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Was Perthes imJnnersten bewog und kräftigte, die Opfer und Gefahren des schweren Kampfes so männlich zn bestehen, geht deutlich aus einem Briefe hervor, den er an seine Familie schrieb, als er in folge der Verbannung lange Zeit von ihr getrennt leben mußte; es heißt in demselben: „Ich habe manches Harte und Schwere getra gen, aber wahrhaft unglücklich ist der Mensch nur, wenn er mit Gott, mit sich und der Welt irrig, ungewiß und uneins ist; das aber war ich nie. Ich weiß, daß Gott im Himmel ist, und daß kein Volk und kein Einzelner im Volke fremde Herrschaft dulden darf und, um sie nicht zu dulden, alles und jedes irdische Gut opfern darf und muß." Geben uns aber schon diese Worte ein willkommenes Zeug- niß seiner echten und ungeschminkten Frömmigkeit, so weist auch sein gesammtes Leben und Streben auf den tiefinnersten Kern seines geistigen Menschen hin. Es war dies die festeste Ueberzeu- gung von der Wahrheit der christlichen Offenbarung, ohne welche nach seinem eigenen Bekenntnisse die Geschichte zu einem unentwirr baren, ungeheuren Weichselzopf und jedes philosophische System zu einem Rechcnerempel wird, dessen Richtigkeit, weil alle Möglichkeit der Probe fehlt, nie festzustellcn ist. Denen freilich, die Jeden, dem es Ernst ist mit Christus, als Pietisten, Orthodoren oder Heuchler- lächerlich zu machen und herabzusehen suchen, wurde heutzutage Perthes durch seine strengchristlichc Ueberzeugung manchen Anstoß geben, wie er ja schon zu seinen Lebzeiten von verschiedenen Seiten einer nicht unbedenklichen Neigung zum Katholicismus angeklagt wurde; erinnert man sich aber seiner vorurtheilsfreien Duldung gegen Andersmeincndc, seines Freiseins von aller Kopfhängerei und krankhaften Sentimentalität, seiner frischen, fröhlichen Thatkraft und seiner steten Bereitwilligkeit, allen Hilfsbedürftigen durch die That beizustehen, so wird jeder Zweifel an der vollen, freudigen Zuversicht schwinden, die er „in die Unsterblichkeit seines Geistes und in die Liebe Gottes bis zum letzten Hauche seines Lebens" setzte. — So trifft uns denn nach den gegebenen Andeutungen in Perthes ein Mann entgegen, derdasLeben in seinenTiefenerfaßt hat und deshalb den höchsten Forderungen desselben nach jeder Seite hin selbst bis zur Aufopferung seiner selbst gerecht zu werden sucht. Geschieht eZ nun aber, daß ein derartiger, im Vollen lebender Mensch alle seine gei stigen Errungenschaften zum Vortheile seines spcciellen Berufes vcr- werthet, so kann es nicht wundern, wenn er in diesem das Höchste leistet und durch ihn der Menschheit zum Segen wird. In solcher Weise erklärt sich die Stellung, die Perthes als Buchhändler, ins besondere als Vcrlagsbnchhändler einnahm: er war ein großer Mensch und als solcher ward er zu einem großen, ja dem größten Buchhändler seiner Zeit. Der Samen aber, den er ausstrente, hat goldene Früchte gezeitigt, dem gegenwärtigen und künftigen Ge- schlechte zu reichem Genüsse. Der Buchhandel war für Perthes eine tief in den Gang der Geschichte eingreifende Macht, ein Glied in dem großen Zusammen hänge der Einrichtungen und Veranstaltungen, durch welche ein Volk sich geistiges Leben möglich macht. Von solchen Gesichtspunkten ausgehend betrachtete er nicht pecnniären Gewinn als den letzten Zweck des Geschäftes, wie verständig er auch den Werth und die Wichtigkeit desselben als praktischer Geschäftsmann zu berechnen ver stand, sondern einzig und allein die Geistes- und Gcmüthsbildung des Volkes, der Menschheit. In ihren Dienst stellte er sich und sein Geschäft, und dieses tiefere Ergreifen des Berufes konnte nicht an ders als Hand in Hand gehen mit dem Bestreben, das Object des selben, die Literatur, von allen unwürdigen Fesseln nach