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152, tj. Juli 1912. Nichtamtlicher Teil. rung des Fortkommens auf die Dauer nicht wider stehen wird. Dem Reichstag soll zu Beginn seiner Herbst- tagung eigens eine Novelle zum Handelsgesetzbuch zugehen, wonach die Konkurrenzklausel im Handelsgewerbe an dse Bedingung geknüpft werden soll, datz der Prinzipal verpflichtet wird, für die Einhaltung der Konkurrenzklausel dem Ange stellten eine Entschädigung zu zahlen. Auf der jüngsten Münchener Tagung des ReichsVer ba n d e s der deutschen Presse Mitte Juni standen die Fragen der Sensationsgerichtsberichterstattung und der Vorbildung der Journalisten im Vordergrund des Interesses, Fragen, die im rheinisch-westfälischen Verbände schon eingehend erörtert worden sind und zu wohlmotivierten Entschließungen geführt hatten (vgl.meinen erstenKölnerBrief in Nr.266,1811, d. Bbl.). In München, wo der Justizminister Theleniann in bezug auf die Gerichtsberichterstattung eine vortreffliche Auffassung von den Aufgaben der Presse kundgab, zeigten sich Vertreter der Berliner Presse sehr eifrig in der Empfehlung anderer, bzw. direkt entgegengesetzter Auffassungen wie die der rheinisch- westfälischen Presse, und vertraten dabei eine Freiheit, hinter welcher der von dieser so stark betonte Verantwortlichkeits gedanke in den Hintergrund gedrängt wurde. Auch in der Frage der beruflichen Vorbildung, für die von rheinisch-west fälischer Seite der Grundsatz aufgestellt wurde, daß für den Journalisten die beste Vorbildung und das umfassendste und gründlichste Wissen gerade gut genug, ein abgeschlossenes aka demisches Studium sehr wünschenswert sei, wurde von Ber liner Seite auf die absolute Freiheit der Vorbildung jedes Journalisten der Hauptwert gelegt. Ein Berliner Vertreter formulierte halb scherzhaft die oben angeführten Worte Bis marcks dahin, man müsse erst einen Berus verfehlt haben, um Journalist werden zu können. Seit zwei Jahren gibt der Zeitungsverlag, das Organ des Vereins deutscher Zeitungsverleger, einen Jahresbericht »über die Rechtsprechung und Literatur auf dem Gebiete des Zeitungsrechts« heraus, der von dem Shndikus A. Ebner redigiert wird. In dem Ende März erschienenen Bericht über das Jahr 1911 befinden sich auch 15 Fälle, die den Buch handel betreffen. Als eine Warnung für Redakteure und Zeitungsverleger hat der ehemalige Redakteur W. Wendt des Kreisblattes in Langensalza eine als Manuskript gedruckte Broschüre mit dem Titel »12 OVO Mark Schadenersatz für eine Lokalnotiz« erscheinen lassen, worin er folgenden Fall zur Kenntnis bringt. Die in Berlin erscheinende Fachzeitschrift »Der Hoteldicner« brachte am 1. Juni 1806 einen mit Namen gezeichneten Artikel eines Hausdieners, in dem behauptet wurde, daß in einem Hotel in Ruhla i. Th. unsaubere Zustände herrschten. Diesen Artikel druckten der Generalanzeiger von Mühlhausen, die Mühl häuser Zeitung und das genannte Kreisblatt ab. Auch die von dem Hotelbesitzer in dem »Hoteldiener« veröffentlichte Berichti gung der unwahren Mitteilung druckte das Kreisblatt unaufge fordert ab. Im Jahre 1807 wurde der Verfasser des Artikels zu einer geringen Geldstrafe verurteilt. Kurz vor Beginn der Ver jährung erhob der Hotelbesitzer Otto Schauroth gegen die Zeitungen beim Landgericht Erfurt Klage auf Schadenersatz, die er damit begründete, datz der Verkehr in seinem Hotel seit Juni 1806 erheblich abgenommen habe. Der Minder- nmsatz an Logiseinnahmen, Getränken usw. betrage gegen 10 000 ./k, wovon die Hälfte als Reingewinn zu rechnen sei, so daß ihm ein Schaden von 5000 .F entstanden sei; der Kläger habe sogar seinen Gasthof verkaufen müssen und nur 122 000 ./( dafür bekommen, während er 1906 noch 140 000 ./( wert gewesen sei; Schaden also 5000 -z- 18 000 ^ 23 000 .K. Tatsächlich hat das Gericht die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 8000 ./k nebst Zinsen an die Ehefrau des Klägers und von 4000 -E nebst Zinsen an den Börsenblatt für den Deutschen Buchständer. 