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Nichtamtlicher Theil Der Buchhandel und die graphischen Künste aus der Kunstgcwcrbe-Ausstellung zu Leipzig im Jahre 1879. III. Der illustrirte Verlag und die Xylographie.*) Aus der behaglichen Beschaulichkeit und dem Versunkensein in der Vergangenheit ruft uns die Pflicht wieder in das emsige Getriebe der Gegenwart zurück. Wenn auch an irgend einem „Mark"-Tage das Publicum sich in der Halle nicht gerade drängen sollte, so finden wir doch in der Regel stets die Taseln der Verleger gut umseßen. Und dabei haben wir zwei Vorzüge der Leipziger Ausstellung rühmend zu erwähnen: es herrscht Sitzsreiheit und Lesefreiheit. Stühle sind überall in der Halle reichlich vorhanden mit der ausgedruckten Aufforderung, sie zu benutzen, und die Verleger haben in liberaler Weise die aus gestellten, zum Theil theuren Prachtwerke dem Publicum voll ständig preisgegeben. Selbstverständlich gilt der Besuch nament lich den „illustrirten Verlegern". Bleiben auch manche Spuren der gründlichen Benutzung an den schönen Gewändern der Bücher zurück, so trösten sich die Verleger damit, daß auch vieles Gute, die Bildung Fördernde in dem Gedächtniß der Blätternden hasten bleibt und daß von diesen auch Mancher in die Reihe der Bücherkäufer eintritt. Der Anfang zu der eigentlichen Reform in dem Ausstattungs wesen der Bücher und zu der Wiederbelebung des, früher in Deutschland so blühenden, dann gänzlich verschwundenen Jllufira- tionsdruckes ist in den dreißiger Jahren zu suchen. Diese Resorm hatte etwas von einer Revolution an sich, es war deshalb natürlich, daß die Alten sich etwas kühl abwartend verhielten, und den jüngeren Heißspornen überließen, die Kastanien aus dem Feuer zu holen, um sich dabei unter Umständen die Finger zu verbrennen. Dies war so menschlich gedacht, daß dem Einzelnen kaum ein Vorwurf daraus gemacht werden kann. In Leipzig gingen I. I. Weber und Georg Wigand zuerst ins Feuer, beide nach einem und demselben hohen Ziele strebend, verschieden jedoch in den Ansichten, wie es zu erreichen. Weber brach die Bahn mit dem „Pfennigmagazin", damit einen bis dahin in Deutschland unerhörten Erfolg erreichend, wenn auch nicht zu seinem eigenen Vortheil (das Unternehmen ge hörte Bossange pöre in Paris). Es solgten Vernet's „Napoleon", Menzel's „Friedrich der Große", die „Illustrirte Zeitung" und noch eine Reihe von illustrirten Werken: Pöppig's „Naturgeschichte", Tschudi's „Thierleben der Alpenwelt", Schöppner's, „Hausschatz der Länder- und Völkerkunde", die illustrirten Katechismen, die verschiedenen Kricgschroniken. Das neuerdings begonnene Album unter dem Titel: „Meisterwerke der Holzschneidekunst" bringt erst recht die Schätze der Xylographie zur Geltung, die unter den 40,000 Holzschnitten der „Illustrirten Zeitung" sich befinden, deren gesammter Herstellungswerth sich leicht auf mehr als süns Millionen Mark beziffern könnte. Weber, alt zwar an Jahren, kann sich noch srischen Geistes über die hohe Stufe freuen, welche die von ihm so sehr geliebte Kunst erreicht hat. Wigand legte den Grund zu seinem Ruhme durch das Stahlstichwerk „Das malerische und romantische Deutschland", *) II. S. Nr. SIS. — Es ist dem Unterzeichneten, wie man leicht denken lann, nicht wohl möglich gewesen, diesen Bericht abzustatten, ohne daß sich Anklänge an Das vorfinden sollten, was er in der soeben von ihm erschienenen Schrift: „Die Druckkunst und der Buchhandel in Leipzig durch vier Jahrhunderte" (Verlag von I. I. Weber) ausführlicher behandelt hat. Trotzdem werden diejenigen Leser, welche schon das Buch kennen, gewiß bemerken, daß mit der Benutzung desselben viel ängstlicher zu Werke gegangen wurde, als