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i »ist MlattM-eOmlsö»mBuchhMel Üsrt »z IbM^ j I II d« > » 6^50c Mch " > ÜL Nr. 24S. Leipzig, Mittwoch den 25. Oktober 1916. 8S. Jahrgang. Redaktioneller Teil» Lehrlingsausbildung und berufliche Weiter- bildung im Buchhandel. Von M. Holland. Es war in letzter Zeit im Börsenblatt mehrmals von der Lehrlingsausbildung die Rede, und das schon viel besprochene Thema, das immer noch keine durchaus befriedigende Lösung ge sunden hat, wurde in Beziehung zu dem neu zu gründenden Buchhandelsamt gesetzt. Ich fürchte nur, daß dieses Berufsamt, für das ich schon im Jahre 1813 bei der Bayreuther Tagung des Verbands der Kreis- und Ortsvereine in der von mir ange regten Frage der gemeinsamen Reklame eine Fülle von Arbeit allein in dieser Abteilung voraussagte, nur schwer und lang sam alle die vielen ihm jetzt auch sonst zugedachten Aufgaben in Angriff nehmen kann. Darum müssen vorläufig andere Wege gesucht werden, bis vielleicht in einigen Jahren auch die schwere Aufgabe der beruflichen Fortbildung im Buchhandel von dem Zentralamt aufgegriffcn werden kann. Immerhin wird es schon bald fördernd eingreifen können durch mancherlei statistische Er hebungen, wenn vor Einrichtung eines Kursus die etwaige Teil nehmerzahl festgestellt werden muß, Redner und Lehrer ermittelt und Lehrmittel beigeschafft werden sollen usw. Ist die Frage der Aus- und Weiterbildung im Jungbuch- handcl aber jetzt überhaupt aktuell, wo doch ein guter Teil der jungen Berufsgenossen im Felde steht? Nach meiner Über zeugung mehr als je, denn abgesehen davon, daß die Einrich tung von organisierten Fortbildungskursen nicht im Handum drehen sich schaffen läßt und mancherlei Vorarbeiten erfordert, arbeiten heute im Buchhandel sehr viele Neulinge und wiederum viele auf ganz neuen Arbeitsgebieten, die unbedingt noch besser eingcführt und ausgebildet werden müssen. Und wie viele Lücken müssen in den nächsten Jahren gestopft, wie viele neue Mitarbeiter herangezogen und geschult werden! Eine neue Aufgabe ersteht den Kreis- und Ortsvereinen, eine schöne Arbeit für ideal veranlagte, opferwillige, kenntnisreiche Männer! Al lerdings ist jetzt in der Kriegszeit bei dem Mangel an Lehrkräf ten die Einrichtung von Unterrichtskursen noch schwieriger als sonst. Schon seit mehr als 25 Jahren, seitdem ich Lehrlinge aus bilde, ist mir die Frage der gründlichen theoretischen Durch- und Weiterbildung eine Sorge. Noch weiß ich, wie viele Um wege ich selbst als Buchhandlungslehrling und -Gehilfe machte, bis ich mir die nötigsten theoretischen Kenntnisse angeeignet hatte; wie ich im Winter schon von 7—8 Uhr in der Frühe und abends bis 9)L Uhr in der f r e i w i l l i g e n Fortbildungs schule Sprachslunden besuchte und Handelskorrespondenz trieb nach kaufmännischer Art, die mit dem Buchhandel damals kaum irgend eine Verwandtschaft hatte. Ähnlich ging es mir in einem Kurs für Nationalökonomie und einem für Privatrecht, etwas besser in Literatur- und Kunstvorlesungen. — Alles wurde gelehrt für Alle, nicht für Buchhändler und ihre Bedürfnisse. Größeren Gewinn fand ich beim Studium des klassischen Buchhändler-Unterrichtswerkes von Rottner, von Schürmann, Usancen des Buchhandels, und der damals noch erscheinenden »Buchhändler-Akademie», und manches Exzerpt füllte meine Hefte und stopfte Lücken