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Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller TeU. -X- 44, 25, Februar ISIS. französische Ausgabe erschien; aus dem Jahre 1559 stammen die lasiAlljumaiiguotvirorumieonss (Lugduni, I. Tor- naesius, 4°), aus 1566 die lilustrium jureconsulto- rum imagiuss aä vivam okkixism «xprsssae, ex dlusaeo Kar ei Kantuae Lensviäii (Rom, A. La- frerius, Fol,), — die Drucker-Verleger Gerlachs Witwe und I, Montauus in Nürnberg ließen 1576 Lkkixiesregumb'ran- eorum omnium - , ack vjvum, gnanto kieri po- tuit, exgressae erscheinen (als Stecher werden hier Virgil Solls und Jost Amman genannt); ich erinnere weiter an die Namen Theodor Beza, Paulus Jovius, Nicolaus Reusner, Lukas und Wolfgang Kilian usw,: es zieht sich eine ununter brochene Kette solcher Bildniswerke vom 16, Jahrhundert bis herab auf die ähnlichen Unternehmungen unserer Tage (Allge meines historisches Porträtwerk, Swarzenskis »Frankfurter Bildnis« u. a.). Aber auch die Sitte, daß Privatpersonen oder Institute Bildnisse hervorragender Persönlichkeiten zu Sammlungen Ver einen, ist sehr alt, — es mögen solche Sammlungen ihr Ent stehen dem Interesse am Porträt als solchem oder an den dar- geslellten Personen, der gewöhnlichen Sammelliebhaberei oder der Liebe zur Kunst verdanken. Besonders im ausgehenden 18. Jahrhundert war dieser Sammeleifer weit verbreitet, wozu viel leicht das Interesse an Lavaters physiognomischen Werken den Anstoß gegeben hatte. Lavater selbst hatte sich ja bekanntlich zum Behufe seiner Studien eine umfängliche Sammlung alter und neuer Porträte angelegt, die sich jetzt — mit allen Bei lagen ca, 30 000 Blatt umfassend; jedem Porträt hat Lavater die von ihm aus den Gesichtszügen herausgelesene Charakte ristik in Hexametern handschriftlich beigefügt — im Besitze der Nachkommen Kaiser Franz' I. von Österreich befindet, der sie ca. 1830 aus dem Nachlasse des Grafen Moriz Fries erwarb und sie seiner von ihm aus Vorliebe für das historische Porträt angelegten großen Porträtsammlung einverleibte. Diese, auch nach Kaiser Franz' Tode weitergeführte und der meiner Leitung anvertrauten kaiserlichen Familien-Ftdeikommiß-Bibliothek in Wien eingegliederte Sammlung zählt heute gegen 200 000 Blät ter und hat sich ebensowohl durch Bestimmung unbekannter Bild nisse wie durch Beihilfe bei der Illustrierung besonders histo rischer Werke vielfach erhebliche Verdienste um die Wissenschaft erworben. Eine Porträtsammlung in dem Sinne, wie sie hier ver standen wird, soll nicht als Unterabteilung einer Kunstsamm lung aufgefatzt werden, wenn es auch richtig ist, daß die Por trätkunst ebenso ein Zweig der Kunftübung ist wie etwa die Landschafts- oder Historienmalerei. Aber neben dem Porträt als Kunstwerk gibt es noch unzählige Porträts — ich erinnere nur an die landläufige Photographie —, die außerhalb des Be griffes der Kunstübung stehen. Die Anlage einer Sammlung von Porträts als Werke der Malerei, der Plastik, der Radie rung, der Lithographie usw, gehört in die gleiche Linie wie etwa eine Sammlung von Landschaftsbildern, von Blumen stöcken u, dgl,, wo ja ebenfalls zwischen gewöhnlichen »An sichten«, bzw. botanischen Illustrationen, wie sie etwa in Lehr büchern der Geographie oder Pflanzenkunde erscheinen, und eigentlichen Werken der bildenden oder reproduzierenden Künste unterschieden werden muß. Dem richtigen Porträtsammler ist nicht der künstlerische Wert eines Blattes das ausschlaggebende Moment für dessen Werteinschätzung, sondern die zur Darstellung gebrachte Persön lichkeit. Und daß diese Wertbemessung seine gute Begründung haben kann, mag ein Beispiel bezeugen. Als die Gemeinde Wien vor etlichen Jahrzehnten den Beschluß faßte, dem helden mütigen Bürgermeister in der Zeit der zweiten Türkenbelagerung (1683), Andreas von Liebenberg, ein Denkmal zu setzen, ergab sich, daß kein Porträt dieses Mannes aufzutreiben war, — nur ein Wiener Sammler, Anton Widter, fand in seinen Mappen ein altes Bildchen, das A, v, Licbenberg darstelltc, einen gleich zeitigen schlechten Holzschnitt, das einzige Exemplar, das sich durch zwei Jahrhunderte heriibergerettet hatte und das nun die Unterlage für das an dem Obelisken angebrachte Porträt medaillon bildete. Seines Kunstwertes wegen hätte das — >42 nun unschätzbare — Bildchen das Aufheben sicherlich nicht ver dient. