Volltext Seite (XML)
255, 1. November 1912. Nichtamtlicher Teil. vorlcublao s. d. Dychn. »uchhanLrr 13511 25 Jahren schon erkannten, daß aus diesen Künstlern etwas werden würde. Und sie sind tapfer für sie eingetreten, haben auf das Risiko hin, das letzten Endes auch dem hoffnungs- rcichsten Künstler gegenüber besteht, die Maler gestützt, und be sonders Hermann Plcuer, an dessen Wiege das Glück nicht gestanden hatte, oft über die Nöte des Lebens hinweggehol fen. Das Prognostikon, das die beiden Kunsthändler ihren Schützlingen stellten, hat sich erfüllt. Nicht in der Weise, wie cs bei manchen anderen der Fall war. Etwa wie bei Karl Schuch, für den heute die geheimsten Gcheimräte die Hand ins Feuer legen, wodurch natürlich auch die materielle Wert schätzung eine in bedeutenden Prozentsätzen auszudrllckende Steigerung erfahren hat. Man weiß und hat es durch die letzten Ausstellungen nachdrucksvoll erfahren, wie hoch die Bilder von Schuch heute im Kurs stehen. Nun, auch Plener und Reiniger sind der Anerkennung nicht ganz verlustig ge gangen. Den Künstlern waren sie bekannt als zwei Könne, von außergewöhnlicher Kraft, als wirkliche Künstler, die es mit einer Handvoll weit berühmterer Zeitgenossen bequem auf- nehmen konnten. Berühmt geworden sind sie deswegen nicht. Aber cs ist möglich, daß sich das übliche Künstlerschicksal auch an ihnen erfüllt. Die paar literarischen Herolde, die Pleuer und Reiniger gefunden haben (auch ich gehöre zu ihnen aus ehrlicher Überzeugung), haben es nicht vermocht, die Leute mit dem Strahlenkranz unvergänglichen Ruhmes zu umwinden. Aber beide Künstler sind erst seit ein paar Jahren tot. Vielleicht steht ihnen noch eine Auferstehung be vor. Hier hat eben der Professor und der Geheimrat gefehlt, die laut und deutlich verkündeten, was die beiden für Genies waren. Die paar Kunstkritiker im Norden und Süden, auf deren Stimme jedermann wie auf ein Evangelium hört, waren für die beiden Schwaben nicht zu haben, und so sind sie denn als Lokalgrößen eines seligen Endes gestorben. Ein paar württembergische Privatsammler, vor allem ein in seiner Art direkt idealer Baron, der nicht aus Snobismus, sondern aus ehrlicher Begeisterung kaufte und sammelte, sind die Besitzer. Aber nicht das, was diese haben, sondern der eigene Besitz der Firma Presset L Kusch kommt zum Verkaus. Es sind wundervolle Stücke dabei. Von Pleuer seine herr liche große Kurve und die Maler im Atelier, von Reiniger Landschaften von einer Eindrucksgewalt, mit der er ein paar Dutzend deutsche Landschaftsmaler an die Wand drücken kann. Aber ich kann hier keine kunstästhetische Abhandlung schreiben. Höchstens habe ich die Pflicht, auch die Kunst händler darauf aufmerksam zu machen, daß ihnen hier Han delsobjekte Winken, die ihnen einstmals schönen Gewinn ver sprechen. Denn man kann nie wissen! — Was an diesem bei der Länge der Zeit fast freundschaftlich gewordenen Verhältnis zwischen Künstler und Kunsthändler noch interessiert, ist der Umstand, daß dem merkantilen Teile später von anderer Seite, nicht von der der Künstler, der Vorwurf der Ausnutzung ge macht wurde. Es wird hier nichts Neues gesagt, wenn man betont, daß der Künstler sehr gern im Kunsthändler seinen Aussauger sieht. Das war hier nicht der Fall. Aber hier traten eben andere Widersacher auf den Plan. Und als die Kunsthändler dann, nachdem sie durch ein Vierteljahrhundert hindurch den Künstlern viel zugewandt und schließlich doch auch ein nicht unbedeutendes Kapital investiert hatten, in einer Sache, deren Rentabilität doch nicht unbedingt erwiesen war, für einzelne Bilder ziemlich hohe Preise ansetzten, kam das Hallo. Man glaubte die Künstler benachteiligt. Ich bin immer mit Nachdruck für die Künstler eingetreten, habe hier und an anderen Stellen ihr Interesse gewahrt, aber man muß Wohl