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^ 48. 22. Februar 1909. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 2285 Holz- oder Metallformen auftritt, Eisen in Kartonnageart, über- .6Upt alle Sachen, die nicht das sind, was sie Vortäuschen. Unter den Sünden wider die Gesetze der Konstruktion finden wir zunächst alles, was den Zweck nicht erfüllen kann in der Form, in der es uns entgegentritt (Gefäße, die nicht stabil sind oder sich nicht reinigen lassen, übertrieben starke Ecken, Kanten und Vorsprünge bei Sitzmöbeln), Sinnwidrigkeiten zwischen Form und Gebrauchszweck (z. B. Thermometer in der Form einer Reitpeitsche, Tintenzeug in der Form eines Revolvers), ferner Konstruktionspimpeleien und Konstruktionsattrappen (etwa Sitz möbel aus Geweihen), und endlich das weite Gebiet, das sich unter dem Begriff »Kitsch« zusammenfassen läßt. Hier finden wir den ganzen unkünstlerischen Massenschund namentlich in seinen verbreitetsten Unterabteilungen: Hurrakitsch, Devotionalien kitsch (Spekulationen auf die patriotischen und religiösen Ge fühle), Fremdenandenkenkitsch, Geschenkkitsch (besonders Hochzeits geschenke), Vereinskitsch, Aktualitätskitsch (als Beispiel für letzteren ist eine Sammlung verschiedener Geschmacklosigkeiten zusammengestellt worden, die die große Zeppelin-Begeisterung 1908 im Gefolge hatte). Endlich kommen die Dekorfehler. Die Aus stellung führt hier als verwerflich vor allem die Überladenheit mit Schmuck und ihr Gegenteil, den übertriebenen Puritanismus, vor Augen. Zu letzterem bemerkt der von Professor Pazaurek für die neue Museumsabteilung verfaßte Führer: »Hat die Generation vor uns des .Guten' entschieden zu viel getan, so gefällt sich gerade unsere gegenwärtige Zeit in einem Kokettieren mit den schlichtesten, nackten Konstruktionsformen; manche Kreise empfinden daher sogar die völlige Verzichtleistung auf jeglichen Schmuck noch nicht als Fehler«. In der Abteilung der Dekorsünden finden wir auch allen äußerlich angehefteten oder landfremden Schmuck, das Schwelgen in historischen und ethnographischen Stilmotiven. Als Schulbeispiel wird hier eine Serie von Tintenzeugen vor geführt, vom ägyptischen und assyrischen Stil angefangen bis zu den Formen des 19. Jahrhunderts, sowie im »Geschmack« verschiedener asiatischer Völker. Besonderes Interesse in dieser Abteilung beansprucht ein großer Schrank mit den »Kinder krankheiten der Sezession«. Gerade hier mag es manchem ein seltsames Gefühl bereiten, wenn er kostspielige Stücke, die vor einem oder zwei Jahrzehnten als »cksrnior eri« bewundert wurden und wohl gar als vorbildlich galten, in die Klasse der »Gegenbeispiele« herabgesetzt sieht. Ein recht beträchtlicher Teil dieser »Gegenbeispiele« ist den Vorbilderbesländen des Stuttgarter Landesgewerbemuseums entnommen. Das ganze System, auf dem diese Abteilung der Geschmacks verirrungen im Kunstgewerbe aufgebaut ist, ist sehr geistvoll, und die gesamte Nomenklatur, die gleichfalls erst neu geschaffen werden mußte, sehr treffend und charakteristisch. Es ist nicht zu bezweifeln, daß diese neue Einrichtung des Stuttgarter Landes gewerbemuseums erzieherisch wirken und für unser Kunstgewerbe die besten Früchte zeitigen wird. Auch für andere Kunstgewerbe museen dürfte der Gedanke vorbildlich wirken. (»Norddeutsche Allgemeine Zeitung«.) Vom Reichsgericht. (Nachdruck verboten.) — Postgesetz. Expresser Bote. — Das Landgericht Beuthen (Oberschlesien) hat am 19. Oktober v. I. den Pantoffelmacher Julius Fränkel von der Anklage des Vergehens gegen das Postgesetz frei gesprochen. Er hat eine Zeitung politischen Inhalts, den »General-Anzeiger für Schlesien und Posen«, regelmäßig von Beuthen nach Roßberg als »expresser Bote« befördert. In der Gemeinde Roßberg, die sich unmerklich an Beuthen anschließt, befindet sich nur eine Postagentur, die nur Postsachen annimmt, aber nicht ausgibt. Daher stellt, so meint das Landgericht, die Postagentur nicht eine Postanstalt im Sinne des Gesetzes dar. Was unter Postanstalt zu verstehen ist, sage das Gesetz nicht. Aber nach den herrschenden Verkehrsbegriffen könne als Post- anstalt nur ein solches Institut angesehen werden, das die Post sachen an die Empfänger befördert. — Die Revision des Staats anwalts wurde vom