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2824 «SriMdI»» I. d Dr>ch», «L«d-»d-c Redaktionell«! Teil. Einer meiner Freunde hatte «inen Plan ausgearbeitet. Er wollte in Verbindung mit der Gesamtheit der deutschen Verleger eine Zentralstelle schassen, die all die Arbeiten leisten sollte und würde, die bis dahin so bitter vernachlässigt wurden. Von New Uork aus sollt« das ganze Land gründlich bearbeitet werden. In hundert Städten, wo es keine deutsche Buchhandlung gab, sollte eine solche geschaffen werden. In tausend andern, wo sich eine eigene deutsche Buchhandlung nicht lohnen würde, sollten bestehen den englischen Sortimentsbuchhandlungen deutsche Abteilungen an gegliedert werden. In andern zehntausend Orten und Srtchen, wo auch dies unpraktisch wäre, sollten regelmäßig Reisende, Agenten beim deutschen Publikum vorsprechen. Und überall, im ganzen Lande, von Alaska bis nach Florida und vom Goldenen Tor San Franziskas bis zu Sandy Hook sollte das lesende Publikum immer und immer wieder durch Pamphlete, Kataloge, Preislisten und Briefe auf das deutsche Buch aufmerksam gemacht werden. — Nie war dies geschehen vordem, Ni« ist auch nur der Versuch, etwas Ähnliches zu machen, unternommen worden. Die deutsch-amerika nischen Zeitungen — Hunderte, die bis dahin auf deutsche Bücher überhaupt nicht zu sprechen kamen und deren Bekanntschaft mit der deutschen Literatur sich darauf beschränkte, daß sie ungeschützte oder geschützte Romane und Novellen widerrechtlich abdruckten — sollten systematisch mit einer Literarischen Rundschau, mit Leitartikeln beliesert werden, um di« Lust zum Lesen, die Freude am Buche wiederzuerwecken, wo sie gestorben war. Die Blätter sollten, wo tunlich, selbst dazu angehalten werden, Bücher zu vertreiben, durch ihre eigenen Agenten vertreiben zu lassen. Die englischen Blätter sollten planmäßig und regelmäßig auf die wichtigsten Neuerschei nungen aufmerksam gemacht werden, Besprechungen sollten ihnen geliefert werden — alles umsonst, ohne Kosten, vollkommen frei von der Zentralstelle aus, die mit der Gesamtheit der deutschen Ver leger arbeiten und als Zentralstelle zur Generalausliefe- rungsstelle für all« deutschen Verleger gemacht würde, um auch die bereits bestehenden Buchhandlungen zu belie- fern. Kein Monopol sollt« geschaffen werden: aber zum ersten Male in der Geschichte des deut schen Auslandbuchhandels di« Vorbedingung zu ersprießlicher und ebenso richtiger wie wichtiger Tätigkeit. Nach meiner Heimkehr nach Deutschland hörte ich, daß auf Grund des ausgearbeiteten Expossz — das im übrigen auch dem Auswärtigen Amte Vorgelegen hat und in der üblichen »freund schaftlich wohlwollenden« Weise gutgeheißen wurde — das Buch« geschäft ins Leben gerufen worden war, und zwar von einem deutsch-amerikanischen Zeitungsunternehmen, Kurz darauf kam die Nachricht, daß di« Besitzer, von den wahnsinnigen Valuta- und Auslandaufschlägen abgestotzen, bemüht waren, das ganze Ge schäft auf die deutschen Verleger abzustotzen, die vom, amerikani schen Geschäft« keinen Schimmer hatten und Jahrzehnte sowieso schon im Winterschlafs gelegen hatten. Schließlich die Nachricht, daß es meinen Freunden gelungen war, ein Konsortium zusammen zubringen, um das Geschäft zu übernehmen und in der ursprünglich geplanten Form auszubauen. Jahr« sind inzwischen vergangen, und anläßlich eines Be suches, den mein Freund unlängst Europa abgestattet hat, hatte ich Gelegenheit, mich über das zu unterrichten, was in der Zwischen zeit wirklich geschehen ist. Die betreffende Buchhandlung lebt und gedeiht; ihre Geschäfte sind von Monat zu Monat gewachsen und wachsen weiter. Aber mit welchen Schwierigkeiten zu kämpfen war und noch immer ist, ist geradezu unerhört. Und wie sich, mit wenigen Ausnahmen, die deutschen Verleger zu den weitgreifenden und gesunden Plänen gestellt haben, die da in den Vereinigten Staaten mit ungeheurer Mühe und riesigen Kosten in die Tat umgesetzt worden sind, ist geradezu schmählich! Allem Anschein nach ist der deutsche Verlagsbuchhandel vollständig unfähig gewesen, zu erkennen und anzuerkennen, daß es sich bei diesen Plänen und Arbeiten um radikal Neues und basisch Gesundes und Richtiges handelt und daß sein eigener Vorteil und das groß« Gesamtinteress« in dieser Richtung liegt. Und doch gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder der deutsche