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Redaktioneller Tet! 68, 22. März 1822. sein. Not macht bekanntlich immer erfinderisch, der Kaufmanns, geist und ein gesunder Wirtschaftssinn werden über alle Bestre bungen Unverantwortlicher schließlich doch die Oberhand behal- ten. Es werden sich gruppenweise oder regional Kartelle von Sortimentern und Verlegern bilden, die sich wechselseitig gegen Unterbietung schützen, durch Konventionalstrafen u. a. Man möge mich aber nicht mißverstehen: das Sortiment redet nicht etwa der Aufhebung des Ladenpreises das Wort, denn sie würde voraussichtlich die Verewigung des Streites zwischen Sortiment rmd Verlag bedeuten. Dafür wollen wir nicht ver antwortlich gemacht werden dürfen. Von der Vernichtung der Bibliographie bei Aufhebung des Ladenpreises ganz zu schwel- gen. Darum ist das Sortiment zu jeder halbwegs brauchbaren Einigung mit dem Verlag wie vor Jahren so auch heute noch bereit. Wie ist eine solche Einigung nun zu erzielen? Das ist die große Frage, die seit langem auf Tausenden von Lippen schwebt. Es ist oft gesagt worden, daß Verlag und Sortiment aufein ander angewiesen seien und deshalb in einer Art von Ehe zu sammen leben müßten. Der Vergleich ist nicht schlecht, zweifel los ist es auch, daß es sich gegenwärtig nicht gerade um eine Liebezehe, sondern um eine sogenannte Vernunstehe handelt. In einer solchen hat aber, das liegt schon im Worte, zunächst die Vernunft zu sprechen. Und die kühle Vernunft sollte bei beiden Teilen z» folgenden Erwägungen führen: Die Bllcherpretssteigerung entspricht heute der sinkenden Kaufkraft der Mark genau so wenig, wie sie es 1818 bei Schaf fung der Notstandsordnung getan hat. Im Gegenteil ist heute das Sortiment bet den gegen damals sprunghafter steigenden Unkosten, Steuern usw., bei einer immer stärkeren Kapitalanspan nung für seine Lagerergänzung weniger als je in der Lage, auf den Ausgleich durch Aufschläge zu verzichten. Das ist zur zeit die Ansicht des gesamten vertreibenden Buchhandels, wenn man von ein paar Kirchturmpolitikern absieht, die der Wirtschaftskundige nicht ernst nehmen kamt. Das ist aber auch die Ansicht eines sehr großen Teils des Verlags, und nicht umsonst haben es die Herren Ilr. Bielefeld, Otto Weitbrecht, Lutz u. a., hat es selbst der Vorstand des Vcr- legervereins zum Ausdruck gebracht, man solle den Ladenpreis überhaupt freigeben, was Herr vr. Oldenbourg vom tak tischen, keinesfalls vom praktischen Standpunkte aus. »Verschleu derung wertvollsten Verlegerkapitals- nennt, eines Kapitals, das in heutiger Zeit klugerweise bis auf den letzten Rest abge- schricben sein sollte. Das Sortiment wird also keineswegs in den Fehler des Verlags verfallen, durch ein« falsche Preispolitik seine wirt schaftliche Existenz leichtfertig aufs Spiel zu setzen, um dem Ver lag seine Schimäre der Ladenpreisbestimmung zu erhalten, son dern es wird am Teuerungszuschlag solange festhalten, bis der Durchschnitt der Verlegerladenpreise dem Jnlandwerle der Mark entspricht, der gesunde Ausgleich von Einnahme und Ausgabe also hergestellt ist. Was ist nun, frage ich, dieses vorausgesetzt, unter dem Ge sichtswinkel des Verlags gesehen, das kleinere übel? Wenn die Zuschläge des Sortiments legal, gleichmäßig, unter Aussicht und mit Verantwortung angesehener Körperschaften, d. h. börsen- vereinsmäßig geregelt, erhoben werden, oder wenn sie ohne ge setzliche Regelung, ohne Verantwortung, ungleichmäßig und in wildem Durcheinander das Ladenpretsprinzip dauernd zerstören? Die Antwort sollte unschwer zu finden sein. Der Verlag weiß heute, daß er nicht in der Lage ist, den sogen, ausreichen den Rabatt zu gewähren und diesen Rabatt fortgesetzt den sich schnell verändernden Verhältnissen anzupassen, wenn ihm nicht jede Kalkulationsmöglichkeit geraubt werden soll. Der Verlag hat die Erfahrung gemacht, daß alle seine Bestrebungen, dem Sortiment den Zuschlag zu nehmen, gescheitert sind, weil sie sich als undurchführbar erweisen mußten und das Sortiment des halb zwischen die Tür, die man ihm zuschlagen wollte, dauernd den