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X- SS, 5. März 1924. Redaktioneller Tell. Börsenblatt f. b. Dtschn. Buchhandel. 2826 Was aber geschieht, wenn der deutsche Verlagsbuchhandel sich nicht auf die Seite der Leute stellt, die so großzügig und uneigen nützig arbeiten? Andere Buchhändler, die direkt beziehen, um den kleinen Diskont zu ersparen, die nichts tun, nie etwas getan haben, um das deutsche Buch zu propagieren, ziehen aus diesen mit riesigen Kosten verknüpften Propaganda-Kampagnen den Hauptnutzen. Ist es von dem deutschen Verleger weise gehandelt, ein Abkommen mit der arbeitenden Zentralstelle von der Hand zu weisen, an zwei Dutzend Stellen direkt zu liefern? Ist es klug von dem deutschen Verleger, diesen Leuten gegenüber sein — sag« und schreibe — Briefporto zur Anrechnung zu bringen, sein eigenes Propaganda- material — Zettel, Kataloge usw. — nur gegen Bezahlung an die Zentralstelle zu liefern, statt froh zu sein, daß endlich einmal, zum ersten Mal« dieses Material wirklich verteilt'wird, froh zu sein, daß es diesmal wirklich in die Hände von Interessenten gelegt wird, statt wie früher (wie ich weiß) monatelang in Kellern und auf Böden hcrnmzuliegen, zu verstauben und zu vermodern, um schließlich als unbrauchbare Makulatur verkauft zu werden?!? Es wäre nachgerade an der Zeit, daß man bei uns aufwacht. Wir haben nie rech! erkannt, wer unser Freund im Ausland« war. Soll der alte Schlendrian, das Nichtverstehen, das Verkennen und Nicht-Verstehen-Wollen immer Weiler gehen, bis in alle Ewigkeit? Anmerkung der Redaktion: Angesichts der Bedeutung der Fragen des Auslandsabsatzes für das deutsche Buch haben wir den vorstehenden temperamentvollen, a?er zweifelsohne wohlmeinenden und an der Sache interessierten Ausführungen hier Raum gewährt, um die Aussprache über dieses Thema zu eröffnen. In das Fach blatt gehört sie, nicht in die Tagespresse. Auch von deutscher buch händlerischer Seite ist ja Wohl dazu noch mancherlei zu sagen. Wo die Haltung des deutschen Verlags hier bemängelt ist, läßt sich leicht Nachweisen, daß dabei nicht böser Wille und noch weniger mangelnde Einsicht vorlag. Es war einfach die Notlage, die den deutschen Verlag zwang, jede Kreditgewährung einzuschränken und auf rascheste Hereinholung des vollen, nicht eines lächerlich entwerteten Gegenwertes bedacht zu sein. Wenn der deutsche Verlag dem deut schen Buch in der Welt Verbreitung sichern will, durfte er nicht vorher Selbstmord verüben. Jetzt erst kommen hoffentlich die Zei ten besserer Wirkungsmöglichkeiten. Vermutlich werden nun auch die hier erwähnten Pläne besser ausgebaut und so verwirklicht werden können, wie es zum Besten des deutschen Buches und der deutschen Weltgeltung zu wünschen ist. Die ersten Äußerungen zu dem Thema seien nachstehend bereits angeführt. Das deutsche Buch in der Welt. Eine Antwort a» Hanns Heinz Ewers. Von Georg E! tzschig. Nach den vielen Schriftstellern, die in den letzten Jahren durch laute Zeitungsartikel die Auslandpreis-Politik des deutschen Buch handels bekämpft haben, ist H. H. Ewers der erste, der gegen die deutsche Organisation des Auslandvertriebs einen wohlgezielten Angriff richtet. — Stimmen wir Ewers zu! Erstens weil er recht hat, zweitens um kein großes Geschrei zu machen. — Denn darin wird H. H. Ewers uns recht geben: eine Empfehlung und Er leichterung für die deutsch« Arbeit im Auslande ist es nicht, wenn aller Augenblicke in unseren Zeitungen große Töne über deutsche Kulturpropaganda verkündet werden. In der französischen und englischen Presse hört und sieht man nichts davon, Laß und wie für diese Länder Kulturpropaganda im Ausland« gemacht werden soll; es erscheinen nur zuweilen Berichte, daß man sie gemacht und was man damit schon erreicht hat. — Wollen wir uns doch daran ein Beispiel nehmen, und wo man 1914 vielleicht mit einem oder vielen Zeitungsartikeln der Sache richtiger gedient hätte, statt mit einem Exposs, da ist jetzt wohl das Expose, d. h. ein Plan besser, der aber erfahrungsgemäß di« Stille zum Reisen braucht. Aus der Stille wird kaum ein Stillestehen; die Entwicklung treibt uns jetzt stärker zu Taten als jemals, und vielleicht müssen wir uns im Gegenteil hüten, dieser Entwicklung vorauszueilen. Zwie fach ist diese Entwicklung: 1. der deutsche Buchhandel als Ge schäftszweig ist