Verleger will, daß die ungeheuren Möglichkeiten für das deutsche Buch in den Vereinigten Staaten erschlossen werden, dann muß er unter Hintansetzung»seiner persönlichen Wünsche und Neigungen mit Herz und Seele Mitarbeiten; oder aber: Er hat kein Interesse daran. Und dann muß ihm wenigstens gesagt werden, daß er mit seiner Interesselosigkeit nicht allein sich selbst, sondern auch dem großen Allgemeininiercsse schadet. Der schon erwähnte, während des Krieges ausgearbeitet« Be richt ist gelesen, studiert und durchdebattiert worden — an höchster (auch buchhändlerischer) Stelle, Aber nichts ist unternommen wor den. Nichts. Wo ist der Bericht im Auswärtigen Amte hinge raten? Irgendwo liegt er vermutlich in einem Fache und ver staubt, katalogisiert, numeriert, registriert. Kann da warten bis zum jüngsten Tage, Zu der vorgeschlagenen Interessengemeinschaft ist es jedenfalls nicht gekommen. Und für den deutschen Verleger ist die New Uorker Gründung anscheinend-nichts mehr als eine neue Milchkuh, Die New Dorker deutschen Schrittmacher sollen so viel wie möglich hergeben und das, so rasch es nur geht, Dollarnoten! Wo sie die hernehmen, interessiert niemand. Wollt ihr Bücher haben, dann bezahlt vorher! Wie ihr sie vertreibt, ob ihr euren Agenten, den andern Buchhandlungen monatelang Kredit geben müßt — was schert das uns? Wo ihr das Geld für den Aufbau, für die Propaganda hernehmt: eure Sache. Wir wollen Dollarnoten! Und uns liegt an einem Ausbau nichts — o ja, doch: Wenn ihr für uns aufbaut: später, später vielleicht! Zunächst mal wollen wir ame rikanische Dollars, möglichst viel«, ' Zentralauslieferungsstell«? Hm, ja! Sehr schön. Aber warum denn? Wenn irgendein kleines Buchhändlerchen direkt von uns kaufen will, wenn er zehn Bände bestellt, dann kriegt er sie eben direkt. Warum soll da diese Zentralauslieferungsstell« einen Zwischenhändlerprofit, auch wenn er nur klein ist, machen? Daß sie Propaganda macht, di« auch den Buchhändlerchen zugute kommt, die vielleicht gar erst durch diese Propaganda dazu angeregt worden sind, deutsch« Bücher zu verkaufen, das ist schön von ihr. Wie sie aber diese Propaganda bezahlt, das ist ihre Sache, An dem Aufbau scheint den Verlegern Deutschlands wenig ge legen zu sein — wohl, weil sie nicht wissen, wie ungeheuer groß die Möglichkeiten in den Vereinigten Staaten gerade auf diesem einen Gebiete sind — wenngleich di« Schätze, die da zu heben sind, nicht von heute auf morgen gehoben werden können. Ich lvarne die deutschen Verleger. Ich weiß, wovon ich rede. Ich kenne Amerika, Was die Zentralstelle wirklich tut, ist den Buchhändlern viel leicht gleichgültig, aber es ist von allergrößter Bedeutung für jeden einzelnen. Mehr als ein Jahr lang hat di« Zentralstelle 14 deutsch-ameri- kanischen Zeitungen aller vierzehn Tage eine halbe Seite Großformat Bllcherbesprechungen geliefert. Dreißig deutsch-amerikanische Zei tungen bekommen und veröffentlichen regelmäßig Einzelbespirechun- gen, die geliefert weiden. Ein Dutzend bringt täglich Anzeigen, Alle Universitäten, Colleges, Schulen, alle öffentlichen Bibliotheken werden regelmäßig mit Listen von Neuerscheinungen versehen und zum Kaufen aufgefordert, Agenten bereisen ununterbrochen das ganze Hand, Tausende von Briefen und Prospekten werden all wöchentlich ausgeschickt, Pastoren und Lehrer werden systematisch bearbeitet. Mit einer Anzahl Journalisten sind Abkommen getrof fen, daß sie über neue Bücher unterrichtet werden und für die eng lische Press« Berichte schreiben. Immer wieder werden neue brach liegende Arbeitsfelder erschlossen; die tausend englischen Sortimen ter werden in teurer mühseliger Arbeit langsam dazu bewogen, auch -deutsche Bücher zu vertreiben. All das sind Arbeiten, die geleistet wurden, geleistet werden und niemals vorher von irgendeinem andern deutschen Buchhändler oder Importeur in den Vereinigten Staaten geleistet worden sind, Di« Zentralstelle hat einen 48 Seilen starken Katalog herausge- bracht, der in Zehntausenden an alle Händler, Agenten, Universitä ten usw, ausgegangen ist — der einzige seiner Art,-der überhaupt existiert. Diese Arbeit hat Zehntausend« von Dollars verschlungen, ver schlingt noch immer monatlich Tausende. Der deutsche Verlagsbuchhandel sieht das alles noch immer nur zum kleinsten Teil ein. Sieht nicht, welche ungeheure Kulturarbeit da geleistet wird.