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8042 VIrlmilalt I. d. DII4N. v»4h°nd-u Nichtamtlicher Teil. ^ 152 3. Juli 1912 muß der Redakteur jährlich unterdrücken, weil sie ihm unwahr scheinlich oder bedenklich erscheinen, weil er die Folgen vor aussehen muß, die sich daran knüpfen können. Manche Notiz kann er nicht bringen, von deren Wahrheit er überzeugt ist, die sich vor Gericht aber nicht beweisen läßt, weil die Zeugen erfahrungsgemäß dann zu versagen Pflegen, die sich durch ihr Zeugnis Unnannehmlichkeiten zuzuziehen fürchten. Wenn der Redakteur nur eine Vermittelungsstellc zwischen Einsender und Setzerei wäre, könnte ja jeder einen solchen Posten be kleiden. Er muß vielmehr von dem hohen Maß der Verant wortung durchdrungen sein, die ihm seine Stellung auferlegt. Man könnte deshalb mit mehr Recht den Ausspruch des I)r. Schmidt umkehren, daß eine Zeitung nicht lange heraus gegeben werden könnte, die alles kritiklos bringen wollte, was ihr eingcsandt wird. Daran ist nicht zu zweifeln, daß zahl reiche Redakteure die Notiz über ein benanntes Hotel nicht ge bracht haben würden; ob aber derjenige, der anders gedacht hat, eine strafbare Fahrlässigkeit begangen hat, ist eine andere Frage. Sehr mildernd fällt dabei in die Wagschale, daß die Notiz mit Unterschrift des Verfassers veröffentlicht worden ist und daß sie von dem Geschädigten zwölf Tage lang nicht be richtigt worden ist. Auch die Höhe der Entschädigung ist sehr angreifbar, um so mehr, als sie mangels Buchführung nicht ziffermätzig nachgewiesen werden kann. Auf das Urteil kann man deshalb neugierig sein. In der Zeit, in der das Rezensionsexemplar wieder zum Gegenstand der Erörterung gemacht worden ist, möchte ich auf einen Aufsatz Hinweisen, der in dem ersten Doppel heft dieses Jahres der Blätter für Bolksbibliotheken und Lese hallen erschienen ist und »Volksbibliotheken und Presse« betitelt ist. Der Verfasser, Stadtbibliothekar vr. Erwin Ackerknecht in Stettin, will darin eine Anregung geben, wie die Zeitungen für Besprechungen der neueren und auch der älteren Literatur gewonnen werden könnten. Nach ihm handelt es sich dabei erstens »um eine systematische Beratung der allzeit stoffhungerigen Feuilletonredakteure« durch Be schaffung von Material aus älteren Werken, die literarisches Anschauungsmaterial zur heimischen Kulturgeschichte enthalten (ältere Chroniken, Sammelsurien und Reisebeschreibungen aus dem 18. Jahrhundert, Sagensammlungcn aus dem 19. Jahrhundert). Diese Aufgabe läßt sich nur an Bildungs- bibliothckcn (im Gegensatz zu den »Verbrauchsbibliotheken«) verwirklichen. Die Bibliotheken sollen also der lokalen Presse »regelmäßige Sammelberichte über die wichtigsten Neuerschei nungen des Büchermarktes im Sinne der gesunden Kultur pädagogik« liefern, nicht bloß über Neuerscheinungen, son dern namentlich über ältere bewährte Werke. Bei der Sucht des Publikums, immer nur Novitäten zu kaufen, ist es von größter Wichtigkeit, daß systematisch immer wieder auf ältere Bücher hingewiesen wird. Zur Ergänzung dieser Sammel- bertchte könnten die Zeitungen dann alle halben Jahre Aus - wahllisten, die der Bibliothekar »mit Hilfe von Spezia listen für die ihm ferner liegenden Fachwerke zusammenstellt, auf besseres Papier drucken und ihren Lesern als besondere Beilage überreichen. Nur andeuten will ich, daß auf diese Weise auch gleich das Besprechungswesen oder -Unwesen der meisten kleineren Zeitungen gehoben würde«/ Ob dieser Vorschlag zu verwirklichen ist, mag dahingestellt sein; gegen die Wahrscheinlichkeit spricht manches. Der Ver fasser hat ausgesprochenermatzen nur die kleine Presse im Auge. Wenn diese erfaßt werden sollte, könnte das viel leichter durch irgendein Korrespondenzbureau geschehen, auf dessen Material diese Zeitungen abonniert sind, als daß jeder Biblio thekar eine besondere Wurst für seine Lokalblätter brät. Auch dürften diese nicht geneigt oder in der Lage sein, den Biblio thekar für seine immerhin nicht geringe Mühe entsprechend zu honorieren. Wenn es aber unter den Bibliothekaren Männer gibt, die ihre Arbeit im Sinne Ackerknechts auch gegen eine verhältnismäßig kleinere Vergütung in den Dienst der Allgemeinheit stellen wollen, so wäre es eine schöne Aufgabe der Bibltothekarbereinigungen, diese Angelegenheit praktisch zu organisieren in der Weise, daß von einer solchen Vereini gung die Zusammenstellung ausginge und diese gegen ein mäßi ges Honorar bezogen werden könnte. Der Erfolg hinge freilich von dem Matz der Geschicklichkeit ab, mit der die Sache ge macht würde. Ganz besonders wäre es aber Ausgabe der buchhändlerischen Zeitungskorrespondenz, von der ich in der Einleitung zu diesem Briefe sprach, diese Sache in die Hand zu nehmen. Einen Gedanken, der für den Verlagsbuchhandel viel leicht von Nutzen wäre, scheint mir der Vorschlag Ackerknechts zu besitzen. Die Zeitschriftenverlcger benutzen viel mehr die Propagandamacht der Presse, als die Buchverleger, indem sie irgendeinen interessanten Beitrag der neuesten Nummer gesondert gedruckt den Zeitungen als feuilletonistische Bei träge zum honorarfreien Abdruck übersenden. Natürlich wird dann das Zitat der Zeitschrift nicht vergessen. Ähnliches könnte vom Buchverlag viel öfter geschehen. Statt auf Re zensionen zu bestehen, suche man eine das Publikum inter essierende Notiz aus dem oder über das Buch zu veröffentlichen. Ich habe es selbst mit Erfolg schon bei einer bedeutenden aus wärtigen Zeitung so gemacht, indem ich interessante Daten aus meinem Rhein- und Moselführer einfach mit Zitat zu feuillc- tonistischen Mitteilungen versandte. Kürzlich las ich eine ganz geschickte Reklame für Rich. Dehmel in Form eines Artikels über »das Kind Europas«, Kaspar Hauser. Am 30. April war sein vermutlicher 100. Geburtstag. In dem Artikel wurde die Geschichte des rätselhaften Findlings erzählt und ganz am Schlüsse ein Gedicht Verlaines in der Übersetzung Dehmels mit Zitat seiner gesammelten Werke unter Angabe des Verlegers als Fußnote angefügt. G. Hölscher. Verlaxsvei-reiclmis giesecke L vevrieot 1852— ckruri 1912. Bsiprix. Berlin. 8". 101 8. Anfang Juni ISI2 konnte die altangesehene Leipziger typo graphische Anstalt von Giesecke L Devrient auf ein sechzigjähriges Bestehen zurückblicken. In einem gefällig ausgestatteten Ver- zeichnis legt sie Zeugnis ab von ihrer stetigen gedeihlichen Ent- Wicklung auf einem Gebiete ihres weitverzweigten Unter nehmens, dem des Verlags. Von ihren Gründern Hermann Friedrich Giesecke (1831—1600) und Alphonse Devrient (1821—1878) als Buchdruckerei für die Zwecke buchhändlerischen und kauf männischen Bedarfs errichtet, hat sie sich unter der tat kräftigen Leitung ihrer Chefs zu einer Weltfirma ersten Ranges erhoben. An die Buchdruckerei gliederten sich bald Abteilungen fast sämtlicher Zweige der graphischen Technik an, so daß das Unter nehmen jetzt Setzerei, Buchdruckerei, Kartographie, Kupferstich, Galvanoplastik, Gravieranstalt, Lithographie, Steindruckerei, Kupfer druckerei, Photographie, Reproduktionsanstalt und Buchbinderei umfaßt, um nur die wichtigsten Abteilungen aufzuzählen. Seinen Weltruf verdankt das typographische Institut in erster Linie der von ihm feit den ersten Jahren seines Bestehens gepflegten Spezialität, der Anfertigung von Geld- und Wertpapieren aller Art. Ver mittelst besonderer Verfahren und unter Benutzung der vorzüg lichsten Materialien und bei geschmackvollster Ausführung stellt es Wertpapiere her, die die Hauptforderung, die der Unnachahm» barkeit, in denkbar vollkommenster Weise erfüllen. Ein weiteres Spezialgebiet wurde die Kartographie, besonders die Anfertigung topographischer und geologischer Spezialkarten und von Stadtplänen in Kupferstich und Lithographie; unter den Bestellern auf beiden Gebieten ist das Ausland in beträchtlichem Umfang vertreten. Auf einem dritten Gebiete, dem des Kunstdrucks, besonders von Prachtwerken, ging die Firma bald dazu über, die Erzeugnisse ihrer Offizin im eigenen Verlag herauszubringen. Die großen Erfolge, die die Veröffentlichungen für andere Verlagshandlungen begleitet hatten, und die allgemeine Anerkennung der aufsehen-