meiner Ausbildung. Ich hatte ja das Glück, in meiner Lehr- und Wanderzeit nur tüchtige Prinzipale zu haben, aber zu dem, was ich praktisch ihnen absehen konnte, fehlte immer wieder die theoretische Tieferbildung. Und noch eins: Nie hatte ich bei einer Bilanz oder auch nur bei einer Inventur mitzuhelfen, habe auch nie gesehen, daß einer meiner Meister eine Bilanz gemacht hätte, obgleich ich zeitweise erster Gehilfe oder Kassierer war. So blieb mir eine der schwersten und doch auch interessantesten Aufgaben ganz unbekannt, bis ich sie für mein Geschäft selbst machen mußte. Daß auch ältere Kollegen später in ähnlichen Nöten mich um Hilfe baten, war mir ein Beweis dafür, daß auch sie nicht so ausgebildet worden waren, wie sie es brauchten. Sie fuhren in Fragen der idealen Werte, der Abschreibungen, der Kapitaleinlagen ebenso im Nebel herum, wie ich es früher getan hatte. Daß manche den Konto« korcentauszug ihres Bankiers nicht prüfen können und Ähnliches, wird nicht nur hier Vorkommen, wenigstens haben auch bei mir schon viele brave norddeutsche Gehilfen durch bodenlose Un kenntnis geglänzt. In meiner Jugend waren wenigstens noch Gehilfen ohne das Einjährigen-Zeugnis die Ausnahme, jetzt sind es die mit ihm, und das Bildungsbedürfnis ist damit gewiß noch gestiegen. Die Notwendigkeit einer besseren theoretischen Berufsaus bildung war mir immer klar, aber ich fand in der Geschäftszeit nur selten Mutze, meinen Zöglingen den nötigen Unterricht zu geben, wollte natürlich auch manche Geheimbücher und -Papiere nicht preisgeben. Als daher im Jahre 1905 in Württemberg die Pflicht-Handelsschulen eingeführt wurden, freute ich mich, obgleich die 2mal 4 Wochen-Unterrichtsstunden mitten in der Geschäftszeit auch mir manchmal ungeschickt kamen. Jetzt lern ten doch die Jünglinge je nach ihrer Vorbildung vier oder sechs Semester lang manches Brauchbare und allgemein Interessante aus Handel und Wandel. Leider aber ist der ganze Unterricht nur nach dem kaufmännischen Warenhandel orientiert, und vom Buchhandel mit seinen vielen vom Warenhandel sich unterschei denden Gebräuchen und Aufgaben erfahren sie gar nichts, ja sie werden ihm fast entfremdet. Sie treiben Warenkunde aller Art, machen Kalkulationen, behandeln Vertriebsarten u. dgl. in einer Form, die mit dem Buchhandel nichts zu schaffen hat. Vieles wird ihnen beigebracht, was sie nicht verwenden können, und nötige Fächer, wie Literaturgeschichte, Bibliographie und Bücherherstellung, fehlen ganz. Natürlich fanden zu allen Zeiten besonders Strebsame oder besonders Begabte immer Wege zur gründlichen Berufsausbil dung, aber die grotze Mehrheit unseres buchhändlerischen Nach wuchses leidet heute noch an großer Unwissenheit und braucht eine energische Nachhilfe. Das vom Börsenverein herausge gebene zweibändige Lehrbuch des deutschen Buchhandels von Paschke und Rath ist ganz ausgezeichnet, aber viele brauchen zu seinem Studium und Verständnis einen Lehrer und Anschauungs material, kurzum einen Unterricht, ja ich sage sogar als Trieb kraft ein Examen. In den folgenden Zeilen erzähle ich von den vier Fortbil dungskursen, die ich unter Beistand des Herrn Prokuristen I. Maier hier in den Jahren 1907—12 abgehalten habe, einer seits um zu ähnlichen Veranstaltungen anzuregen, andererseits um unsere hiesigen Erfahrungen sowohl positiv als negativ 1337