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9080 Börsenblatt >. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 215, 14 September 1907. Nichtamtlicher Teil. ^'Lxposition clu I^ivr-e im Orsnä k>alai8 äes Keaux-^rt8 in Paris?) (Vgl. Börsenblatt 1907, Nr. 48, 74 u. 84.) Wollten wir diese Überschrift wörtlich ins Deutsche über setzen, so würden wir kurz und bündig sagen: Buch-Aus stellung. Wer von den Besuchern nun aber hingeht in dem Gedanken, eine wirkliche moderne Buchausstellung zu finden, wie er eine solche nach der großen Reklame, mit der das ganze Unternehmen in Szene gesetzt wurde, auch erwarten könnte, der wird nicht auf seine Rechnung kommen. Das Buch als solches, namentlich das moderne französische Buch, ist recht schwach, um nicht zu sagen garnicht vertreten, und der gesamte französische Verlag, wenigstens die in Betracht kommenden führenden Firmen haben sich sozusagen ausnahms los nicht an der Ausstellung beteiligt, die schon aus diesem Grunde von vornherein als ein verunglücktes Unternehmen bezeichnet werden muß, denn eine Buch-Ausstellung ohne Bücher ist nicht gut denkbar. Schade, denn der Gedanke war gut, es hätte sich so viel daraus machen lassen. Diese Ausstellung hat nämlich eine kleine Vorgeschichte: Der Generalsekretär und Veranstalter des ganzen Unter nehmens war früher seines Zeichens Verlagsbuchhändler. Da ein Erfolg seiner geschäftlichen Unternehmungen sich nie recht einstellen wollte, so hat er das Verlegen aufgegeben oder aufgeben müssen, hat sich dann eine Zeitlang in allen möglichen andern Berufsarten versucht und ist nun kürzlich auf den Gedanken gekommen, eine Lxpositiou äu Uivrs im großen Stile zu veranstalten und sich durch den Ertrag dieser Ausstellung etwas von seinen geschäftlichen Mißerfolgen zu erholen. Somit ist diese Ausstellung also weniger aus Liebe zur Sache und nicht aus einem allgemeinen Bedürfnis hervorgegangen, sondern ist vielmehr die geschäftliche Spe kulation eines einzelnen oder vielleicht auch eines Konsortiums. Es ist auch, bevor die Konzession zur Ausstellung erteilt wurde, von seiten der Stadtverwaltung eine Anfrage an den Oerels äs la Oibrairis, den französischen Börsenverein, er gangen, ob ein Bedürfnis für eine solche Ausstellung über haupt vorliege, und trotz der verneinenden Antwort des Vor standes ist die Konzession doch erteilt worden, wahrscheinlich weil sonst das Orauä kalais den ganzen Sommer über leer ge standen hätte. Ein Mißgriff ist auch die ungeschickte Wahl des Zeitpunktes; allerdings wäre zu keiner andern Zeit im ganzen Jahr das Orauä Ualais zu haben gewesen, und nur dieses Lokal konnte, wenn das Unternehmen Erfolg haben sollte, für eine Buchgewerbe-Ausstellung in dem ge planten Umfange in Frage kommen. Aber jetzt, im heißen August ist Paris sozusagen leer, es fehlt die Teilnahme der vornehmen Welt, die sonst die Eröffnung einer derartigen Ausstellung, wie z. B. des Salon äss Lsaux-^rts oder des Salon äs Hutomobils, die alljährlich ebenfalls im Olranä Katars stattfinden, zu einem svdnsmsnt parisisn stempelt. Damit will ich nicht sagen, daß die Ausstellung nicht besucht würde. Wenn auch so ziemlich jeder, der sich das irgendwie leisten kann, dem im August unglaublich heißen und staubigen Paris den Rücken kehrt, so bleiben doch immer noch genug Leute in der Stadt, die in Er mangelung von etwas Besserem wenigstens einen Spazier gang in die Champs-Elrffses machen und auch gern einen Franc — so viel kostet der Eintritt — für die Exposition *) llber diese vor Monatsfrist eröffnete mißlungene Aus stellung sind uns gleichzeitig zwei Berichte zugegangen, die sich gegenseitig ergänzen. Wir drucken sie daher beide hinter einander ab. Red. äu lövrs ausgeben. Außerdem übt alles, was