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7246 Börsenblatt s. d. DtschN Buchhandel Nichtamtlicher Teil. ^ 151, 2. Juli 1908. Bureau vorgenommenen Maßnahmen erwähnen wir insbe sondere folgende: 1. Übermittlung eines Gesuches an das königlich ungarische Kultus- und Unterrichtsministerium um Beitritt Ungarns zur Berner Übereinkunft. 2. Briefwechsel mit Autoren und Versammlungen zur Erreichung der Abschaffung der Pflichtexemplare, sofern die Anerkennung des Urheberrechts an deren Hinterlegung ge knüpft ist, und Feststellung eines günstigen, auf diesem Ge biete in Italien erreichten Ergebnisses.*) 3. Sammlung von Auskünften über die in ansehnlicher und aufsteigender Entwicklung begriffene internationale Durchführung der Ausübung des Aufführungsrechts an musikalischen Werken. 4. Umfrage betreffend die mechanischen Musikinstrumente, wobei die völlige Übereinstimmung der Ansichten hinsichtlich der Notwendigkeit der Revision der Berner Übereinkunft im Sinne der Beseitigung jedes Privilegiums zugunsten dieser Industrie festgestellt wurde. 5. Briefwechsel mit den Herren Putnam und Solberg über die Durchsicht der amerikanischen Oox^rixllt-Gesetz gebung. Das Bureau unternahm auch eine dreifache Aus arbeitung von Schriften, nämlich diejenige eines »Leitfadens für die Abfassung von Verlagsverträgen«, eines »Muster katalogs für Buchhändler« und eines Entwurfes für ein »Technisches Wörterbuch für Buchhandel und Verlag«. In bezug auf die fachlichen Fragen finden sich im Bericht des Bureaus interessante Mitteilungen über die Buch händler-Fachschulen und -Kurse, über die dem internationalen Verkehr durch Bezug von Taxen und Zöllen aller Art sich entgegenstellenden Hindernisse und den Erfolg verschiedener an die öffentlichen Behörden gerichteten Eingaben, in denen um Verminderung dieser Lasten und Herabsetzung der Tarife nachgesucht wurde, über die dem Reisebuchhandel einzu räumenden Erleichterungen, über die Frage des Kunden rabatts und der Aufrechterhaltung des Ladenpreises, endlich über das Buch im Postverkehr. Man ersieht aus dieser kurzen Aufzählung, daß der internationale Verlegerkongreß wohl daran tat, sich auf der Leipziger Tagung vor sieben Jahren ein Zentralorgan zu geben, das unter der tatkräftigen Führung und ständigen Aufsicht des leitenden Ausschusses diesem internationalen Verbände die so wünschenswerte Stetigkeit in der Verfolgung der Ziele, sowie die nötige Umsicht und Energie sichern sollte. Das ständige Bureau ist für die Gesamtorganisation der Verbreiter der Geistesprodukte zum unentbehrlichen Faktor geworden. Wenn wir nunmehr die Arbeiten der Madrider Tagung, wo tatsächlich die Stellung des Bureaus bedeutend erweitert wurde, durchgehen, so wird sich unsere Behauptung vollends erhärten. Revision der Berner Übereinkunft. Diese Frage beschäftigt die Geister so sehr, daß sie, ohne unmittelbar auf die Traktandenliste gesetzt worden zu sein, dennoch im Vordergrund der Beratungen stand, und zwar unter folgenden besonderen Umständen: Die von der deutschen Reichsregierung für die Berliner Konferenz *) »Die ^ssooiariovs tipoxraLco-libraria italiava antwortete am 24. Oktober 1907, daß auf ihre Schritte hin die italienische Regierung in den Gesetzentwurf betreffend Urheberrecht eine Be stimmung eingefügt habe, die zur Beseitigung der gesetzlichen Hinterlegung von Pflichtexemplaren und jeder ähnlichen Förm lichkeit führen werde; anderseits sichert das Preßgesetz in Italien die Hinterlegung von Pflichtexemplaren auf der Nationalbibliothek von Florenz, um auf diese Weise die Anlage einer Landes bibliographie zu ermöglichen. Der Verein erklärt sich damit befriedigt.