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Redaktioneller Teil. 168, 21. Juli 182S. laden hincinzubringcn sind. Solchen Leuten sitzen im gegebenen Augenblick ein paar Mark lose in der Tasche! Daß dieser sür den Buchhandel noch nicht voll erschlossene Käuferkrcis ein immer hin zu beachtendes Neuland sür buchhändlerische Werbung ist, glaube ich nach meinen Beobachtungen bejahen zu müssen, und damit möchte ich auch eine unbedingte grundsätzliche Zustimmung zu den Vorschlägen des Herrn Schnabel aussprcchcn. Und eine weitere Frage, die Herr Schnabel zwar ossen läßt, muß ich be jahen, nämlich die, ob mit der Ausstellung ein direkter Verkauf verbunden sein soll. Die Möglichkeit des unmittelbaren Kausens und Mitnehmens der Bücher muß vorhanden sein! Die geweckte Freude an einem Buch muß sofort für uns in Kapital umgesetzt werden. Das eben gekennzeichnete Publikum ist kein sehr nach denkliches und hat kein Verständnis dafür, wenn man ihm sagen muß, daß die Bestellung vorgemerkt und die Lieferung später durch eine Sortimentsbuchhandlung erfolgen wird. Das wach gerufene Interesse muß sofort befriedigt werden können! Zuvor noch etwas Allgemeines und Grundlegendes! Als zwei Punkte, auf die wir in den kommenden Jahren unsere Aufmerksamkeit besonders richten müssen, bezeichnet Herr Schnabel in der Einleitung seiner Schrift Wirtschaftlichkeit und Werbung, und er sagt von der Wirtschaftlichkeit unserer Betriebe, daß wir sie nur durch straffe Organisation und vermehrten Um satz erreichen können. Von der Wirtschaftlichkeit der Betriebe habe ich hier nicht zu sprechen, denn sie unterliegt mehr oder weniger der persönlichen Aufgabe und Eignung des Einzelnen. Ich fühle mich aber genötigt, von der Wirtschaftlichkeit der Buch produktion zu sagen, daß sie nach einer vernünftigen Regelung geradezu schreit. Man kann im Hinblick aus die Produktions weise des deutschen Verlags nicht von einer Wirtschaftlichkeit sprechen, sondern nur von einer llnwirtschaftlichkeit. Des Bücher- machens ist, wie es schon in der Bibel heißen soll, kein Ende; es wird ins Blaue hinein verlegt. Zu dieser Überproduktion kommt noch die Veranstaltung einer Menge ausländischer Übersetzungen, sodaß zwischen der Produktion des deutschen Verlags und der Aufnahmefähigkeit des deutschen Büchermarktes bzw. der ge schwächten Kaufkraft ein Mißverhältnis besteht, für welches mau durch «vermehrte Werbung« und »Erschließung neuer Absatzge biete« vergeblich einen Ausgleich suchen wird. Nach dieser Rich tung hin den Ruf nach Wirtschaftlichkeit laut und eindringlich ertönen z» lassen, scheint mir eine der notwendigsten Forderungen zu sein. Der Sortimenter täuscht sich, der da meint, daß ihm diese reichliche Buchproduktion in gewisser Hinsicht nur will kommen sein kann, daß sie schließlich allein Sache des Verlags sei. Eine Überproduktion, wie sie heute vorhanden ist, regt auto matisch zur Erweiterung des Kreises der Buchvertreiber an. Daß in der letzten Zeit die Neugründungcn von Reise- und Versand buchhandlungen wie Pilze im feuchten Herbst aus der Erde schießen, daß die Gesuche um Aufnahme ins Adreßbuch sich ständig mehren, ist jedem halbwegs Eingeweihten zur Genüge bekannt, lind aus der augenblicklichen kritischen Lage im Buchhandel, die auch das Sortiment in aller Schärfe spürt, scheint mir deutlich hervorzugchen, daß der Kreis der Buchvertreiber schon heute viel zu groß ist. Eine weitere Gefahr der Überproduktion im Ver lag liegt für das Sortiment darin, daß der Verlag, der für die mangelnde Aufnahmefähigkeit des Sortiments nach einem Ventil sucht, sehr oft gezwungen ist, seine Vorräte schnell in Geld um- zusetzcn. Er wird möglicherweise versuchen, größere Posten seiner Vorräte an Großantiguariate oder Ramschsirmen um jeden Preis loszuschlagcn, er wird z. B. dem Reisebuchhan'del, der ihm einen größeren Absatz verspricht, Rabatte gewähren, die weit über das erträgliche Maß hinausgehen, und wird so die normalen Absatz möglichkeiten des Sortiments ungewollt verringern. Mit dieser Abschweifung will ich der gefährlichen Meinung Vorbeugen, als ob man durch die regelmäßige Veranstaltung von Büchertagen, Bücherwochen, durch vermehrte Werbung usw. die Überproduktion und die bekanntermaßen verringerte allgemeine Kaufkraft einander angleichen könnte, als ob man durch sie etwa die Existenzmöglichkeiten für die allgemeiner Beobachtung nach zu reiche Zahl von Buchvertreiber» vergrößern