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15170 Söq-»bl»tt f. d. Dpchn. «uchhand-I. Nichtamtlicher Teil. 277, 28. November 1212. In neuerer Zeit hat sich das Lehrmittelwesen in Ver bindung mit dem Buchhandel bedeutend entwickelt. Wenn auch dasSortiment nur in seltenenFällen in derLage ist, ein größeres Lager von Lehrmitteln zu unterhalten, sich vielmehr in den meisten Fällen auf die Besorgung beschränkt, so gibt es doch manche Gelegenheit, z. B. Lehrerversammlungen, bei denen es geboten erscheint, die Eigenschaft des Buchhändlers als Liefe ranten von Lehrmitteln zu betonen. Wie bereits erwähnt, ver fügt der Lehrmittelhandel über ein umfangreiches, zum großen Abbild». 13. F. Volckmar, Leipzig. Teile sehr dekorativ wirkeüdes Material. Auf Abb. 13 erblicken wir ein von der Firma F. Volckmar, Leipzig, dekoriertes Lehr- mittelschausenster, das seine anziehende Wirkung auf alt und jung kaum verfehlen dürste. Freilich liegt bei derartigen Ver anstaltungen die Gefahr nahe, daß das Publikum den Eindruck gewinnt, der Buchladen habe sich in ein Spielwarengeschäft verwandelt. Um diesen Eindruck abzuschwächen und auch dem Verdachte zu entgehen, dem Spielwarenhändler ins Geschäft zu pfuschen, würde sich die Anbringung eines Plakates »Lehr mittel« empfehlen. Die Technik dieses Schaufensters basiert aus einer von der Firma Volckmar in den Handel gebrachten Schau fenstereinrichtung, auf die wir noch zu sprechen kommen. iFortsetzung folgt.) Wenn Schriftsteller Bücher kaufen. Jeder Topf findet seinen Deckel, aber nicht jeder Dichter seinen Verleger. Das mag daran liegen, das; sich leicht erkennen läßt, was ein Topf ist, daß es aber schwer hält, zu sagen, wer ein Dichter ist. Denn so beschränkt auch unsere Verleger sind, so haben sie doch soviel durch den Umgang mit Autoren gelernt, daß weder lange Haare noch der Besitz eines Samtjacketts untrügliche Merkmale des Genies sind, ja daß nicht einmal die Geringschätzung Goethes oder Schillers einen genügenden Anhalt für die Existenz dichte rischer Qualitäten liefert. Auch das Unverstandensein kann als aus reichendes Erkennungszeichen nicht gelten, weil die Konkurrenz ans diesem Gebiete derart angewachscn ist, daß sich heute jeder dritte Mensch unverstanden fühlt, während vielleicht erst jeder zehnte mit dichterischen Entwürfen schwanger geht. Schon daraus läßt sich er messen, in welchem Mißverhältnis die Zahl der nach Druckerschwärze lechzenden Schriftsteller zu der unserer Verleger steht, die derselbe Gott, der den Dichtern gab, zu sagen, was sie leiden, mit Blindheit geschlagen hat. Welche Kulturwerte mögen wohl dem deutschen Volke alljährlich durch den Unverstand unserer Verleger verloren gehen, von dem direkten Schaden, den die Druck- und Papier industrie erleidet, ganz abgesehen! Wer ein Herz für das Volk und selbst einen Posten ungedruckter Literatur hat, wird es daher unse ren Autoren nicht verdenken, wenn sie sich nach dem Re zept: Jedermann sein eigener Verleger, auf eigene Füße stellen und nicht länger in unwürdiger Abhängigkeit vom Verlage verharren wollen. Die 31000 Bücher, die alljährlich auf dem Büchermarkt erscheinen, haben schon deswegen alle Schrecknisse für sie verloren, weil sie selbst ja keine kaufen. Alles das ist bekannt, diesseits und jenseits des Buchhandels, und cs läge keine Veranlassung vor, sich damit näher zu be schäftigen, wenn nicht das offizielle Verbandsorgan deutscher Alltoren »Das Sprungbrett«*), dessen erste Doppelnummcr soeben im Selbstverlag (Berlin 35, Am Karlsbad 2) er schien, einen Artikel unter der schlichten und doch so ein drucksvollen Überschrift: »Ich wollte mir ein Buch kaufen« veröffentlichte, aus dem hervorgeht, daß der Verband nicht nur eine Reform des Verlagsbuchhandels anstrebt, sondern auch dem Sortiment sein Interesse zuwendet. Um die Bedeu tung dieses Kaufs, der Gegenstand so eingehender Erörterung ist, zu erkennen, möchten wir vorausschicken, daß es sich nicht etwa um ein 10 oder 20 Pfg.-Heftchen handelte, das der Ver fasser erwerben wollte, sondern um ein vollständig ausge wachsenes Buch zum Preise von 4 und zwar um Walter Schönborn, »Die glückliche Insel«. Was den Mann zu diesem ungewöhnlichen Schritte veranlaßt hat, erfahren wir nicht. Wir hören nur, daß er, aller Mahnungen von guten Freunden , und Bekannten ungeachtet, seine Schritte nach einer der größten Buchhandlungen lenkte, um den Willen in die Tat umzusetzen. Anscheinend hat er nicht einmal den Versuch gemacht, sich ein Rezensionsexemplar zu verschaffen oder im Warenhaus nach einem Nemittendenexemplar zu fragen. Und dabei zweifeln unsere Verleger noch an der Weltfremdheit unserer Schrift steller, die sie für verkappte Gerissenheit halten! In dem Laden spielte sich nun folgende Szene ab, die mit den Worten des Schreibers, der sich bescheiden hinter den Buchstaben P. S. verbirgt, wiedergegeben sei, damit ihm nicht etwa Unrecht geschieht: »Sie wünschen?« fragte der junge Mann. »Ich möchte die ,Glückliche Jnsest von Walter Schönborn haben.« Er hatte nicht verstanden. »Wie heißt das Buch?« Ich wiederholte Titel und Verfasser. Aber das genügte ihm nicht. Er schüttelte den Kopf. Er war unzufrieden mit mir. Er begriff offenbar nicht, wie man etwas derartiges verlangen konnte. Und dann bestürmte er mich mit Fragen: bei wem es erschienen, wann cs erschienen sei, ob ich mich auch nicht irre. Als er mit Fragen fertig war, holte er ein dickes Buch und schlug nach, dann holte er n o ch ein Buch und schlug wieder nach. Und dann holte er eine Reihe dünner Hefte, in welchen wochenweise die Erscheinungen auf dem Büchermarkt verzeichnet waren. Alles umsonst. Die »Glückliche Insel« gab es nicht: Walter Schönborn existierte nicht; so versicherte er mir. »Aber wenn Sie was Interessantes haben wollen«, schlug er vor, »dann nehmen Sie dieses hier. Das Buch geht glänzend.« Ich sah mir den Umschlag an. Es war ein Aeroplan darauf gezeichnet: als Verfasser war einer der noch überlebenden Flieger genannt, und das Buch hieß: »Was muß man von der Luft schiffahrt wissen?« Das Sortiment hat also wieder einmal gründlich »versagt« und braucht sich nicht zu wundern, daß es auch diesen Käufer ein für allemal los ist. Und was das Schlimmste ist, man kann dem bedienenden jungen Mann nicht einmal einen Vorwurf machen, denn außer ihm werden noch viele den Hinrichs wälzen, ehe sie ans die Vermutung kommen, daß die glückliche Insel des Herrn *) Vgl. Bbl. Rr. 230: Genossenschaftlicher Bnchverlag.