- ausgearbeiteten Vorschläge, die den verschiedenen Staaten vertraulich mitgeteilt worden waren, wurden von Herrn Ed. Cutler unter den Auspizien der Oop^rigüt Association übersetzt und bildeten auch den Gegenstand einer von Herrn MacGillivray für die Lublisbsrs' Association von England verfaßte Spezialabhandlung; Herr Tito Ricordi gab nun der Madrider Versammlung einen »allgemeinen Überblick über dieses ultrageheime Aktenstück, das wir alle gelesen haben«; immerhin beschränkte er seine Darlegungen auf fol gende fünf Punkte: 1. Notwendigkeit, in den internationalen Beziehungen jede Feststellung betreffend Beobachtung der vom Gesetze des Ursprungslandes des Werkes vorgesehenen Bedingungen und Förmlichkeiten fallen zu lassen, und Befreiung von jedem daherigen Zwang, der dem Autor nur Schaden bringt, wie ein kürzlich in England durchgeführter Prozeß mit Bezug auf den Vorbehalt des Aufführungsrechtes beweist, dessen Ab fassung in englischer Sprache verlangt wurde. 2. Gleichstellung des Übersetzungsrechts mit dem Ver- vielfältigungsrecht, indem das Libretto im Original und in Übersetzung ebenso lange geschützt zu werden verdiene wie die Musik. 3. Aufnahme sowohl der Werke der Choreographie wie derjenigen der Photographie und der Baukunst in die Auf zählung des Artikels 4 der Berner Übereinkunft, um ihnen in der ganzen Union die Gleichbehandlung nach den Landes gesetzen zu sichern. 4. Anbahnung der so außerordentlich wünschenswerten, ein ideales Postulat bildenden Vereinheitlichung hinsichtlich der Schutzdauer durch Annahme einer Mindestschutzfrist von 50 Jahren post mortem auctoris, einer Lösung, der selbst Deutschland beitreten sollte. 5. Anerkennung eines absoluten und nicht bloß eines durch ein Lizenzsystem beschränkten Rechtes auf Wiedergabe der Geisteswerke mittels mechanischer Instrumente jeglicher Gattung, da diese Forderung ebensosehr die Komponisten wie die Autoren literarischer Werke angehe, zumal die phono- graphische Wiedergabe z. B. von Schulbüchern einst dem Buchhandel und dem Verlage eine starke Konkurrenz bereiten könnte; übrigens bildeten die mechanischen Wiedergaben, gleich den Veröffentlichungen für Blinde, geradezu Auflagen, die man zu entziffern vermöge, die gleich wie Klischees stereotypiert und ins Unendliche vervielfältigt würden und die man in Museen und Archiven aufbewahre. In der sehr belebten Aussprache, die diese Darlegungen hervorriefen, machten verschiedene Redner (Herren Vallardi, Seemann, Hofmann) aus ihrer Überraschung kein Hehl, diese Frage so unvermutet und ohne vorgängigen schriftlichen Bericht auf der Tagung verhandelt zu sehen, was Herr Ricordi aber aus den obenerwähnten besonderen Umständen erklärte. Der erste Revisionspunkt begegnete keiner Einwendung, bei den andern ging es jedoch nicht ebenso glatt. Mehrere Redner aus Italien (HH. Vallardi, Rava, Barbtzra) und Spanien (HH. Gilt und Salvat) bekämpften die Ausdehnung des Übersetzungsrechts vom nationalökonomischen Stand punkte aus als zu weitgehend, als dem menschlichen Fort schritt wenig förderlich und als der Verbreitung der wissen schaftlichen Werke hindernd entgegentretend, namentlich in denjenigen Ländern, wo das kaufende Publikum noch nicht so zahlreich sei, und die als »Übersetzungs-Einfuhrländer« be zeichnet werden müßten, so daß sie, wie Herr Barbsra meinte, eigentlich eher der Einrichtung eines Systems von Lizenzen zur Erleichterung der Übersetzungen bedürftig wären. Die Freunde der Reform (HH. Ricordi, Leclerc, Gauthier- Villars) machten dagegen geltend, daß die jetzigen Be stimmungen der Gleichstellung der beiden Rechte unter der