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Redakttoneller Teil. .4/ 249, 25. Oktober 1916. nutzbar zu machen. Wir haben manche Umwege gemacht, die ich andern ersparen möchte. Der Hauptträger aller fünf Fortbildungskurse war der Stuttgarter Buchhändlerverein, dessen Vertreter ich zuerst als; AuSschußmitglicd, dann als Vorsitzender war. Er unterstützte! das Unternehmen mit einem größeren Betrag und wäre ^ nötigenfalls für einen Fehlbetrag ausgekommen. Daß! ohne Mitarbeit der Gehilsenvereine aber das Unterneh-! men nicht gedeihen könnte, war mir von Anfang an klar, und ich war froh, daß der Stuttgarter Buchhandlungsgehil fenverein und die Ortsgruppe der Allgemeinen Vereinigung immer freudig mit am Werke standen. Ohne ihre Mitwirkung hätte es oft an Kursteilnehmern gefehlt; aus ihren Kreisen kam auch ein Teil der Lehrenden sowie eine Menge Anregung. Einige Male glaubte allerdings die Allgem. Bereinigung eigene Fachkurse für sich abhalten zu sollen, um dieses Werbe mittel nicht ganz aus der Hand zu geben, aber immer fand man sich wieder, und das Zusammenwirken an den UnterrichtSabcndeu zwischen Prinzipalen und Gehilfen hat gewiß damals zum gegen seitigen Verständnis und Ausgleich mitgeholfen. Als Teil nehmer waren ältere Lehrlinge, Gehilfen und Prinzipale einge laden, und wenn auch ich der einzige Prinzipal war, der immer, bald als Schüler, bald als Lehrender, zugegen war, so besuchte uns, je nachdem ein interessanter Stoff behandelt wurde, manch mal eine größere Anzahl von Geschäftsherren und Prokuristen und beteiligte sich an der Aussprache. Auch von auswärts kamen einzelne junge Buchhändler, nicht nur aus den Nachbarstädten, sondern vereinzelt mehrere Bahnslunden weit her. Die Besucher zahl schwankte zwischen 20 und 140 und ließ meist gegen den Schluß des Kursus nach. Als Lehrer dienten dem Unternehmen hiesige Prinzipale und ältere Gehilfen aus. dem Buchhandel und seinen Nebenzweigen, dem Buchdruck, der Buchbinderei, der Papierfabrikation und der Buchillustration. Weitere Spezialisten wirkten mit, z B. Biblio thekar Hofrat Petzendorfer, ein früherer Buchhändler (über die Entwicklung der Schrift), Finanzrat Egerer (über das Lesen von Landkarten), Hofbankkassierer Krumenaker (über Geld- und Börsenwesen), Museumsdireltor Willrich (über das »Neue Buch«) usw. An jedem Kursabend folgte nach dem ein- bis eineinhalbstündigen Referat, das sehr oft durch Lichtbilder be lebt war, eine rege Aussprache, an der die älteren Teilnehmer und Gäste sich beteiligten. Mitte Oktober begann der Unterricht, er setzte über Weih nachten aus und schloß im Februar oder März. Die wöchent lichen Unterrichtsstunden dauerten von 8^—10 Uhr abends, doch blieb man manchmal in lebhafter Debatte bis nach 11 Uhr bei sammen. Da nur eine kurze Erfrischungspause eingelegt war, mußte stets ein Lokal gewählt werden, das durch eine mäßige Lokalmiete dafür entschädigt werden konnte, daß nicht viel ge trunken wurde. Als »Einschreibgeld« zahlte jeder Teilnehmer 3.—, in den späteren Kursen sogar nur 2.—, damit niemand die Ausrede benützen konnte, die Kosten hielten ihn ab. Einige Spezialkursc mit z. T. mehrmaligen Unterrichtsstunden in der Woche über Papierprüfung, Buchführung und französische Sprache mit kleinerer, z. T. beschränkter Teilnehmerzahl wur den besonders honoriert. Die Lehrenden wirkten fast alle ehren amtlich, erhielten aber Ehrengeschenke in mäßigem Werte, manch mal in Gestalt eines Küchen- oder Kellergrußes oder eines schö nen Buches u. dgl. Einigemal erhielten die Schüler kleine Ga ben, z. B. Tabellen zur Papierberechnung, zu Korrekturen, zu Zinsberechnung u. dgl., umsonst oder zu den Selbstkosten. Zur Illustrierung wurde eine Reihe von Lichtbildern z. T. ange fertigt, z. T. da und dort entlehnt; den Lichtbildapparat be kamen wir von Herrn Kollegen Benzinger oder von der K. Zen tralstelle für Gewerbe und Handel, teils zu sehr billigem Preis, teils sogar umsonst. Die Unterrichtsfächer waren in den vier Jahren: I. Tätigkeit des Verlegers. Autorenverkehr, Kalkulation, Papier, Drucklegung, Jllustrationsverfahren, Heften und Binden, Auslieferung, Kommissionsverkehr, Lagerhaltung, Buchhaltung, Statistik, Verlags-Skontri, Vertrieb, Verlags- und Urheber recht ; IZ38 U. Tätigkeit