es jedem anderen, dem Buch Fernstehenden nöthig gewesen wäre. C. B. L. dessen Herstellung hauptsächlich nur durch ausländische Kräfte möglich geworden war; er kehrte bald von dem englischen Stahlstich zu dem deutschen Holzschnitt zurück. Seine Ver bindung mit dem einzigen Meister, Ludwig Richter, ward für seine ganze Verlagsthätigkeit bestimmend, und er blieb fortan ein treuer Anhänger des einfacheren, strengeren Stils der Xylo graphie, der sich an die Art der Meister des IK. Jahrhunderts anlehnt. Künstler wie Hübner, Bendemann und namentlich Richter und Schnorr von Carolsseld verbanden sich mit Wigand zur Herausgabe ihrer trefflichen Werke. Schnorr's „Bibel in (240) Bildern" bleibt ein monumentales Werk für alle Zeiten. Sehr interessant sind die ausgestellten, durch Photographie ver größerten und verkleinerten und dann durch Zinkographie ver vielfältigten Schnorr'schen Bibelbilder. Diese Erscheinungen zeigen recht die große Wichtigkeit dieser graphischen Methode neuesten Datums, auf welche wir später zurückkommen. Der Sohn und Nachfolger G. Wigand's, Martin Wigand, geht in den Fuß tapfen seines Vaters. Das von ihm herausgegebene Werk des verstorbenen Albert von Zahn, „Musterbuch für häusliche Arbeiten" ist epochemachend geworden sür die jetzt so lebhafte Agitation zur Förderung der Kunst und des guten Geschmackes in den uns täglich umgebenden Gegenständen. Sind Weber und Wigand als die Grundsteine, so können wir Seemann und Dürr als die Schlußsteine an dem Bau der Jllustrationsliteratur, wie er jetzt dasteht, bezeichnen. In ihren Ansichten und ihrem Streben stehen Letztere sich fast gegen über wie Weber und Wigand, einander ähnlich in dem Streben nach dem Ziel, unähnlich in der Art und Weise; Seemann mehr Realist und Kosmopolit, Dürr mehr Idealist und Nationaler; Seemann direct eingreifend durch eine Reihe historisch-biographischer Schil derungen sowie belehrender und bildender Werke über Kunst und ihre Anwendung sür das Haus, Dürr uns die eigenen Werke der Meister in zweckentsprechender Weise vorsührend, uns selbst überlassend, die Resultate aus denselben für das Leben und die Praxis zu ziehen; beide sich durch ihre Wirksamkeit in erfreulichster Weise ergänzend. Für Seemann's Unternehmungen bildet Carl v. Lützow's „Zeitschrift sür bildende Kunst" den Mittelbau, um den herum sich eine Anzahl vortrefflicher Werke gruppiren, zu deren Illustration der Holzschnitt, die Radirung, die Photolithographie und die Chromographie benutzt wurden: Lübke's „Geschichte der Architek tur" und dessen „Geschichte der Plastik", Woltmann's „Hans Holbein", Thausing's „Albrecht Dürer", Lützow's Werk über die Weltausstellung in Wien. Das unter Dohme's Leitung erschei nende, K Bände in hoch 4 umfassende biographische Sammel werk: „Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit", dessen vierter Band die berühmte Doppelbiographie Rafael's und Michel Angelo's von Anton Springer enthält, geht mit raschen Schritten seiner Vollendung entgegen. Das sind Werke, die alle von bedeutendem Einfluß gewesen. Größere Sammlungen von Radirungen und Lichtdrucken sind: „Meisterwerke der Braun schweiger Galerie", „Kasseler Galerie", „Die Residenz zu München" mit herrlichen Architckturstichen von Ed. Obermayer und vor züglichen Farbendrucken von Winckelmann L Söhne, Hettner's „Dresdener Zwinger", Dohme's „Das Berliner Schloß", schließ lich das umfangreiche Sammelwerk „Deutsche Renaissance" von A. Ortwein, bereits mehr als 1000 Tafeln, welche die vater ländische Bau- und Verzierungskunst des XVI. und XVII. Jahr hunderts illustriren. Noch müssen wir die „kunsthistorischen Bilder bogen" erwähnen. Wenn auch nur gelegentlich und als Ausfluß