Kräften zu befreien, sie ihrer idealen Bestimmung immer näher entgegenzu- sühren. Ebendaher hat er auch, wie einer seiner Verehrer sich aus drückt, unsrer deutschen Literatur mehr als bibliopolische Hebammen- dicnste geleistet, denn er griff auf die heilsamste Weise thalsächlich för dernd ein, bewegend, ausbreitend, Gelegenheit, Wege und Mittel er spähend, die unerkannten Talente ans Licht ziehend und wie ein Vater sic in die Lcbensverhältnisse der Literatur einführend. Dazu bietet der Ucbcrblick über seine Verlagsnnternehmungen eine reiche Sammlung der gediegensten literarischen Werke, durch welche der Geist der Nation mächtig gefördert wurde und er selbst seinen leben digen Antheil an der Entwicklung vorzugsweise der Geschichtswissen schaften, fast noch mehr jedoch der deutschen Theologie bewies. Zugleich gibt ein solcher Ueberblick einen woklthuenden Beleg, wie streng Perthes selbst dieForderung erfüllte, die er an jeden Verlags buchhändler stellte, daß er nämlich auch nicht eine Schrift unter die Presse kommen lasse, aus der kein Funke des Dichterischen, des Geist vollen , des Witzes leuchte, worin nicht ein ausgehendes Weizenkorn des Nutzbaren sich entdecken lasse, daß er nicht gemeine Wirthschaft treibe mit gemeinem Schreibgesindel, das den Geist für Stallung und Fütterung preisgebc. Schließlich möge es verstattet sein, noch auf eine Festgabe zn verweisen, die gewiß als der würdigste und werthvollste Beitrag zur Feier des 21. April bezeichnet werden muß, indem nämlich für diesen Tag von dem bereits im Eingänge erwähnten Werke: „Frie drich Perthes' Leben" eine neue billige Volksausgabe in gediegener Ausstattung erscheinen wird. Möchte dieses schöne Unternehmen kindlicher Pietät den gewünschten Erfolg haben und dazu beitragen, daß in immer weiteren Kreisen das Andenken eines Mannes erhal ten und gefördert werde, dem der deutsche Buchhandel eine gedeih liche Hebung und nicht wenige seiner nützlichsten Gesammteinrich- tungen, das deutsche Volk in schwerer Bedrängniß einen Theil seiner Wiedergeburt, die Menschheit aber ein edles Vorbild verdankt, durch dessen Nacheiferung sich ein Jeder die dauernden Grundlagen wahr haften Glückes sichern wird! Gotha, den 14. April 1872. llr. Paul Möbius. Die Holzpapierfrage. Die von Herrn Mitschcr in Nr. 86 d. Bl. angeregte Holz papierfrage hat die größte Wichtigkeit und verdient von allen Seiten beleuchtet zu werden. Möchten doch alle Verleger sich veranlaßt fühlen, ihre vielen Erfahrungen zu veröffentlichen, damit Klarheit in diese Angelegenheit gebracht werde. — Uns will es scheinen, daß nicht nur Sonnen- und Gaslicht auf solches Papier verderblich einwirke, sondern das bloße Liegen an der Luft ebenfalls, selbst in ganz ge schützten Räumen. Auch dringt die gelbe und braune Farbe immer tiefer in die Flächen des Papiers, und so kann es kommen, daß ein Verleger einen großen Theil seines Vermögens opfert, um ein auf lange Dauer berechnetes Buch herzustellen, und er sich eines schönen Tages vis n vis äa rien befindet. Es ist wünschenswerth, damit die Kcnntniß dieses neuen über uns gekommenen Nebels so schnell als möglich verbreitet werde, daß die schon jetzt davon betroffenen Verleger Eremplare ihrer im gänz lichen Verderben begriffenen Verlagsbücher vielleicht schon diese Messe auf der Börse auslcgten. Würde der Preis des Papiers und der Name der Fabrik, ans der es bezogen, dazu bemerkt, so wäre durch ersteres zu erkennen, ob wirklich nur geringe Papiersorten, wie jetzt von den Fabriken behauptet wird, denHolzznsatz bekommen, oder, wie wir der Ansicht sind, auch feinere. Der Nutzen, den die Nen nung .der Fabrikanten hätte, liegt auf der Hand. Es würde sich dabei auch Gelegenheit ergeben zu besprechen, wie dem Uebel ab geholfen werden kann. L.