im Olranä Katars vor sich geht und somit den Charakter von etwas Außerordentlichem trägt, auf den Durchschnittspariser eine große Anziehungskraft aus. An Besuchern wird es somit der Ausstellung nicht fehlen, aber gerade diese Besucher kommen für den Kauf von Druck- und Setzmaschinen gar nicht in Betracht, und es ist mehr als zweifelhaft, ob die Aussteller bei den horrenden Spesen für Transport, Auf stellung und Betrieb der Maschinen auf ihre Kosten kommen. Aber nun zur Ausstellung selbst! Ein zwar nicht schönes, aber wenigstens originelles Plakat ladet zum Besuche ein: der alte Gutenberg, auf einem Sockel stehend und auf seine hölzerne Handpresse gestützt, sieht sich auf einmal mitten in dem Gewirre von Rotationsmaschinen und Schnellpressen und schaut mit Verwunderung und vielleicht auch mit einigem Schrecken, was der Baum, den er einst gepflanzt, nun alles für Früchte gezeitigt hat. — Der erste Eindruck ist ein recht vorteilhafter; wie es das hübsche Sprichwort besagt, das von der Pariserin kursiert, die »aus nichts ein schönes Kleid zu machen versteht«, so läßt es sich dem Franzosen nicht ab streiten, daß er viel Geschmack dafür hat, mit wenigen Mitteln einen schönen und harmonischen Gesamteindruck zu erzielen, — das hat die Weltausstellung von ! 900 voll bewiesen. Aber schon nach wenigen Schritten merkt nicht nur der Fachmann, sondern auch andre Leute, daß hier in der Kxpositron äu lüvrs nicht nur Sachen zu scheu sind, wie Bücherschränke, Brief marken in verschiedenen Herstellungsstadien mit Original entwürfen der Künstler, Schreibmaschinen, Füllfederhalter, Photographieartikel und Faber-Bleistifte, für die sich bei einigem guten Willen irgendeine Verwandtschaft zum Buch gewerbe finden ließe, sondern auch Sachen, die ganz bestimmt nicht hierher gehören, wie optische Instrumente, Teppiche, eiserne Öfen, Möbel aller Art, mechanische Teppichreiniger, Parfüms, ja sogar Thee, und zwar nicht zum Trinken, sondern zum Kaufen und Mitnehmen, ganz zu schweigen von einem allerdings recht hübschen Relief, mit dem die bekannte Gardinenfabrik Amieux frdres ihre Etablissements ver anschaulicht. Auch in bezug auf Maschinen findet man nicht das, was man erwarten dürfte. Gut vertreten ist die Firma Karl Krause in Leipzig mit verschiedenen Reliefpresse», einer Falz-, Heft- und Schneidemaschine, ferner Walther Behrens mit mehreren Lynotypen und Schnellpressen, die aber nur teilweise im Betrieb waren, u. a. m. Um das wenige was an Büchern zu sehen ist, gleich zu er wähnen, so ist die einzige Firma von Ruf, die etwas ausstellt, Felix Juven in Paris, und auch diese bietet eigentlich nur ihre Zeitschriften, einige Bilderbücher und eine recht be scheidene Auswahl des Buchverlags in einigen broschieiten Exemplaren. Ebenso sind Hachette L Cie. nur mit ihren Zeit schriften vertreten, wozu sie durch die Konkurrenz, die ihnen die junge, aber erfolgreiche Pariser Firma Pierre Lafitte L Cie. macht, gezwungen sind. Hier, beim hübsch eingerichteten Stand von Pierre Lafitte, sind wir eigentlich am interessantesten Teil der Ausstellung angelangt. Es ist merkwürdig wie sehr der geradezu an amerikanische Verhältnisse mahnende Erfolg dem jungen, aber tüchtigem Verleger treu blieb. Seine erste Schöpfung im Jahre 1900 war die illustrierte Frauenzeitschrift »Ksmrna«, deren Auflage er heute mit 135 000 Exemplaren angibt; ihr folgten die »Nusiea«, »Ka vis au granä arr«, »Ksrnrss st ObLtsaux« und »cksunssss«, die zwar alle in bezug auf die Auflagenziffer hinter der »Kemina« Zurückbleiben, aber doch gut redigiert und hübsch illustriert einen schönen Reingewinn abwerfen mögen. Erst vor zwei Jahren trat Lafitte mit seinem größten und erfolgreichsten Unternehmen an die Öffentlichkeit: der