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^ 161, 15. Juli 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 8265 Neuere gerichtliche Gutachten der Berliner wirtschaftlichen Körperschaften. (Vgl. Nr. IV8 d. Bl.) Allgemeines. In größeren Handelsbetrieben werden handelsüblich die Gehallsbeträge an der Geschäslskasse oder einer dazu be stimmten Stelle von den Angestellten abgehoben, doch wird nach diesem Brauch nicht ausnahmslos verfahren (Handels kammer 7091 10). Ansichtskarten. Für den Artikel »Ansichtskarten» läßt sich ein Markt preis nicht feststellen. Die Preise variieren je nach dem zur Ausführung angewendeten Verfahren. Handelt es sich um einen Abschluß über irreguläre Ware, die der Fabrikant ab zustoßen gewillt war, so ist ein Gewinn kaum zu ver- anschlaaen, da es darauf ankonunt, ob die einzelnen Dessins marktgängig sind, und ob die Ausführung eine solche ist, daß eine Verwertung im Markte mit Nutzen möglich ist. Im allgemeinen werden derartige Partiewaren mit einem Ausschlag von höchstens 25 Prozent im Markte weiteroeräußert. Der Käufer pflegt zufrieden zu sein, wenn er diesen Nutzen an einem solchen Ramschposten erzielt. Diese 25 Prozent stellen aber nicht den Gewinn dar, der beim Verkauf für den Käufer erwächst, da davon ersahrungs- inäßig noch die Verkaussspesen von ca. l 5 Prozent ab zusetzen sind, so daß im allgemeinen der Reingewinn, der an diesem Ausverkaufsposten von Ansichtskarten mit Wahr scheinlichkett erzielt werden würde, auf 10 Prozent des Anschaffungspreises veranschlagt werden kann, wobei voraus gesetzt ist, daß es sich um verkäufliche Dessins handelte, und der Preis, zu dem sie angekauft waren, ein den Umständen angemessener war. Ein prozentuales Verhältnis, in dem die Preise von schwaizen und kolorierten Ansichtskarten zueinander stehen, läßt sich nicht seststellen Der Mehrwert kolorierter Ansichts karten gegenüber schwarzen hängt wesentlich von der Schwierigkeit des Kolorits, insbesondere davon ab, mit wieviel Farben das Kolorit ausgesührt ist, ob es sich um Landschafts- oder Genrekarlen handelt, ob und in welchem Verfahren die Kolorierung hergestellt ist, ob mit der Hand oder mit Schablonen oder durch ein Druckverfahren. (Handels kammer 7053 10.) Buchhändlerische Verkehrsordnung. Aus den Bestimmungen des Z 12, b und e geht hervor, daß ein Sortimenter, der nicht gesonnen ist, unverlangte Sendungen zu akzeptieren, dies dem Verleger innerhalb vier Wochen nach Eingang der Sendung anzeigen muß. Tut er das nicht, so ist der Verleger berechtigt, anzunehmen, daß seine unverlangte Sendung von dem Sortimenter behandelt wird wie eine verlangte Sendung, d. h., daß die betreffenden Bücher bis zur nächsten Ostermesse remittiert, disponiert oder bezahlt werden?) (Handelskammer 4667/10.) *) Das Gutachten stützt sich noch auf die Bestimmungen der Verkehrsordnung vom 8. Mai 1898. Seit dem 20. Mai d. I. hat sowohl für Neuigkeiten wie für Lagerartikel, die dem Sortimenter unverlangt in Kommission zugesandt weiden, ein neues Recht Geltung erlangt. Von jetzt ab fällt nach § 12 litt, o der gegen wärtig geltenden Verkehrsordnung für den Empfänger einer un verlangten Sendung zwar die Verpflichtung, innerhalb vier Wochen sich zu erklären, daß er die Sendung nicht annehme, kraft buchhändlerischen Rechts fort. Aber aus Grund gemeinen Rechts (HGB. § 382» dürste er nunmehr verpflichtet sein, dem Verleger unverzüglich Mitteilung zu machen, sofern er die An nahme der unverlangten Sendung ablehnt. (Zustimmend v. Biedermann, Recht des Buchhändlers, 2. Ausl., S. 14.) Der Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 77. Jahrgang. Drucksachen zum Selbstkostenpreise. Wenn die Klägerin sich verpflichtet hat, dem Beklagten sämtliche Drucksachen zum Selbstkostenpreise zu liefern, so ist sie berechtigt, nicht