79. Jahrgang. Kläger am 29. September 1810 verurteilt, und zwar auf Grund des 8 824 des Bürgerlichen Gesetzbuchs: »Wer der Wahrheit zuwider eine Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines andern zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen her beizuführen, hat dem anderen den daraus entstandenen Schaden auch dann zu ersetzen, wenn er die Unwahrheit zwar nicht kennt, aber kennen mutz.« Das Gericht hat sich demnach aus den Standpunkt ge stellt, daß die Redakteure die Unwahrheit der Notiz kennen mutzten. Es hat denn auch den Satz aufgestellt, datz die Re dakteure vorher über die Wahrheit hätten Erkundigungen einziehen müssen, anderfalls sie »die im Verkehr erforderliche Sorgfalt« verletzen und fahrlässig handeln. »Es mag im allgemeinen nicht nötig und nicht durchführbar sein, datz der Verleger einer Tageszeitung alle Artikel, die in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift veröffentlicht werden sollen, selbst prüft. Bezüglich der Mitteilung von Tatsachen, die den Kredit anderer zu gefährden und den Erwerb oder das Fort kommen anderer zu schädigen geeignet sind, mutz aber von den Verlegern beansprucht werden, daß sie das ihrige tun, um die Verbreitung unwahrer Tatsachen zu verhüten. . . Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätten die beklagten Verleger Anordnung dahin treffen müssen, daß die von ihnen angestellten Redakteure solche Mitteilungen nicht ohne ihr, der Verleger, Wissen veröffentlichten, so datz sie in der Lage waren, auch ihrerseits durch rechtzeitige Erkundi gungen die Unwahrheit jener Mitteilungen festzustellen.« Gegen diese Grundsätze wandten sich die Beklagten in der Berufungsschrift an das Oberlandesgericht Naumburg, worin sie u. a. aussührten, datz die verlangte vorsichtige Vor prüfung der Wahrheit durch die Redaktion und Verlag über triebene Anforderungen seien. Dann könnte über Vorgänge, die irgend jemand in nachteiligem Lichte erscheinen lassen, erst nach einer Frist von Jahren berichtet werden, und selbst dann würde vielfach die Wahrheit oder Unwahrheit noch nicht hinreichend sicher feststehen. »Die Zeitungen haben es doch nicht in der Hand, überall vorher gerichtliche Ermittelungen zu veranlassen und Zeugen eidlich zu vernehmen, ohne das aber können sie auch wieder nur Personen als Quellen an geben.« Sonderbar ist, datz der Hotelbesitzer an den »Hoteldiener«, aus dem die andern Zeitungen die Notiz nur abgedruckt hat ten, keine Berichtigung sandte. In diesem Blatte, das die Hotelbediensteten lesen, mutzte aber die Notiz einen viel größeren Schaden anrichten, als in den politischen Zeitungen, die sofort eine Berichtigung brachten. Ein ausführliches Rechtsgutachten von Professor vr. Friedr. Ötker in Würz burg sucht alle Urteilsbegründungen zu widerlegen, und den Schluß der Veröffentlichung bildet eine Sammlung von sach verständigen Gutachten von Zeitungsfachleuten und Redak- teuren. Wenn in dem Ltkerschen Gutachten und in den übri gen die Unmöglichkeit der Erkundungen mit der Schnelligkeit begründet wird, mit der im Zeitungsbetrieb gearbeitet werden muß, so dürfte dieses Argument im vorliegenden Falle doch nicht angeführt werden. Jeder gewissenhafte Redakteur muß den Unterschied erkennen, der zwischen der Mitteilung einer Draht meldung, die irgend ein mehr oder minder gleichgültiges Er eignis im Orient meldet, und der Veröffentlichung einer Schilderung liegt, die vitale Interessen eines Einzelnen be trifft. Wenn Herr vr. jnr. Kurt Schmidt der Rheinisch- Westfälischen Zeitung sagt, man könne überhaupt keine Zei tung herausgeben, »wenn der Redakteur nach jeder ein laufenden Depesche erst über die Richtigkeit des darin mit geteilten Tatbestandes Erhebungen anstellen sollte«, so deutet ein solches Gutachten mehr auf Temperament als auf juristi sche oder journalistische Praxis. Unzählige Mitteilungen >047