des Sortimenters. Lager, Lagerordnung, La- § gerhaltung, Bestellbuch, Expedition, Ladenbedienung, Schau fenster, Kontorardeiten, Verkehr mit dem Perlegcr, Kassenwesen, Buchführung, Inventar, Bilanz, Bankverkehr, Reise- und Kolpor tagebuchhandel, Antiquariat, Barsortiment, Kommissionär, Ver lagsrecht; III. Buchführungskurs (etwa 12 Abende). Das neue deutsche Buch, Bank-, Geld- und Börsenwesen <3 Abende); IV. Bankkontokorrente, Bilanz, Wechsel, Bankgeschäfte, Fu sionen, Konversionen; weiter ein französ. Sprachkurs <mit etwa 30 Abenden); V. Typographisches für Buchhändler <2 Abende). Die Ent wicklung der Schrift <3 Abende), Kartenlesen (3 Abende). Daran schlossen sich alljährlich einige Besichtigungen von mustergültigen Betrieben an, bei denen auch Gäste teilnehmen konnten. Besichtigt wurden die Buchdruckereien von I. F. Stein- kopf und der Wllrttemberger Zeitung (die letztere wegen ihres Rapidbetriebes), die chemigraphischen und lithographischen An stalten von M. Seeger, Aug. Schüler u. E. Schreiber, die Buchbin derei von H. Koch, die Kuvertfabrik E. Lemppenau (die dabei jedem Besucher als Andenken eine Schachtel mit feinem Papier und Briefumschlägen verehrte), das Barsortiment Albert Koch L Co., der Riesenbetrieb der Union Deutsche Verlagsgesellschaft mit ihren mancherlei technischen Unterabteilungen und die Kunst- Papierfabrik Karl Scheufelen in Oberlenningen, welch letztere Besichtigung den 100 Teilnehmern in besonders gutem Andenken steht, schloß ihr sich doch ein Gastmahl, das die Firma gab, an, ' das viel Genuß und Heiterkeit bot. Alle diese Veranstaltungen brachten natürlich eine Fülle von Arbeit mit sich, in die ich mich mit Herrn I. Maier, Vorsteher des Stuttgarter Buchhandlungsgehilfenvereins, teilte. Aber es gab außer der Arbeit mancherlei Ärger, Mißverständnisse und Widerstände zu überwinden; mehrmals sagte der Referent am letzten Tage ab, weil er das Kanonenfieber bekommen hatte oder sich besonnen hatte, »seine in Jahren gesammelten Erfahrungen nicht preisgeben zu können« usw. Andere hatten andere Klagen, z. B. daß zu wenig Zuhörer gekommen wären. Auch persön liche Verdächtigungen blieben nicht aus von seiten solcher, die cs nicht begreifen konnten, daß eine derartige Arbeit nur aus ideellen Gründen übernommen werden könnte. All das und wei tere Schwierigkeiten ließen uns den Fortbildungskurs im Win ter 1913 aussetzen. Dagegen versuchte ich ihn in der Stille für die Zukunft aus eine festere Grundlage zu stellen und suchte sie in der Anlehnung an das staatliche Fortbildungsschulwesen. Da rin bestärkte mich die Beobachtung und Erfahrung, daß ohne Übungsschulen eine vertragsmäßige Darbietung nur dann von nennenswertem Gewinn ist, wenn schon vorher gute Vor kenntnisse des betreffenden Faches vorhanden sind. Bei den an deren geht das Gehörte und Gesehene zu rasch wieder verloren. Zusammenfassen der wirklichen Interessenten in Seminarübungs kursen sowohl der wissenschaftlichen als auch der technischen Ge biete halte ich heute für den Weg, der zu einem guten Ziele führt. Nach verschiedenen vergeblichen Versuchen glaubte ich in der Angliederung unseres Fortbildungskurses an die städtische Handelsschule, zwangsweise in Buchhändlerklassen für die Lehr linge und freiwillig in höheren Handelsfächern für Fortge schrittenere, und in der Verbindung mit der gewerblichen Fort bildungsschule diesen Weg gesunden zu haben. In den staatlichen oder städtischen Handels- und Gewerbeschulen werden besondere Berussklassen meist dann errichtet, wenn ständig etwa 20 Schüler zu erwarten sind oder für diese Anzahl das Schulgeld bezahlt wird. In den Gewerbeschulen können unsere älteren und jüngeren Fachgenossen technische Kenntnisse, z. B. das Buchbinden, das Schriftzeichnen, die verschiedenen Jllustrations- und Druckverfah ren usw., entweder geschlossen in Klassen oder als Teilnehmer in schon bestehenden Fachklassen mit sehr kleinen Kosten gründ lich kennen lernen. Daran hätte sich für ältere Gehilfen und Prinzipale eine freiere Vereinigung für Fortbildung und Anregung anschließen sollen, in der jeden Winter einigemal über neue Gesetze, tech nische Fortschritte, Buchführungsfragen u. dgl. hätte berichtet und debattiert werden können. Einige Versuche, z. B. eine Vor-