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212, 12 September 1904. Nichtamtlicher Teil. 7573 Nichtamtlicher Teil. Der Beitritt der Niederlande zur Berner Literar-Konvention. Aus Amsterdam wird berichtet, daß einflußreiche Kreise der niederländischen Schriftsteller beabsichtigten, eine starke und sofortige Agitation zu dem Zwecke einzuleiten, die Unterzeichnung der Berner Literarkonoention seitens der niederländischen Regierung herbeizuführen. Solche Nach richten sind in den letzten Jahren schon öfter verbreitet worden; es hat sich aber hinterher immer herausgestellt, daß man es im besten Falle mit einer guten Absicht und einem guten Willen zu tun hatte, daß aber die Kraft zur Ausführung fehlte. Ob es jetzt sich anders verhalten wird, muß abgewartet werden. Wenn auch ohne Zweifel die Zahl derjenigen holländischen Schriftsteller und Verleger in den letzten Jahren eine erheblichere geworden ist, die aufrichtiges Bedauern darüber empfinden, daß in dem für die Ent wicklung der kulturellen Güter so bedeutungsvoll gewesenen kleinen Staate die Schutzlosigkeit des literarischen Eigen tums der Ausländer noch immer nicht beseitigt ist, so läßt sich doch nicht verkennen, daß es auch Männer von Einfluß und Bildung gibt, die sich unter dem geltenden Rechts- oder vielmehr llnrechtszustand sehr wohl fühlen und nur mit Bedauern dessen Ersetzung durch einen den Forderungen des modernen Rechtsbewußtseins entsprechenden verzeichnen würden. Zweifellos könnte die in Holland vorhandene Strömung zugunsten des Anschlusses an die Berner Konvention eine nicht zu unterschätzende Förderung dadurch erfahren, daß Deutschland gelegentlich des Abschlusses eines Handels- und Zollvertrags mit den Niederlanden in energischer Weise für die Rechte der deutschen Schriftsteller und Verleger eintreten würde und sich entschlossen zeigte, zum mindesten den Ab schluß einer Konvention des Inhalts zu erreichen, wie sie zwischen den Niederlanden und Frankreich besteht. Man würde in den Niederlanden dem Abschluß von Spezialkonventionen über den gegenseitigen Schutz der literarischen und artistischen Urheberrechte den Anschluß an die Berner Konvention vorziehen. Gewisse Tatsachen, deren Bedeutung und Beweiskraft nicht bestritten werden können, sprechen mit Entschiedenheit hierfür. Wenn aber von der deutschen Regierung verlangt wird, daß sie ihren Einfluß ausbiete, um endlich die Beseitigung eines Zustandes zu erreichen, der in der Tat des Landes nicht würdig ist, das von jeher die Stätte geistiger Freiheit war und verfolgten Kämpfern für Freiheit und Recht Gast freundschaft gewährt hat, die ihnen von in der kulturellen Entwicklung zurückgebliebenen Ländern verweigert wurde, so ist dies vollkommen berechtigt, denn es sind die deutschen Schriftsteller und Verleger, deren Rechte in den Nieder landen ignoriert und die dort ausgebeutet werden. Die französischen Staatsangehörigen haben es auch den Nieder landen gegenüber viel besser als die deutschen. Sieht man von den Vereinigten Staaten von Amerika ab, so ist Holland der einzige Kulturstaat, in dem die deutschen Urheberrechte keinen Schutz genießen. Holland gehört aber nicht zu den Staaten, deren Urheberrecht hinter den An sprüchen der Entwicklung im allgemeinen zurückgeblieben wäre. Seine bezügliche Gesetzgebung kann im allgemeinen nicht als veraltet bezeichnet werden; vielmehr stammt das geltende Urheberrecht erst aus dem Jahre 1881, und wenn es auch in manchen Fragen, z. B. in der Über setzungsfrage, einen rückständigen Standpunkt noch einzu nehmen für richtig gehalten hat, so muß von ihm ander seits rühmend hervorgehoben und anerkannt werden, daß es die Dauer des Urheberrechtsschutzes grundsätzlich auf fünfzig Jahre erstreckt, also insoweit noch über das deutsche Recht hinausgeht. Die Niederlande haben sich in Ansehung des Abschlusses von Literarverträgen bisher außerordentlich zurückhaltend verhalten. Sie haben solche nur mit Frankreich, Belgien und Spanien abgeschlossen; die mit Deutschland in den achtziger Jahren zum gleichen Zweck geführten Unterhandlungen haben bekanntlich nicht zum Ziel geführt. Dis genannten Verträge sind nun keineswegs als Muster von internatio nalen Literarverträgen anzusehen. Sie unterscheiden sich in haltlich in wesentlichem Maße von den Verträgen, die bei spielsweise Deutschland mit Frankreich und mit Italien abgeschlossen hat; aber trotzdem sind sie für die Ange hörigen der daran beteiligten Staaten von nicht zu unter schätzender Bedeutung, und die Schriftsteller und Verleger dieser Länder, vor allem die französischen und belgischen — Spanien kommt ja fast garnicht in Betracht, da die spanische Literatur in den europäischen Staaten keine irgendwie als nennenswert zu bezeichnende Rolle spielt —, wissen die Vorteile, die der vertragliche Zustand gegenüber dem ver traglosen für sie bedeutet, sehr wohl zu schätzen. Daß aber der Abschluß eines Zoll- und Handels vertrags die beste Gelegenheit bietet, von der nieder ländischen Regierung Konzessionen auf urheberrechtlichem Ge biet zu erlangen, zeigt die Geschichte des französisch-nieder ländischen Vertrags. Dieser stand von Anfang an in un mittelbarem, nicht nur sachlichem, sondern auch staatsrecht lichem Zusammenhang mit dem Handelsvertrag; seine Wirk samkeit war daher auch zu Beginn der achtziger Jahre unter brochen, als die Handels- und Zollbeziehungen zwischen den beiden Staaten der vertraglichen Regelung entbehrten. Man sollte annehmen, daß heute, nachdem fast alle europäischen Kulturstaalen der Berner Konvention beigetreten sind, es der deutschen Diplomatie nicht schwer fallen könnte, von der niederländischen Regierung beim Abschluß des Zoll- und Handelsvertrags das Zugeständnis zu erreichen, daß sie sich nicht länger der Mitgliedschaft an diesem auf wahrhaft kultureller Grundlage beruhenden Staatenverein sernhalten will, und es ist um so wahrscheinlicher, daß die hierauf gerichteten Bemühungen der deutschen Regierung nicht erfolglos bleiben werden, als einerseits die besten Kreise der literarischen Welt in den Niederlanden diesen Anschluß ihrer Regierung begrüßen würden, anderseits aber alle Signatarstaaten der Berner Union die hierauf gerichtete Tätigkeit der Reichsregierung innerhalb der Möglichkeit zweifellos zu fördern geneigt sein werden. Es sollte daher die gebotene Gelegenheit nicht unbenutzt gelassen werden. Die Lage ist zurzeit günstiger als je. Justus. Cagliostro — Marie Antoinette — Rohan — Der Halsbandproretz. Ein bibliographischer Versuch von Tony Kellen. (Schluß aus Nr. 210 u. 211 d. Bl.) III. (1734—1803). Pari8 1883, tl. iu-kol. Lr. 100 kr. 997