Neichsanwalt vertreten. Er führte aus: Die Postanstalten haben den Betrieb der Post wahrzunehmen. Sie werden in Ämter 1., 2. und 3. Klasse und Agenturen geteilt. Nur die Posthilfsstellen sind nicht als Postanstalten anzusehen. Zum Begriff der Postanstalt gehört mindestens, daß sie Briefe annimmt und verteilt. Letzteres ist auch in Roßberg geschehen, da die Empfänger ihre Sachen von der Post abholen konnten. Die nicht abgeholten Sachen wurden von Briefträgern der be nachbarten Postämter dem Empfänger zugestellt. — Das Reichs gericht hob am 19. d. M das Urteil auf und verwies die Sache an das Landgericht zurück. Lentze. vom dänischen Buchhandel. Protest gegen Handels- und Verlagsbetrieb der Lehrer in Dänemark. — Gegen die begonnene Verlagstätigkeit der dänischen Lehrer, die in Aarhus einen Verlag gegründet haben, der in deutschen Fachblättern An zeigen wegen Alleinverkaufs deutscher Lehrmittel, Jugend schriften usw einrücken ließ (vgl. 1908, Nr. 276 d. Bl.y wendet sich der Dänische Papierhändlerverein (vuusk kapirlmnäierkorenin^, Sitz: Kopenhagen) in einem Rundschreiben an eine Reihe ausländischer Firmen der Schulbedarfsbranche, um auf diese Weise den Be strebungen des »OanmarlcZ Iiärsrtoi-Lnin^s k'orlaA« entgegenzu arbeiten. Ferner hat der Verein den dänischen Handelsminister um seinen Beistand ersucht, damit es durch das Kultusministerium den Lehrern der Volksschule verboten werde, ohne Gewerbe schein mit den Papierhändlern, die dieser irreguläre Handel in erster Linie schädigt, in Wettbewerb zu treten. Ein Ministerial- schreiben vom 17. Mai 1890 besagt, es könne Lehrern nicht ver boten werden, solchen Handel zu treiben, falls sie dabei nicht »das Erreichen eines Verdienstes bezwecken«. Uber dieses negative Ergebnis ist man seitdem nicht hinausgekommen, und ob eine solche Handelstätigkeit zulässig sei, wenn sie als reines Geschäft betrieben wird, der Verdienst aber nicht in die eigene Tasche des Verkäufers geht, sondern zu verschiedenen Vereinszwecken ver wendet wird, ist nicht klar entschieden worden. Wenn die nun erfolgten Vorstellungen beim Handelsmin ster nicht zum gewünschten Ziele führen sollten, so ist der Papierhändlerverein entschlossen, die Sache zur gerichtlichen Entscheidung zu bringen. (Nach »LörLen«, Kopenhagen.) * Postscheckkonten. (Vgl. Nr. 15—42 d. Bl.) — Weiter Firma: Postscheckamt: Konto-Nr.: Gg. Kleiber (Passau) München 671 Fr. Seybold's Buchhandlung (Ansbach) Nürnberg 845 Ein finnisches .Konversationslexikon. (Vgl. Börsenblatt 1908 Nr. 285). — Das im November 1908 begonnene finnische Konversationslexikon »'likkoZLNLkii-ja« hatte am l. Januar schon über 14 000 Subskribenten, und ihre Zahl dürfte jetzt etwa 15 500 betragen. Das Ergebnis ist großartig, wenn man bedenkt, daß das Werk in rund 200 Heften L 75 Penni erscheint und also größten finnischen Verlagsfirmen Kustannus-O.-P, Otavcy Helsing- fors, und Werner Söderström-O.-P., Borga (Porvoo), die Haupt aktionäre sind; Verwaltungsdirektor ist der Leiter der ersteren, Magister Alvar Renqvist. Die Gesellschaft erhielt einen Staats beitrag von 100 000 sinn. Mark, und es darf rühmend hervor gehoben werden, daß sie den Gewinn den Abonnenten in Form von Karten, Plänen und vermehrtem Inhalt zugute kommen läßt. So enthält das letzte (4.) Heft drei Druckbogen statt der versprochenen zwei. Der Buchhandel hat seinen großen Anteil an diesem Erfolge, und der Verlag hat sich dafür erkenntlich ge zeigt, indem er das Werk allen Angestellten des Buchhandels mit 50 Prozent Rabatt liefert. Verhaftung eines Bücherdiebes. (Vgl. Nr. 18, 42 d. Bl.; auch 1908 Nr. 31.) — Zu der Meldung aus Upsala von der Ver haftung eines Bücherdiebes sei hier nach »Lvenska, vrrßchlaäet« er gänzend und teilweise berichtigend folgendes nachgetragen: Kürzlich erhielt die Universitätsbibliothek in Upsala von der Universitäts-Bibliothek in Leipzig Mitteilung, daß Bücherdiebe wertvolle Werke von ihr, u. a. ein deutsches Wappenbuch, ge stohlen hätten und damit wahrscheinlich nach dem Norden gereist seien, um sie zu veräußern; auch die Namen der Verdächtigen wurden mitgeteilt. Es zeigte sich, daß die Upsalabibliothek gerade von einer der genannten Personen Besuch gehabt hatte. 1 Dieser, ein dreißigjähriger Mann namens Breuil, wie er 2V9