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Börsenblatt f. d. Dtsrbn. Buchbandel. Redaktioneller Teil. X- 195, 9. September 1919. Gustav Friedrich Dtnter (aus Borna, 1769-1831): »Dinters Leben, von ihm selbst geschrieben, ein Lehrbuch für Eltern, Pfarrer und Erzieher« (1829). Es spiegelt, nach einem fachmännischen Urteil, »treu seinen verständigen, wohlwollenden Sinn Wider, wie seinen volkstümlichen Humor und harmlosen, etwas platten Witz« und wird in seinen »Sämtlichen Schriften« neugedruckt sein, vielleicht auch in der Auswahl von Seidel, deren letzte Ausgabe Ende der achtziger Jahre erschien. Johann Gottfried Seumes (1763—1810) »Mein Leben« bricht leider schon vor seiner Ankunft in Amerika, wohin er bekanntlich als Soldat verschleppt wurde, ab, ist aber von C. A. H. Clodius fortgesetzt worden (jetzt in der Universal« bibliothek). Der »Spaziergang nach Syrakus« (auch bei Re- clam) und »Mein Sommer« sind natürlich Ergänzungen dazu. Auch Jean Pauls (1763—1825) Selbstbiographie, die er in bewußtem Gegensatz zu Goethes »Wahrheit und Dichtung« »Wahrheit aus Jean Pauls Leben« betitelte, bricht früh, mit seiner Konfirmation ab. Sie steht u. a. in der Jean Paul- Ausgabe der Goldenen Klassiker-Bibliothek. Dagegen führt des Philologen und bekannten Übersetzers Friedrich Jakobs' (1764—1847) Selbstbiographie »Personalien« (1840) tief in sein Leben hinein. III. Im neunzehnten Jahrhundert, dessen Leben weit stärker von der Politik beeinflußt ist, als das des achtzehnten, be kommen die Lebensbeschreibungen natürlich auch vielfach ein Politisches Gepräge. Hier kann man, mit Friedrich von Gentz' (1764—1832) Tagebüchern, die ja aber nicht in unfern Bereich fallen, die »Memoiren« des Ritters Karl Heinrich von Lang (1764—1835), eines Süddeutschen, an die Spitze stellen, die zuerst 1842 erschienen und einen Blick in die alte deutsche Kleinstaaterei tun lassen. — »Aus der bösen alten Zeit« ist die Neuausgabe in Lutz' Memoirenbibliothek betitelt, man muß aber hinzusetzen, daß der Ritter von Lang als sehr zuverlässig eben nicht gilt. Im bayrischen Staatsdienst tätig war der Graf Franz Gabriel von Br ah, ein geboren:! Franzose (1765—1832), von dem 1901 das Werk »Aus dem Leben eines Diplomaten alter Schule« hecauskam. »Be kenntnisse eines vormaligen Jlluminaten« veröffentlichte 1840 der bayerische Slaatsrat Clemens von Neu mayr (1766—1829). Ausgesprochene Politiker war auch Hans Christoph Ernst Freiherr von 01a gern (1766—1852), der niederländischer Gesandter beim deut schen Bundestage war und 1822 -45 ein Werk »Mein Anteil an der Politik« in nicht weniger als 6 Bänden heraus- gab, das ein lebendiges Bild der Napolconischen Zeit bieten soll. Das tut auch die Selbstbiographie des Geheimrat Christoph Wilhelm Heinrich Sethes (1767—1855), aus der Freytag ein Stück nach der Handschrift abdruckt — ich weiß nicht, ob sie inzwischen ganz erschienen ist. W. H. Puchta, Landrichter in Erlangen (1769—1845), gab »Erinne rungen aus dem Leben und Wirken eines alten Be amten« (1842) heraus. Im Anschluß an diese Werke wären dann Ernst Moritz Arndts (1769—1860) beide selbstbiographischen Werke, die »Erinnerungen aus dem äußeren Leben« (zuerst 1840) und »Meine Wande rungen und Wandelungen mit dem Reichsfreiherrn Karl Fried rich von Stein« (1858) zu erwähnen, die jeder Deutsche, der Deutscher sein oder werden will, kennen muß, — sie sind glück licherweise in billigen Ausgaben, u. a. bei Reclam, vorhanden. Man kann sich, von der stark fesselnden Darstellung aller wich tigen Partien ganz abgesehen, eine Fülle deutscher Grundan- schauungen aus ihnen holen. - Zur Literatur führen uns die Memoiren der Johanna Schopenhauer (1766-1838, im »Nachlaß« 1839) und die »Denkwürdigkeiten aus meinem Leben« von Karoline Pichler (1769—1843) zurück, die nach ihrem Tode 1844 Ferdinand Wolf herausgab. Man rühmt sie als ziemlich allseitiges Bild des Wiener literarischen Lebens. Joseph Schreyvogels (1768—1832) »Tagebücher« ge hören ja streng genommen nicht hierher, mögen aber doch als Ergänzung zur Pichler genannt sein. Ziemlich ausführliche »Er innerungen« haben wir von dem