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß der Kunstwert eines Blattes gleichgültig oder nebensächlich sei: jeder ver nünftige Sammler wird sich auch der Schönheit, der Vollkom menheit jedes einzelnen Stückes freuen und sich bei der Wahl zwischen einem künstlerisch wertvollen und einem wertlosen Stück selbstverständlich für das crstere entscheiden. Aber für die Por- trätsammlung als solche kommt es weniger daraus an, daß sie eine kleine Zahl wertvoller Gemälde oder Stiche enthalte, als daß sie alle oder möglichst viele jener Persönlichkeiten, aus die sich ^>ie Sammlung erstreckt — sei sie ganz allgemein gehalten oder auf gewisse Gruppen: Regenten, Gelehrte, Militärs, Künst ler, Ärzte, Dichter, Schauspieler usw, beschränkt —, In ekligis aufweisen kann. Allerdings, eine Schwierigkeit ergibt sich auch hier: Bis zur Mitte etwa des vorigen Jahrhunderts war es verhältnis mäßig leicht, Grenzen für das Sammelgebiet zu ziehen: ein Bildnis von sich (oder einem andern) in Kupfer stechen, in Holz schneiden, auf Stein zeichnen zu lassen, war immerhin keine ganz wohlfeile Sache und hatte daher — da die Abzüge um so teurer kamen, je weniger Exemplare angesertigt wurden, zumal wo der Verkauf etlicher die Kosten nicht verringerte oder deckte — doch nur bei berühmten Persönlichkeiten, bei Leuten von Stand, Rang und Ansehen, jedenfalls nur bei einer ver schwindenden Minderheit aller Zeitgenossen Sinn, Der Sammler konnte (und kann) also Porträte aus jener Zeit zumeist unbesehen seinen Mappen einverleiben: es werden fast stets Menschen von Bedeutung in irgend welcher Art sein. Das änderte sich aber gründlich mit dem Aufkommen der Photographie, die es nahezu jedem Kulturmenschen ermöglicht, sein Konterfei in vielen Ab zügen anfertigen zu lassen. Man wird in zivilisierten Ländern heutzutage selbst in den entlegensten Dörfern verhältnismäßig wenig Menschen finden, die nicht wenigstens einmal im Leben vor der photographischen Kamera gestanden haben. (Mit der Ausbreitung der Amateurphotographie ist darin Wohl noch eine Steigerung eingetreten.) Damit ist nun allerdings das Sammelfeld ein uferloses Meer geworden; alle existierenden Photographien aufzuspeichern, wäre ebenso sinnlos wie unmöglich. Soll man andrerseits das photographische Bildnis eines bedeutenden Mannes — zumal wenn man von diesem kein anderes oder doch keines aus dem selben Lebensalter, mit denselben Nebenumständen besitzt — nur deshalb von der Sammlung ausschließen, weil es Photogra phie ist? Damit ist zugleich die Frage gestellt: Welche Bildnisse, d. h. welcher Menschen Bildnisse sollen gesammelt werden? Die Ant wort auf diese Frage wird verschieden lauten je nach dem Standpunkt, den der Sammler einnimmt und für seine »Bil deret« gellen läßt. Auch hier gibt es Spezialisierung: der eine Liebhaber z. B. sammelt nur Ärztebildnisse, ein anderer nur Porträte von Schauspielern oder von Politikern, von Dichtern usw. Der Spezialsammler kann da viel tiefer in die Veräste lungen seines Gebietes hinabsteigen und auch die ckii mi- aorum gentium berücksichtigen. Derjenige z. B., der sich für die Lokalgrötzen seiner Vaterstadt, seiner engeren Heimat in teressiert, wird Porträte von Männern (oder Frauen) seiner Sammlung einverleiben, die der »Universalsammler« nicht zir berücksichtigen hat. In den letzten Jahrzehnten ist nun neben der Photographie- noch eine zweite Gattung von Porträts in überaus großen Mengen — in der Gesamtzahl der Bildexemplare (nicht der Dargestellten) vielleicht noch die Zahl der photographischen Ab züge übersteigend — ans Tageslicht getreten, die zu sammeln keine weitere Mühe und nur geringe Kosten verursacht und- bei denen das Bedenken: nicht Krethi und Plethi den Mappen einzuverleiben, hinwegfällt, — ich meine die fast in allen illu strierten Zeitschriften in immer größerer Menge erscheinenden Porträts von Zeitgenossen, die in irgend einer Weise den Blick der Mitwelt auf sich gelenkt haben. Man schlage beliebige Hefte der »Woche«, der Leipziger und anderer Illustrierten Zeitungen, die illustrierten Beilagen der Tagesjournale usw. auf, und man