Fuß setzte. Auch die Abkommen zwischen wissenschaftlichen Verlegern und wissenschaftlichen Sortimentern, die heute schein bar noch Bestand zeigen und oft von wissenschaftlichen Verlegern, merkwürdigerweise aber nicht von wissenschaftlichen Sortimen tern, als ausgezeichnet bewährt bezeichnet werden, tragen den Krankheitskeim der unberechenbaren Markentwertung in sich und müssen in dem Augenblicke zusammenbrechen, wo die Span nung zwischen (heute 6—8fachem> Bücherpreis und sheutc 3üfa- cher) Entwertung der Mark unerträglich geworden sein wird. Darum gibt es, rein real-politisch betrachtet, nur einen Weg, zur Ordnung und Stetigkeit in der Preisbildung zurückzukom men, einen Weg, den man nie hätte verlassen dürfen, nämlich den Weg, den die Notstandsordnung von 1318 gewiesen hatte. Zu ihr, in abgeänderter und ergänzter Form müssen wir zurück, ihre Wiederherstellung bietet die einzige Möglichkeit für den Verlag und den Börsenverein, den Einfluß aus die Gestaltung der Ver kaufspreise und die Übersicht wiederzugewinnen und seiner zeit, wenn die Möglichkeit eines Abbaues der Zuschläge vorliegt, mitwirkend zu sein. Ihre gesetzliche Form wird das Veranwort- lichkeitsgefühl, das im Chaos erfahrungsgemäß leicht verloren geht, wieder stärken, und Verlag und Sortiment werden sich, des ewigen Kampfes um nichts anderes als eine Lappalie ledig, de» Arbeiten des Wiederaufbaues zuwenden können, deren Notwcn- digkeit sich bald mit größerer Kraft als bisher einstellen wird. Daß an einer neuen Notstandsordnung vieles änderungs- und besserungsbedürstig ist, liegt auf der Hand, mit den aus die ser Einsicht sich ergebenden Fragen soll voraussichtlich die vom Vorstande des Börsenvereins für den 5. April einbcrufene Wirt schaftskonferenz sich eingehend befassen, die meines Erachtens aber nur dann gute Erfolge für alle Teile zeitigen dürste, wenn man in den beiden Grundsätzen sich vorher geeinigt hat, die da lauten: 1. Der Teuerungszuschlag des Sortiments ist heute unentbehrlich. 2. Die Erhebung der Zuschläge ist abhängig von der Relation zwischen Ladenpreis und Wert der Mark und darf nur in einer Form erfolgen, die eine gesetzliche Rege lung erfahren hat. Zeitgemäße Ladenpreise. Von Hans Wehner. Darüber, daß die Verkaufspreise fast sämtlicher Bücher z. ZI. nicht der heutigen Kaufkraft des Geldes angepaßt sind, ist so viel geschrieben worden, daß eine nochmalige Behandlung dieses Ge genstandes zweifellos unnötig ist. Dagegen sind bis jetzt prak tische Vorschläge weder gefunden noch durchgeführt worden, welche zu einer Gesundung der Preispolitik führen können. Eine Dauersitzung der Leipziger Mitglieder des Deutschen Verleger-Vereins, die sich mit diesem Gegenstand befaßte, und Beratungen innerhalb einer Anzahl befreundeter Verlagssirmen führten zur Niederschrift des nachstehenden Briefes, welcher für sich selbst spricht, nnd zu welchem weitere Erläuterungen über flüssig sein dürften. Ob das geplante Preiskartell zustandekommt oder, wie so mancher ändere Plan im Buchhandel, an mangelnder Einsicht oder Eigenbrötelei einzelner scheitert, wie dies so oft in unserem Berufe vorkommt, bleibt abzuwarten. Wohl aber wäre es wün schenswert, daß weitere Verlagsgruppen die gleiche Bahn beschrei ten würden, um zu vernünftigen wirtschaftlichen Grundsätzen zu kommen. Gewiß bieten auch die im erwähnten Schreiben gemach ten Vorschläge Schwierigkeiten, doch scheinen sie mir nicht so groß zu sein, als daß sie nicht überwunden werden könnten, vorausgesetzt, daß der Wille zur Einigkeit vorhanden ist. Selbst verständlich muß bei derartigen Vereinbarungen jeder einzelne Opfer bringen, doch bedarf es Wohl keines besonderen Hinweises, daß es Opfer sind, die sich mit reichlichen Zinsen bezahlt machen. Ich lasse den Inhalt des Briefes folgen: Sehr geehrter Herr Kollege! Bezugnehmend auf verschiedene Artikel im Börsenblatt, die in letzter Zeit erschienen sind, sowie eine Anregung aus den Kreisen der Leipziger Mitglieder des Verleger-Vereins erlaubt sich die Unterzeichnete Vereinigung folgende Vorschläge zur Frage des Ladenpreises zu machen: