doch angeblich immer schuld ist, wen« ein Buch nicht geht. Da auch das Börsenblatt oft dazu benutzt wird, dieser tra ditionellen Anschauung Ausdruck zu geben, so mag es als ein Akt ausgleichcnder Gerechtigkeit angesehen werden, daß wir Thomas Manns Brief in seinem letzten Teile hier abdrucken. Denn es gibt, Gott sei Dank, eine ganze Reihe Sortimenter, die ihn ans sich beziehen können und daranS ersehen mögen, daß auch ihr stilles Wirke», von dem meist kein Lied, kein Chronikbuch meldet, nicht ohne Anerkennung bleibt. Wenn die andern auch etwas davon haben wollen, so können sie sich ein Beispiel daran nehmen, wie man Geschäfte nnd Reklame macht. »Die Hauptsache ist«, schreibt Thomas Mann, »daß Sie mit dem Herzen Buchhändler sind; daß Sie nicht ebensogut mit Strümpfen oder Semmeln handeln könnten; daß Sie Ihre edle Ware lieben, wenn mich nicht alles tänscht, und stolz und eifrig sind, das Buch, den Träger des feinen und freien Gedankens, unter den Leuten zu verbreiten. Sie ,führen* wohl auch das Geringe, das Abgeschmackte, das Untergeordnete, — natürlich, man verlangt es, und Sie sind Kaufmann, Sie sehen auf Ihren Nutzen. Sie wickeln dem Kunden das Schlechte und das Rechte mit gleicher Zuvorkommenheit in Papier; aber Ihres Geschäfts recht froh werden Sie doch erst, wenn Sie das Vortreffliche, das Hoch stehende und Künstlerische fördern, empfehlen, versenden, ver mitteln dürfen. Dann fühlen Sie sich, dann freut Sie die Arbeit. Ist dies, diese innere, höhere Teilnahme, der eigentliche Grund, weshalb man zu Ihnen kam, weshalb Sie reüssierten? Ich möchte es glauben. Jetzt ist es schon unwirtlich hier draußen.*) Die Tage sind kurz, der Garten ist kahl, es riecht dort nach faulenden Blättern und Kohlenrauch. Nun fahre ich bald zur Stadt. Und zu den städtischen Dingen, auf die man sich freut, wenn der Winter kommt, gehört auch Ihr Schaufenster. Bald gehe ich wieder, um Mittag, «ach der Arbeit, oder gegen Abend, wenn das elektrische Licht die eleganten Anerbietungen der Läden noch glänzender, noch verlockender macht, durch die Briennerstraße und spreche bei Ihnen ein. Sie kommen mir dann aus Büchergründen entgegen *) Der Brief ist aus Tölz adressiert. nnd setzen das Angenglas auf, und weun Sie mich mit einiger Schwierigkeit erkannt haben, so begrüßen Sie mich nicht ohne stille Hoffnung. Was gibt es Neues? frage ich, und dann breiten Sie gefällig vor mir aus, was es Neues gibt: große Prunkdrucke aus Haus von Webers Verlag, kostbare Kuriositäten der »Insel«. Georg Müllers reiche, vielfältige Produkte (besonders seine an tiken Klassiker sind eine Lust!), meines ausgezeichneten Freundes Samuel Fischer feinbürgerliche Gaben und anderes mehr. Und ich sehe alles an und lobe alles und erkundige mich nach den Preisen und finde sie angemessen. lind dann kaufe ich ein Neclamheftchen.« Wenn dem Mann geholfen werden kann, so sollte man meinen, daß auch die Herren vom »Sprungbrett« etwas Passendes in unseren Läden finden werden und sich nicht erst um die Er richtung einer »Sortimentsabteilung« zu bemühen brauchen. Kleine Mitteilungen. Wie Dithmarschen seinen Hebbel feiert. — An der Feier von Friedrich Hebbels 100. Geburtstag, den man im März 1913 wohl überall in Deutschland festlich begehen wird, will sich die engere Heimat des Dichters, das Holstenland Dithmarschen, in besonderem Maße beteiligen. Am 16. März findet in Wesselburen, dem Ge burtsort Hebbels, eine Vorfeier statt. Bei der Landesfeier in Heide am 17. März halteil der Hebbel-Forscher Prof. Hermann Krumm (Kiel) und Bürgermeister Dohrn (Wesselburen) Reden. Am folgen den Tage, dem Geburtstage des Dichters, findet die Hanptfeier in Wesselburen statt: die Enthüllung des neuen Hebbel-Denkmals, wobei Prof. Adolf Bartels (Weimar) die Festrede hält, eine Be sichtigung des Hebbel-Museums und eine Aufführung von »Maria Magdalena« durch den Wesselburner Verein »Dramatik«. Weitere Ausführungen durch diesen Verein finden statt: Pfingsten 1913 (»Nibelungen«), 15 .Juni (»Gyges und sein Ring«), 20. und 27. Juli (»Die Nibelungen«), 3. August (»Gyges und sein Ring«), 10. August (»Maria Magdalena«), 5. und 10. Oktober (»Die Nibelungen«); am 13. Dezember 1913, dem 50. Todestage des Dichters, findet im Hebbclhause in Wesselburen die Schlußfeier statt. 8lc. Geschäftsbriefe müssen genau gelesen werden! Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 11. Oktober 1912. (Nachdruck verboten.) — Ter Kaufmann muß den gesamten Inhalt eines Briefes, auch Randbemerkungen, gegen sich gelten lassen, wenn er nicht Widerspruch erhebt und auf Grund des Briefes ein Vertrag zustande kommt. Besonders häufig sind solche Randbemerkungen über den Erfüllungsort und Gerichtsstand, über Zahlungsbedin gungen nnd dergleichen. Um sich vor künftigen Unannehmlichkeiten zu schützen, dürfte deshalb der Kaufmann gut tun, den im folgenden Falle erörterten Standpunkt des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg zu beachten. Eine Speditionsfirma in Hamburg war an den Inhaber C. einer Holzhandlung in Hannover mit der Bitte herangetreten, sich bei seinen Hamburger Speditionen ihrer Vermittlung zu bedienen. Sic machte darin bestimmte Offerten für Preise und Liegetage. Am Rande findet sich der Vordruck: »für alle Verladungen sind die allgemeinen Bedingungen des Vereins Hamburger Spediteure maßgebend«. Ohne die Offerte, insbeson dere diese Randbemerkung, sonst zu bemängeln, hatte C. lediglich günstigere Bedingungen hinsichtlich der Liegetage verlangt, und nach dem ihm diese zugcstanden waren, war dann der Geschäftsverkehr zwischen den Parteien in Einzelaufträgen ins Leben getreten, ohne baß auf die Geschäftsbedingungen wieder zurückgekommen wäre. Als eine Differenz zwischen den Parteien entstand, erhob die Firma in H a m bürg Klage. Der beklagte C. machte die örtliche Unzu ständigkeit des Gerichts geltend. Das Landgericht Hamburg verurteilte den Beklagten. Auf seine Berufung führte der 5. Zivilsenat des Ober landesgerichts Hamburg aus: Wie das Reichsgericht ständig erkannt hat, ist nach den im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen im allgemeinen davon auszugehen, daß ein Kaufmann, der auf eine ihm vorgeschlagcnc Vertragsbedingnng stillschweigt, obwohl von der Gegenseite eine Erklärung im Ablehnungsfall er wartet werden durfte, dem Vorschläge zustimmt. Der Beklagte hätte deshalb, als ihm in dem ersten Offertschreiben jene Klausel mitge- tcilt wurde, sie ablchneu müssen, sollte nicht seine Zustimmung an genommen werden. Er hätte das um so mehr tun müssen, als cs sich nicht lim eine unwesentliche, sondern um eine den ganzen Ge- ' schäftsverkehr der Parteien beherrschende, einschneidende Bcstim-