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1218 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 23. 29. Januar 1912. Riedel und Krüger sehr gut aufgeführt. Darauf erfolgte die Verteilung der zahlreichen Geschenke für die Erwachsenen. Den Herren Verlegern, die uns durch ihre Opferfreudigkeit in liebens würdiger Weise unterstützten, sei hiermit noch besonders gedankt. Ans Nachhausegehen dachte man gar nicht, denn als in früher Morgenstunde zum Aufbruch gemahnt wurde, war der Saal von den Fröhlichen noch ziemlich gefüllt. k. L. Personalnachrichten. Jubiläum in der Berliner Vestellanstalt. — Am 21 Januar konnte Herr Georg Strauch auf eine 25jährige Tätigkeit in der Bestellanstalt für den Berliner Buchhandel zurückblicken. Der Vorsteher der Bestellanstalt, Herr Bernh. Fahrig, beglückwünschte den Jubilar im Namen der Korporation der Berliner Buch händler und überreichte ein Geldgeschenk. Herr Thuleweit, Ge schäftsführer der Bestellanstalt, sprach namens des Personals herzliche Glückwünsche aus und übergab dem Jubilar ein vom Personal zum Andenken an diesen Tag gestiftetes Angebinde. Sprechsaal. Die katholischen Organisationen für den Büchervertrieb. Die erschöpfende Zusammenstellung der Tätigkeit der Organi sationen im katholischen Büchervertrieb in Nr. 8—10 des Börsen blattes ist eine äußerst dankenswerte Arbeit gewesen. Daß die jedem Volksfreund und Christen im würdigen Rah men notwendig erscheinenden Bestrebungen so wenig von äußerem Erfolg begleitet waren, überrascht keinen christlichen Berufsbuch händler, zumal ja die selbst behördlich unterstützten allgemeinen Wohlfahrtsvereine im großen und ganzen ähnliche Erfahrungen machten. Was den offiziellen katholischen Büchervertrieb im be sonderen betrifft, so war es ganz bestimmt unrecht und unklug, daß man sich gar keine ernste Mühe gab, den Berufsbuchhandel für die Sache zu gewinnen. Einsender weiß sehr genau, welche Schwierigkeiten das ge- gerade im Anfang der Bewegung bot, und daß das katholische Sortiment der Sache nicht immer das notwendige Interesse ent gegenbrachte, aber die meisten Leiter der Bewegung betrieben ihre Gründungen in absichtlicher Heimlichkeit vor dem Buchhandel, kein Zusammengehen wollte, so daß Carl Walterbach einmal in einer Präsideskorrespondenz warnte, man solle dem Berufs buchhandel doch seinen bescheidenen Gewinn nicht vergönnen. Carl Walterbach war noch einer von denen, die es anfangs ganz ehrlich meinten, denen es nur um die Sache zu tun war. Als ich vor neun Jahren mich zum erstenmal mit der Ange legenheit beschäftigte und auf die Gefahr hinwies, die das Vor gehen dem Berufsbuchhandel bringe, weil bei der straffen Organisation bei uns Katholiken ein solches Vorgehen in gefahr drohender Weise Schule mache bis zum entferntesten Ort, und weil es eine Versuchung bedeute für unsere Herren Verleger und ihre Haltung in einer für das Sortiment ungünstigen Weise be einflusse, schrieb mir Karl Walterbach, der Begründer der katho lischen Kolportage: Nürnberg, 8. 3. 1903. »Sehr geehrter Herr! Für die Übersendung Ihrer Broschüre meinen besten Dank. Ich habe dieselbe nicht allein mit vielem Interesse gelesen, sondern mich auch über dieselbe recht innig gefreut. Es ist die erste positive Kundgebung aus Buchhändler kreisen zur Frage der katholischen Kolportage. Andere haben bis jetzt nur geschimpft, nach der weltlichen und geistlichen Polizei geschrien oder müßig den Kopf ge schüttelt. Ihre Broschüre bedeutet eine Tat!« Ein anderer Geistlicher, der damals in Berlin studierte, läßt sich so hören: 18. 3. 