nur die an den Drucker zu zahlenden Druckkosten, sondern auch die Herstellungskosten für die in der Broschüre enthaltenen Klischees, den Satz und die Korrekturen, wobei diese Kosten auf die ganze Auflage zu verteilen sind, zu verlangen. Dagegen sind die persönlichen Auslagen für das Abzählen, Ordnen und Verpacken, die Kosten für Verpackung, Packpapier, Wollpappe, Kartons, Bindfaden, Transport zur Bahn, nicht zu den Druckkosten zu rechnen, stellen vielmehr Handlungsunkosten dar. Einen Zuschlag für den Zinsoerlust, der dadurch ent steht, daß die Abnehmer der Klägerin die Drucksachen erst nach dreißig Tagen zu bezahlen haben, während die Klägerin sofort nach Lieferung an die Druckerei bezahlen muß, kann die Klägerin nicht anrechnen. (Korporation der Attesten der Kaufmannschaft. G. 138 — Bl. 16 — 6. I. 1910.) Inserate. 1. Wenn ein Verleger einem Jnseratenagenten, mit dem er ein Provisionsabkommen getroffen hat, nicht ein Frei- Exemplar feines Blattes zur Verfügung stellt, so ist er nach der Verkehrssitte verpflichtet, dem Agenten durch Einsicht gewährung in die betreffenden Zeitungsnummern die Mög lichkeit zu geben, entweder die Provisionsrechnung selbst aufzustellen, oder die seitens des Verlegers aufgestellte ProvrsionSrechnung uachzukontrollieren. (Handelskammer, 5544/10.) 2. Nach dem im Verkehr zwischen Inserenten und Zei tungen bestehenden Handelsbräuche gehört die Übersendung von Belegblättern nicht unbedingt zur Erfüllung des der Zeitung erteilten Jnserlionsauflrages. Der Nachweis, daß die Inserate richtig erschienen, wird vielmehr seitens des Widerspruch des Empfängers muß aber zeitig genug erfolgen, um zu der Annahme zu berechtigen, daß er den Inhalt vorher nicht zu seinen Geschäitszwecke» verwendet hat. Denn wenn er dies tut, erkennt er die Sendung als bestellt an. Ob diese neue Rechtslage, die den Keim vieler Differenzen in sich birgt, eine Verbesserung darstellt, möchte ich bezweifeln. In den Entwürfen der neuen Verkehrsordnung — sowohl in dem des Vereinsausschusses als auch in dem des Verlegervereins, dessen früherer Abänderungsvorschlag zur ersten Verkehrsordnung dem Verleger »etwaigen Verlust, sowie alle Kosten der Hin- und Rücksendung, salls ihm binnen Monatsfrist eine Anzeige ge macht wurde«, auserlegte (vgl. Mitteilungen des Deutschen Verleger vereins, ohne Jahr, Nr. 29, S. 4) — waren die einschneidenden, vielfach zu Härten führenden Schlußsätze des 8 12: »voraus gesetzt, daß ihm der Empfänger einer solchen Sendung binnen vier Wochen nach Eiiigang die Nichtannahme anzeigt. Dasselbe gilt für die nicht verlangte Zu sendung von sogenannten Lagerartikeln«, stehen ge blieben. Sie wurden dann bei der Beratung in der Delegierten- Versammlung des Verbandes durch die Anträge Meißner- Ehlermann trotz der Bedenken, die einer der Herren Antrag steller selbst kurz vorher gegen Beschlüsse »aus dem Handgelenk geäußert hatte, einfach gestrichen. (Börsenblatt 1910, S. 7616.) Damit ist nun ein wiederum verändertes Recht über unverlangte Sendungen geschaffen, das dritte seit Emanation der Verkehrs ordnung. Aus diesen wechselnden, eingreifenden Bestimmungen erwächst für die zur Abgabe von Gutachten ersuchte» Handels kammern usw. und für die von den Gerichten zugezogenen Sach verständigen eine schwierige Situation, und es erscheint mir zweifelhaft, ob es unter diesen Umständen noch möglich sein wird, »dem Richter und den nichtbuchhündlerischen Kreisen die Ver kehrsordnung als ein feststehendes buchhändlerisches Ge brauchsrecht« zu bezeichnen, wie es von Herrn Ur. Ehlermann a. a. O. mit Recht als wünschenswert hingestellt worden ist. über die abweichende Rechtslage unter der Herrschaft der Verkehrsordnung vom 26. April 1891 vergleiche die zutreffenden Aussührungen von R. V. in diesen Spalten 1895, S. 2149. IV. 1075