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155, 6. Juli 1912. Nichtamtlicher Teil. VSrsenLlaU f. d. Dlschn. vuch^andel. 8149 abdrucke davon, die sie natürlich bezahlen mutz. Dem Ver fasser ein Verbtetungsrecht gegen die Verbreitung zu geben, steht mit dem Interesse der Allgemeinheit und seiner Absicht, das als gut erprobte Mittel einzuführen, in schroffstem Wider spruch. Die chemische Fabrik erlangt die Sonderabdrucke vielmehr, wie es wirtschaftlich ganz in der Ordnung ist, gegen Bezahlung. Es handelt sich um Erwerbsrechte; will der Medi ziner keinen Anteil an diesem wirtschaftlichen Erfolge haben, weil das etwa mit seiner Standesehre nicht vereinbar ist, so ist das ein Grund, der mit dem urheberrechtlichen gar nichts zu tun hat. Urheberrechtlich — rein wirtschaftlich gesprochen - wäre bei der größeren Verbreitung der Arbeit ein Anteil am Gewinn (den sonst die chemische Fabrik allein einsteckt) für den Verfasser und den Verleger ganz in der Ordnung; denn nur weil dieser vr. Soundso gerade in dem betreffenden Blatte geschrieben hat, ist der Aufsatz von Wert für die Fabrik. Weiter: Im Vcrlagsgeschäst ist cs eine ständige Praxis, datz die Vergütung für den Verfasser mit der Höhe der Auflage steigt. Das Honorar benutzt sich z. B. oft pro Bogen und Tausend Auflage, das heißt: für ein Buch von zehn Bogen zahlt bei spielsweise der Verleger SO .F pro Bogen - 500 .ck, wenn lOOO Exemplare hergcstelll werden, 100 .F Pro Bogen - 1000 ^sk, wenn 2000 Exemplare hergcstellt werden, ISO .kk Pro Bogen — lSOO ,4k, wenn 3000 Exemplare hergestcllt werden, nsw. Bei schöngeistigen Werken ist Wohl meist die Abmachung so getroffen, datz der Verfasser von jedem verkauften Exemplar einen bestimmten Betrag erhält. Bei Bühnenaufführungen ver hält es sich hinsichtlich der Tantiemen ganz ähnlich. Es hat sich also ein Grundsatz herausgebildet, nach welchem der Verfasser Anteil an dem Nutzen des höheren Umsatzes seines Geistes werkes erhält und erhalten soll. Zu je mehr Menschen das Werk dringt, je mehr Verbraucher und Gebraucher Nutzen da von haben <auch nur geistigen, den man ja auch bezahlen muh und bezahlen will), um so grötzer soll auch der materielle Ge winn des Verfassers sein. Das ist in einer Zeit, die geistige Arbeit überhaupt bezahlt, in der selbst der Professor bei höherer Frequenz seines Kollegs mehrEinnahmen erzielt, nichts Unerhörtes, vielmehr nur eine folgerichtige Entwicklung des Prinzips, zu dessen Beurteilung von höherer Warte weiter unten allerdings noch mancherlei zu sagen sein wird. Diese matericllrechtliche Grundlegung der Verfasserrechtc hat sich auch immer mehr ausgebreitet. Sehr charakteristisch sind dafür die Kß 22 ff. der Urh.-Rechts-Novelle vom 22. Mai 1910. Die Zwangslizenz, die dort statuiert ist, bringt den Grundsatz in ganz grelles Licht. Wenn für die Wiedergabe von musikalischen Werken auf mechanischem Wege einem Fabri kanten ein Recht erteilt ist, so hat jeder Dritte das Recht, gegen Vergütung die gleiche Lizenz vom Komponisten zu verlangen. Auch derjenige, der zuvor ein Aufführungsrecht an diesem nur mechanisch vervielfältigten Werke hatte, erhält nach K 22u Anspruch auf einen Teil der Vergütung. Dieses ganze Prinzip darf natürlich nicht ins Unge messene erweitert und gesteigert werden. So kann es getrost z. B. bei der Bestimmung sein Bewenden haben, datz der Librettist Anteil an der Aufführung des komponierten Librettos haben soll, während der Dichter eines ohne die Absicht der Vertonung gedichteten selbständigen Gedichtes nicht später an dem Erlös aus dem Liede partizipiert. Denn wenn Hugo Wolf ein Lied von Liliencron komponierte, so pflegt es ge sungen zu werden, weil Hugo Wolf es komponierte, nicht weil Liliencron es dichtete, und wenn auch der schöne Text erstens den Komponisten zur Tongebung lockte und zweitens die Wir kung der Musik erhöht, so darf man diesen ideellen Anteil des Dichters doch nicht in die materielle Rechnung Umsetzer», weil man dann dazu gelangen müßte, datz jede