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38 Amtlicher Teil. Beilage zu 275, 27. November 1899. Herr Mühlbrecht: Ich verstehe die Form nicht recht: wie kann er etwas im Jnlande erscheinen lassen, ohne daß das Urheberrecht übertragen wird? Herr vr. Strecker: Es geschieht im Musikalicnhandel leider recht häufig, daß ein Skandinavier oder Russe ein Werk in Leipzig drucken und die Firma eines Kommissionärs darauf setzen läßt; in dem Moment ist es geschützt, ohne deutsches Verlags eigentum zu sein. Geheimrat Daude: Was bezüglich der Mnsikalien gesagt wurde, ist vollständig richtig. Vielfach erscheinen Werke der Tonkunst im Auslande und werden durch bloßes Hcreinziehen einer inländischen Scheinfirma im Jnlande geschützt. Dagegen ver langen die Herren, daß der Autor sein Urheberrecht auch einem Inländer übertragen muß. Wenn der Autor seine Rechte nun aber selber ausüben will? Den Fall können wir auch konstruieren. Er wohnt hier und nimmt sein Werk in eigenen Verlag, so daß in der That kein bloßer Scheinverlag vorliegt. Herr Mühlbrecht: Was die Berner Konvention anlangt, so sind wir natürlich wechselseitig geschützt. Herr vr. Ruprecht: Nein. Die keinem Vcrtragslande angehörigen Urheber, die ihre Werke zuerst in einem Vertrags- lande veröffentlichen, genießen dadurch für diese Werke den Rechtsschutz der Inländer. Wenn man mit Amerika etwas machen will, hängt man jedesmal an dieser Bestimmung. Ich habe festgestellt, daß durchschnittlich nicht ein Werk im Jahre erscheint, das in Amerika geschützt ist. Geheimrat Daude: Es ist mir recht angenehm, aus der Anregung der deutschen Musikalienhändler zu ersehen, daß sie das bloße Scheinerscheinen im Jnlande verhüten wollen. Das ist sehr vernünftig; ob man sich aber dem Wortlaut anschließen kann, weiß ich nicht; so recht sympathisch ist er mir nicht, wenngleich die Motive dieser Ergänzung mir durchaus zutreffend zu sein scheinen. Herr vr. Strecker: Sie sind aus der Praxis hervorgegangen. Herr Mühlbrecht: Das Einfachste wäre: den Schutz genießen nur die Reichsangehörigen. Vorsitzender: Was ist es denn für eine Schädigung für uns, wenn ein Nicht-Reichsangehöriger einen Schutz genießt? Herr Mühlbrecht: Es soll eine Repressalie sein. Vorsitzender: Gewiß, aber was hilft das? Herr Mühlbrecht: Sagen Sie das nicht. Wenn ein Mann von dem Ansehen Ibsens in seiner Heimat sagt: ich werde fortwährend in Deutschland nachgedruckt, der Zustand muß aufhörcn, wir wollen einen Verein bilden und auf unsere Regierung und Kammern einen Druck ausüben, so kann das doch eine Wirkung haben. In Holland hat sich z. B- jetzt ein solcher Verein, der -verner Lonventis-Vouck«, gebildet, der schon viele Mitglieder zählt; diese sagen: unsere Litteratur hat heute die Bedeutung, daß ein Anschluß an die Berner Konvention für nützlich erachtet werden muß; sie wenden sich an die Presse und machen Eingaben bei der Königin und beim Ministerium. Natürlich rühren sich auch die widerstrebenden Elemente und diesem »vsrnsr llonveutie-vouä» ist ein »^.nti-Lsrnsr-donventis-vonä« gegenüber getreten, wenn die einen einen Schritt für die Sache vorwärts thun, so thun die anderen regelmäßig einen dagegen zurück. Aehnliches kann sich auch in Norwegen abspielen, und die geschädigten Elemente dort können vielleicht einen solchen Druck ausüben, daß vielleicht Norwegen infolgedessen der Berner Konvention beitritt. Herr vr. Ruprecht: Man könnte sagen: der Autor genießt alle Rechte innerhalb der Grenzen der Berner Konvention. Vorsitzender: Ich würde die Berner Konvention hier nicht hereinbringen. Herr Voigtländer: Welche Bedenken würden dem nach Ihrer Meinung entgegenstehen? Geheimrat Daude: Wenn die Herren zum großen Teile der Meinung sind, so könnten Sie ja vielleicht anregen, ob es nicht angemessen wäre, den Schutz der Nicht-Reichsangehörigen auf diejenigen Länder zu beschränken, die der Berner Konvention angehören. Herr vr. Ruprecht: Das würde nicht helfen, weil auch die den Nicht-Vertragsländern angehörenden Autoren schon durch die Berner Konvention geschützt sind. Herr Mühlbrecht: Ich glaube nicht, daß wir in unserem Gesetz die Berner Konvention erwähnen sollen. Es ist ja nicht ausgeschlossen, daß sie dermaleinst wieder auseinandergeht. Herr vr. Ruprecht: Dann hört der Schutz eben auf. Wird die Konvention gekündigt, so haben wir auch kein Interesse daran, die Ausländer in diesem Gesetze zu schützen. Geheimrat Daude: Das wäre eine spätere Sorge. — Ich glaube, wir streiten uns ein wenig um des Kaisers Bart. Wir kennen die Absichten der Regierung nicht, im Reichstage und namentlich in der Kommission desselben wird das sicher zur Sprache kommen. Der Vorsitzende stellt die Zusammenfassung der Verhandlungen zu Z 56 fest: Zu Z 56. Es ist das Bedenken ausgesprochen worden, daß durch die fast vollkommene Gleichstellung Nicht- Reichsangehöriger mit den Reichsangehörigen eine der Handhaben dahin gegeben würde, um die Verträge mit Amerika und den unerquicklichen Zustand gegenüber den Ländern zu regeln, die noch nicht der Berner Uebereinkunft beigetrcten sind oder nicht mit dem Deutschen Reiche Schutzverträge abgeschlossen haben. Herr Voigtländer: Es käme vielleicht noch eins in Betracht. In der Begründung heißt es: Im übrigen hängt der Schutz des Ausländers davon ab, daß er sein Werk im Jnlande erscheinen läßt. Diese Bedingung fallen zu lassen und die Aus länder schlechthin den Reichsangehörigen gleichzustellen, ist mit Rücksicht auf die Staaten, die fremden Werken den Schutz versagen, nicht angängig. Nun könnte man vielleicht doch noch sagen: der Schutz des Ausländers hängt davon ab, daß er sein Werk im Jnlande erscheinen und Herstellen läßt. Vorsitzender: Dann sanktionieren wir den amerikanischen Standpunkt. Herr Mühl brecht: Amerika gegenüber wäre das vollkommen richtig, es wäre nur mit gleichem Maße gemessen. Herr vr. Strecker: Es würde auch nicht alles treffen. Thatsächlich werden die Musikalien für Amerika vielfach in Deutschland hergestellt. Herr Mühl brecht: Die Musikalien werden Amerika gegenüber durch die Eintragung geschützt, ebenso Kunstblätter. — Ich bin ganz zufrieden damit, daß wir hier unser Bedenken aussprechen. Herr von Hölder: Wenn wir nichts besseres zu sagen wissen als die Musikalienhändler, warum sollten wir ihnen nicht zustimmen? Geheimrat Daude: Ich halte die Anregung der Musikalienhändler für richtig, aber die Fassung ihres Vorschlages scheint mir nicht praktisch, weil sie nicht alle Fälle trifft.