Jugendschriftsteller Chri- 7SO stoph von SchINid (1768—1854). Allerlei Selbstbiographi- sches hat auch der Leipziger Schriftsteller Friedrich Roch- litz (1770—1842) geschrieben, u. a. eine Schilderung der Schlacht bei Leipzig, die von Goethe sehr gelobt wurde und unter den von Schmidt herausgegebenen »Zeitgenössischen Be richten« in der Universalbibliolhck ist. Ter seit 1804 in Weimar lebende Schriftsteller StephauSchntze (1771 — 1839) hinter lieb eine »Lebensgeschichte«, die aber nur bis 1804 reicht. Von Wichtigkeit für Alt-Weimar sind noch die Erinnerungen der Malerin Luise Seidler, von H. Uhde herausgegeden. Eine einst allgemein gelesene Selbstbiographie gab in seiner »Selbstschau« (1842) der große Unterhalter Heinrich Zschokke (1771—1848). Sie zerfällt in die beiden Abteilungen »Das Schicksal und der Mensch« (biographisch) und »Welt- und Gott-Anschauung« (betrachtend) und erlebte acht Ausgaben, die letzte, Volksausgabe, 1907. In die Hessesche Zschokkc-Ausgabe ist sie leider nicht ausgenommen worden. — Neben Arndts Erinnerungen sind die »Erinnerungen aus dem Leben des Generalfeldmarschalls H. vonBoycn« (1771—1848) zu stellen, die aus dem Nachlaß des berühmten Kriegsministerz herbor traten und bis 1813 reichen. — Ganz verschollen ist heute das Buch von I. Weitzel (aus Johannisberg, 1771—1837): »Das Merkwürdigste aus meinem Leben und aus meiner Zeit«, in dem nach H. Kurz' Urteil der Verfasser »seine Kämpfe mit Dürftigkeit, Armut und Vorurteilen mit großer Lebendigkeit schildert«. Mit ihm zusammen mögen die von Goethe in dem Aufsatz »Der deutsche Gil Blas« besprochenen Erinnerungen von JohannChristophSachse und Johann Caspar SIeuber genannt sein. — Eine bekannte Persönlichkeit ist ja wieder der in der Geschichte der Romantik mitspielende Heidel berger Professor Friedrich Creuzer (1771—1858), der seine Selbstbiographie unter dem Titel »Aus dem Leben eines alten Professors«' (1848) veröffentlichte und ihr noch (1858) »Paralipomena der Lebensskizzen eines alten Professors« fol gen ließ. Das von Varnhagen von Ense herausgegebene Buch des Andenkens an Rahel Levin (1771—1833) soll hier we nigstens flüchtig genannt sein (Neuausgabe von H. Landsberg), wie auch seine eigenen »Denkwürdigkeiten« (1842 ff.) und »Tage bücher«. Des Buchhändlers Friedrich Perthes (1772— 1843) »Leben« ist nach dessen schriftlichen und mündlichen Mit teilungen von seinem Sohn ausgezeichnet. Die »Denkwürdig keiten« des Hamburger Theaterleiters Friedrich Ludwig Schmidt (1772—1841) gab 1875 H. Uhde heraus. — Die bedeutendste Selbstbiographie aus dem Kreise der Ro mantik ist jedenfalls die des in Deutschland heimisch gewordenen Norwegers Henrich Steffens (1773-1845), die unter dem Titel »Was ich erlebte« Berlin 1840—45 in zehn Bänden erschien. Sie hat neuerdings, 1908 und 1912, zwei gekürzte Neuausgaben erfahren. — Im Jahre 1911 zum erstenmal herausgekommen sind die »Denkwürdigkeiten« von A, Hiller von Gärtringen, der doch Wohl — ich habe das Buch noch nicht gesehen — der preußische General Johann August Friedrich Freiherr Hiller von Gärlringen (1772—1856) ist. Der preußische Generalfeldmarschall Karl Freiherr Von Müffling (1775—1851) gab eine Schrift »Aus meinem Leben«, auch meist Erinnerungen aus der Zeit der Freiheits kriege, die aber Theodor von Bernhardt in den »Denk würdigkeiten des Generals von Toll« als un glaubwürdig hingestellt hat. Das ist auch den Me moiren des berühmten oder berüchtigten Metternich (1773—1859), »Aus Metternichs nachgelassenen Papieren« (1880—84), die zugleich französisch und deutsch erschienen, begegnet. — Schon von Frehtag benutzt wurden die Erinnerungen des Zittauer Bürgermeisters Ern st Friedrich Haupt (1774—?), des Vaters des Germanisten Moritz Haupt. — Großen Zeitwert haben die dreibändigen »Lebenserinne rungen« des in dänischen Diensten stehenden Holsteiners Johann Georg Rist (1775—1847), eines Nachkommen des Dichters Johann Rist, die 1880—1888 gedruckt wurden und jetzt im Auszug in der Hamburger Hausbibliothek sind. Rists Landsmann, der bekannte Theologe Claus Harms <1778 —1855) gab seine Selbstbiographie als »Lebensbeschreibung,