Mitwirkung eines Borgängers bei der Schöpfung eines andern mit zu hono rieren, zu entschädigen wäre. Das würde das Prinzip über- Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 79. Jahrgang. spannen und praktisch außerdem undurchführbar sein. Dann wäre das, auf dessen Schultern jede folgende Errungenschaft steht und stehen mutz, unerträglich eingezäunt und dem Ver kehr entzogen, dann wäre jeder Gedanke ewig Vorbehalts gut, müßte jede Zeichnung zur Erläuterung einer wissenschaft lichen Tatsache u. dgl. für sich Urheberrecht genietzen und bei Benutzung entschädigt werden. Da aber stände die Ver- kehrsbcschränkung in gar keinem rechten Verhältnis zu dem vielleicht ideal »gerechten« Erfolg. Es handelt sich also gar nicht mehr um urheberrechtliche Verbietungsrechte, sondern um oncröse Erwerbsrechte, die erstrebt und zum Teil schon klar und deutlich gewährt werden, ohne datz im Gesetz diese Verschiebung der urheberrechtlichen Grundlagen gemerkt und entsprechend durchgeführt würde. Dem Urheber wäre es ganz recht, wenn zehn Verleger sein Werk gegen Entgelt verbreiten, und der nachgedruckte Autor haut auf den Esel (Diebstahl des Nachdruckers) mit dem Straf recht, meint aber nur den Geldfack des Nachdrnckers, aus dem er mit dem Zivilrecht etwas herauszuschlagen wünscht. Daß dem Verleger überhaupt Urheberrechte gegeben seien, ist dem gemäß ein wirtschaftlicher Irrtum, der schon zu mancherlei Verkehrtheiten Anlatz gegeben hat; es sind Lizenzen mit Verbietungsrechte n. Anders natürlich in den Fällen (die gar nicht so selten sind), wo der Verleger wirklich Urheber ist, wo er beispielsweise Sammelwerke selbst inauguriert, Zeit schriften ins Leben gerufen, an der Formgebung von Ideen lebhaften Anteil hat. Aber diese Rechte können auch dann erst ihre volle juristische Würdigung finden, wenn man sie von jenen lizenzartigen trennt, wenn man wirklich Urheberrechte nur dem Urheber gibt, beschränkte Lizenzen aber dem Be arbeiter, dem Verbreiter, auch weiter dem Photographen und Verwerter. Diesen allen sogenannte Urheberrechte zu geben, ist, wie Avenarius im »Kunstwart« mit Recht und überzeugend nachgewiesen hat, nicht allein ein Mißbrauch des Wortes, sondern auch ein Unrecht an den wirklich schöpferischen Ur hebern. Es ergibt sich also zweierlei aus der Anerkennung eines »Gesetzes des steigenden Umsatznutzens«: der Urheber soll einen wachsenden Anteil bei größerer Verbreitung seiner Arbeit haben. Dies ist meines Erachtens zurzeit schon Rechtens. Da es aber noch nicht geklärt ist, haben an diesem Vorteil auch die Verwerter und Verbreiter Anteil, und zwar oft zu großen Anteil. Diesen Anteil auf dem Wege besserer Erkennung des Lizenzcharakters u. dgl. gerechterweise zu beschränken, müßte die Aufgabe der Zukunft sein, die eben erst gelöst werden kann, wenn man sich über das Walten dieses »Gesetzes« klar ge worden ist und nicht mit Persönlichkeits- und Verbietungs- rechten zusammenwirst, was materielle Erwcrbsrechte sein müssen. Aber damit kommen wir schließlich auf eine andere Frage. Ist denn die ganze Art der Entlohnung geistiger Arbeit die richtige? Schließt die Anerkennung dieses Grundsatzes des steigenden Umsatznutzens, wenn er einmal erkannt ist, nicht eine Gefahr in sich? Öffnet er nicht die Augen darüber, datz die kapitalistische Produktionsweise, auf der sich dieser Grund satz aufbaut, gerade in ihrer Anwendung auf geistig-kulturelle Leistungen verfehlt ist? Verfehlt aus dem einsachen Grunde, weil damit dieMcnge mit ihren oft niederen Instinkten den Ausschlag gibt über die Entlohnung geistiger Arbeit, also oft mals eine hochwertige, seltene und nur von wenigen erkannte Leistung ungewolntt läßt, weil sie noch niemand versteht und schätzt?' Ich muß da auf die Ausführungen von Ferdinand Ave narius im »Kunstwart« verweisen, die in einer Flugschrift des Dürerbundes »Urheberschutz und Urheberschatz« (München, 30 H) zusammcngestcllt sind. Diese Ausführungen verdienen mehr Beachtung, als ihnen bisher in Juristen- und Laien- ivor