auf absehbare Zeit hinaus mehr als je auf den Auslandabsatz angewiesen; 2. er muß alz Kulturträger (ganz leise zu sprechen!) jetzt den sich in diesen und jenen Ländern langsam öffnenden Torflügeln vorsichtig nachrücken, aus denen man ihn noch vor kurzer Zeit hinausgeworfen hätte, wenn er sich etwa mit großartigen Organisationstendenzen hätte mausig machen wollen. — Wir konnten zwar mit unseren Jnslationspreisen jene Zeit hindurch die fremden Länder mit deutschen Büchern Vollpumpen und wir bemerkten ja auch, daß sich das preispolitisch und organi satorisch wenig bewährte, sodatz wir aus dieser Periode wohl viel mehr Nachteile als Vorteil« in die neue Epoche übernehmen. — Nun werden allerdings die Mängel akut, die Ewers an der deut schen Geschäftspolitik und Organisation im Auslände nachweist. Sie bestehen nicht nur gegenüber Amerika, sondern sie find über haupt für die deutsche Buchwirtschaft kennzeichnend. — Aber man darf auch nicht mit Besserungsvorschlägen unbedingt an den Stand vor dem Krieg« anknllpfen, denn die für den Außenstehenden kaum überblickbaren Zusammenhänge wirtschaftlicher und kultureller Art haben sich im deutschen Buchwesen seit 1914 bedeutsam gewandelt. Die Macht- und Wirkungsverhältniss« und di« geschäftspolitischen Tendenzen der am Buchexport beteiligten Faktoren sind sowohl zwischen den verschiedenen Geschäftszweigen, als auch zwischen den Unternehmungen untereinander andere als vor dem Kriege, ja, sie sind seither von Jahr zu Jahr und dann von Monat zu Monat in Umgestaltung begriffen. Ich will mich auf Bemerkungen nur über zwei der in Frage kommenden Geschäftszweige beschränken, aus die, die auch Ewers in den Vordergrund stellt: den Auslandsbuchhandel und den Verlag. Am wenigsten dürften sich die Zustände im Auslands buchhandel verändert haben, weil sich auf diesen die im Inland« so umwälzenden Währung?- und Wirtschaftskrisen nur mittelbar erstreckt haben. Um so stärker unterlag er den politischen Auswir kungen des Weltkrieges. Man vergegenwärtige sich aber zunächst den Stand des Aus- lcurdsbuchhandels vor dem Kriege. — Schon der Zahl und Ver teilung nach war er für den deutschen Auslandsvertrieb wenig be deutend. Wie er im einzelnen gearbeitet hat, nun, darüber gibt Ewers selbst aus Nordamerika, wo doch die Verhältnisse vielleicht noch am günstigsten waren, charakteristische Andeutungen. Nur wenige Firmen in den Hauptstädten entsprachen den Aufgaben des deutschen Verlags und den Bedürfnissen des am deutschen Buche interessierten Publikums. Trotzdem weiß man von überraschend großen Umsatzziffern, die manche dieser oft nur kleinen Buchhand lungen, namentlich auch mit deutschen Zeitschriften, erreichten. — Aber Ewers hat recht: die Triebkraft dieser Umsätze lag in Zufälligkeiten, denn besondere Anstrengungen für das deutsche Buch sind wohl nur von ganz wenigen ausländischen Buchhand lungen und dann meist auch nur in bestimmter Richtung gemacht worden. Durch den Krieg ist der deutsche Auslandsbuchhandel wohl überall zurllckgegangen oder zusammengebrochen. Mit not dürftigen Einrichtungen und meist auch unzulänglicher Finanzie rung ist 1919/20 di« Mehrzahl der Betriebe wieder ausgenommen worden. Aber die Nachkriegsverhältniss« waren den erneuerten Firmen wenig günstig. Di« sich aus der deutschen Ausfuhrwirt- schast ergebenden Schwierigkeiten bedürfen hier keiner Schilderung. In den meisten Fällen reichte es beim Auslandsbuchhandel wäh rend dieser so glänzenden Absatzperiode des deutschen Buches kaum zur persönlichen und geschäftlichen Existenzfähigkeit. Wo wirklich Gewinne gemacht wurden, find sie nun in vollen Lagern erstarrt, und da es an der rationellen Absatzmethodik fehlt, werden nun diese Bestände nach und nach — meist mit Schleuderpreisen — abgestotzen. Die kleinen Geschäft« nehmen Papierwaren und andere absatzfähige Dinge auf; di« großen internationalen Buch handlungen stellen ihre deutschen Abteilungen in die hinterste Ecke oder auf den Dachboden. — Und nun frage ich Sie, Herr Ewers: Wie glauben Sie auf diesen personellen und sachlichen Fundus des Auslandsbuchhandcls eine großzügige Organisation des deut schen Buchvertriebes aufbauen zu können? Sie sagen: »Für diese Zustände ist ja gerade der deutsche Verlag durch seine Stumpfheit und Kleinlichkeit verantwortlich!- — Glauben Sie aber wirklich, S6l