könnte. Noch auf einen weitere» Punkt muß ich Hinweisen: Man findet in vielen Buchhandlungen seit Monaten soge nannte »billige Bücher« ausgestellt. Dies ist verständlich aus dem Bestreben, sich zum einen die notwendigen Einnahmen zu ver schaffen und zum anderen die Vorräte aus der Inflationszeit abzustoßen. Verlag wie Sortiment leiden unter diesen Vorräten, und cs sollten durch gemeinsames Handeln Wege gesucht werden, sie unter die Masse zu bringen. Es ist aber unbedingt erforder lich, dem Käuferpublikum deutlich zu sagen, um was es sich han delt, damit einer tu vieler Hinsicht gefährlichen verringerten Wcrteiuschätzung des Buches vorgebcugt wird. Daß die Bücher, die heute in friedensmäßiger, tadelloser Ausstattung auf den Markt gebracht werden, in der Regel zu billig kalkuliert sind, scheint mir außer allem Zweifel zu stehen, zu billig nicht im Hinblick ans die vorhandene Kaufkraft, sondern zu billig in Rück sicht auf die gewaltig gesteigerten Herstellungskosten und Geschäfts unkosten im Vergleich zu den Fricdenssätzen. Dies dem Publi kum mit aller Deutlichkeit vor Augen zu führen, wenn man etwa den Rahmen einer Bücherwoche sür den Ausverkauf von Jnsla- tionsvorräten benutzen möchte, scheint mir ein selbstverständliches Gebot zu fein. Wenn ich mich nun kurz den Vorschlägen des Herrn Schnabel zuwende, so mutz ich ihnen darin zustimmen, daß wir uns hüten müssen, aus einer Bücherwoche einen »Rummel« zu machen, eine Bücherwoche etwa wie eine Zirkus-Schaustellung anzupreisen. Ich betone: wenn der Buchhandel als Gesamtheit austritt. Der einzelne Verlag, das einzelne Sortiment wird für dieses oder jenes Buch in seiner Reklame amerikanischer als amerikanisch sein können. Eine Büchcrwoche, die immer auch als Repräsentation des Buchhandels angesehen werden wird, muß in ihrer Auf machung eine gewisse Prägung erhalten, die der stillen Wirkung des guten Buches entspricht. Uber die Gegensätzlichkeit von Bücherwoche und individueller Einzclpropaganda habe ich hier nicht zu sprechen, obwohl es reiz voll wäre, von diesem Gesichtspunkte aus die Schrift des Herrn Schnabel zu betrachten. Es wimmelt in Deutschland von allerlei Messen, Ausstel lungen, Tagungen usw., und wenn man z. B. hier in Stuttgart die im Laufe eines Jahres in ununterbrochener Folge sich anein anderreihenden öffentlichen Veranstaltungen offizieller und in offizieller, größerer und kleiner Art überblickt, so kann man damit ohne weiteres die Vorstellung verbinden, daß alle diese Ver anstaltungen einen Hintergrund abgeben, daß sie einen immer währenden Wechselrahmen bilden für Büchertage und Bücher wochen. Es sind hier die Gelegenheiten zu intensiver Buchwer bung geboten, und es gilt nur, sie in der richtigen Weise zu nützen. Alle diese Veranstaltungen: Sportfest, Parteitag, Frauenvereins- tagung, Tagung der Sozialpolitiker, Bauausstcllung, Kunstaus stellung, Gartenbauausstellung, Berufsschultagung, Landwirt schaftliche Ausstellung usw. usw., dann die vielen, vielen öffent lichen Vorträge geben bereits den Gesaintbegriss ab, den Herr Schnabel für Büchertage und Bücherwochen anstrebt. Wer öffentliche Vorträge, seien sie nun Politischer, literarischer oder anderer Art, besucht, wird selten einen gepflegten Büchertisch antreffen, er kann aber — wenn ein solcher vorhanden ist — auch die Beobachtung machen, daß nach einem Bortrage die Lust zum Kaufen immer lebhaft fein wird, wenn der betreffende Vor trag eine tiefere Anteilnahme an dem betreffenden Thema zu wecken wußte. Die Ausnützung solcher ständigen Buchwerbungs- Gelegenhciten darf aber nicht dem Zufall überlassen werden, sie verlangt im Gegenteil ganz systematische und vor allen Dingen gemeinschaftliche Behandlung. Es darf nicht Vorkommen, daß wie auf der Stuttgarter Bauausstellung in der Ausstellung »Schwäbisches Land« wieder einzelne und verstreute Stände einiger Verleger und Sortimenter anzutresfen sind, aber eine der Gesamtidcc entsprechende Gesamtschau »Schwäbisches Land in Buch und Bild« fehlt; es sollte ausgeschlossen sein, daß anläßlich der Berufsschultagung 2060 Berufsschullehrer und -lehrevinnen aus dem Reich hierherkommen und wohl in einem der vielen Tagungsräume eine kleine Bücherschau sinken, daß aber bei deu vielen Spezialvorträgen die Büchertische fehlen, daß kaum ein Buch-Schaufenster der Stadt die Hunderte die Straßen durch wandernder Teilnehmer lockt: hier sindest Du das, was Dich