1903. »Ich danke Ihnen herzl. für die Zusendung Ihrer Broschüre. Sie enthält auch nicht einen Satz, den ich nicht unterschreibe und von meinem sozialökonomischen Standpunkte aus lebhaft nachempfinden könnte. Die soziale Frage, d. h. die versuchte Ausschaltung des Kleinhandels oder doch seine Malträtierung zwischen den beiden Feuern rücksichtsloser Produzenten und gedankenloser Kon- sumenten brennt auch Ihnen und Ihren Berufsgenossen bereits an die Finger. Es ist die nackte Pflicht der Selbsterhaltung, daß die Sorti menter sich so bald wie möglich zu einem Verein verkitten müssen. Es ist nicht minder das Bestreben unserer katholischen Literatur und Weltanschauung, einen breiten und offenen Markt zu schaffen, der zur entschiedenen Unterstützung des Klein buchhandels führen muß, und hier berührt sich die von Ihnen mit so großem Freimut aufgerollte Frage mit den vitalsten Interessen der Kirche!« Seitdem nahm das Verderben seinen Gang, und meine Prophezeiung ist eingetroffen: auch der Verlag bleibt von der Bewegung nicht unberührt. Aus kleinsten materiellen und mora lischen Zuwendungen der Massen vollzieht sich eine Entwicklung zum Großbetrieb des katholischen Bücherverschleises, ein kirch lich kapitalistischer Konzentrationsprozeß, unter dem vielleicht nur die katholischen Sortimente nicht leiden, die mehr eine öffent liche Verkehrsstelle ihres eigenen Verlages sind oder mit der ganzen Bewegung Zusammenhängen. Uns anderen schadet die Organisation, und nur die opferwillige Unterstützung der nicht organisierten Geistlichen, der gebildeten Katholiken und der katho lischen Geschäftswelt hält uns über Wasser. Der charitative Buchhandel hat die Bibliothekare in der Hand, will die Kolportage noch straffer organisieren, verschenkt Bücher, verramscht aufgehäufte Bestände, gründet Journal- und Bücherlesezirkel, hat Einfluß auf alle katholischen Vereine, ver dirbt das katholische Antiquariatsgeschäft und hält die für den Bücherkonsum durch sie vielfach neugeweckten Kreise in der Praxis von unseren Geschäften ab. Der Volksverein allein hat Hunderte von Auchbuchhändlern aus dem Boden gestampft. Ja selbst der Caritasverband, der jahrelang nur im angemessenen Rahmen Wohlfahrtsliteratur vertrieb, hat in seinem Hause eine Universitätsbuchhandlung eingerichtet, die laut Prospekt alle Literatur des In- und Auslandes besorgt, während wir auf dem »Caritasjahrbuch« lesen: »Wer uns etwas vermachen will benutze folgendes Formular « Wo mag da das Geschäft seinen Anfang haben und wo aufhören? — So kommt es, daß Wilhelm Falkenberg in seinem Buche: »Wir Katholiken und die deutsche Literatur« schreibt: »Eine recht pessimistische Auffassung von der Lage des katholischen Buchhandels ist heute wohl begründet. Leider gehen viele noch weiter und hegen eine starke Animosität gegen ihn. So ist es begreiflich, daß manche mit dem regulären (l)^Buchhandel überhaupt nicht mehr ernstlich rechnen!« Falkenberg läßt auf der gleichen Seite noch einen uns wohl gesinnten Beobachter zu Wort kommen, der das in unserm Zwiespalt befreiende Wort spricht: »Kann (der Berufsbuchhandel) den Anforderungen der Zeit nicht mehr entsprechen, so mag er abtreten und die Arbeit den katholischen Büchervereinen und der Kolportage überlassen.« 3. Uber die schwierigen Verhältnisse des katholischen Buch handels, hervorgerufen durch die Konkurrenz der Geistlichen, die zweierlei Ladenpreise, den direkten Vertrieb der Ver leger und — last. but. not. least — den geringen Rabatt, hat Herr Waibel - Freiburg bereits in seinem der Hauptversammlung der Vereinigung der Vertreter des katho lischen Buchhandels auf der O.-M. 1911 erstatteten Bericht hin- gewiesen (vgl. B.-Bl. 1911, Nr. 129). Während aber dort noch das entschiedene Gefühl der Interessengemeinschaft zwischen Geistlichen und Buchhändlern betont und mit der Möglichkeit einer »reinlichen Grenzscheidung in Gerechtigkeit und Liebe« ge rechnet wird, scheint die Entwicklung des katholischen Bücher vertriebs eher eine gewaltsame Trennung zwischen Vereins organisationen und Berufsbuchhandel als eine schiedlich-friedliche Auseinandersetzung vorzubereiten. Red.