gelegentlich der falschen Auffassung, die die Herren oder ihre Beschützer vom Kunsthandel haben, entgegentreten. Fälle, wo der Kunsthändler sich vom Künstler ein Bild in Kommission geben läßt, ihm fünfzig Mark bietet und es am andern Tag für 120Ü Mark verkauft, sind ganz gewiß nicht fair, und es wird ihnen kein Mensch das Wort reden. Wenn aber durch Jahrzehnte hindurch der Kunsthändler dem Maler die Stange gehalten hat, wenn sich Bilder auf Bilder an gesammelt haben, die schließlich doch nicht alle prima und auch nicht alle verkäuflich sind wie warme Semmeln, so liegt der Fall wohl anders. Und es mag eine ausgleichsweise Steigerung, die verhältnismäßig hoch erscheint, durchaus ge rechtfertigt erscheinen. Es ist von Künstlerseite aus versucht worden, von Gesetzes wegen zu erreichen, daß der Maler an dem später größer werdenden Gewinn für seine Bilder partizipiert, resp. seine Erben. Das Verlangen mag nicht un billig erscheinen, besonders im Hinblick auf die enormen Wertsteigerungcn, die einzelne Künstler in den letzten Jahren erfuhren. Theoretisch kann der Künstler es uns auch sehr leicht plausibel machen. Praktisch aber schwer. Denn es kommt ein wichtiger Umstand dazu, der eben auch in den letz ten Jahre» akut wurde. Man hat Künstler ein Jahrzehnt lang verhimmelt und glänzend bezahlt und überzahlt. Dann kam der gewaltige Rückschlag, und aus der Hausse wurde die Baisse. Selbst Künstler von unerhörter Popularität und Berühmtheit sind nicht davor geschützt geblieben. Jeden falls, das Kapitel gibt zu denken, und es müßten hier ganz bedeutende Studien über die Materie vorliegen, ehe man vom grünen Tisch aus Entschlüsse fassen kann, die den tat sächlichen Verhältnissen ins Gesicht schlagen. Rach einem der schönsten Gemälde von Pleuer ist übrigens kürzlich eine Ra dierung von Alex. Eckener erschienen. Es handelt sich um das wunderbare Bild: Abschied, das ein sich innig umschlingendes Liebespaar darstellt, das im Morgengrauen, in der Haustür stehend, Abschied nimmt. Das Gemälde ist eine der nicht gerade üppig vorhandenen Perlen der Stuttgarter Gemälde galerie. Die Radierung erschöpft den Stimmungsgehalt des Originals, soweit es bei diesem einzigartigen Meister der Farbe möglich ist, sehr gut und ist fein nachempfunden, so daß sich der Kunsthandel des Blattes gern mit Wärme und Interesse annehmen wird. Das Kunstauktionswesen ist auch sonst wieder in vollem Gange. Das Angebot ist groß, und wenn die Nachfrage nur einigermaßen damit gleichen Schritt hält, haben wir keinen Grund zu klagen, daß die Kunst kein Interesse mehr fände. Die Galerie Del Vecchio in Leipzig verschickt ein wahres Prachtwerk von Katalog. Er gilt der Sammlung Buz-Augsburg und enthält so ziemlich alle Namen, um die sich die Kunstgeschichte von heute dreht. Die großen wie die kleinen. Dieser Sammler hat sich nicht nur auf eine besondere Richtung eingeschworen, und so wird im Sinne seines Ge schmacks für jeden etwas da sein. Einen weit ausgesproche neren Charakter trägt die Sammlung der Frau von D., die bei Hugo Helbing in München den Weg in alle Wind richtungen nehmen wird. Hier sind fast nur die »Erstklassi gen« zu finden, und diese wieder, wenn man dem Vorwort und auch den vielen Abbildungen glauben darf, mit nur erstklassi gen Werken. Von Hans von Bartels bis zu Heinrich von Zügel geht die alphabetische Linie. Und dazwischen kommen sie alle, an deren Namen sich die Kunst der Gegenwart knüpft. Auch hier zeigt ein generös ausgestatteter Katalog, welche nicht geringen Opfer notwendig sind, um die Käufer und Inter essenten heranzulocken. Eine Reihe von Werken der jüngeren Meister, die heute so voxue sind und ihren Marktwert haben, bringt die Kunsthalle P. H. Beyer L Sohn in Leipzig am l. November zur Versteigerung. Der künstlerische Nachlaß des jungverstorbenen Philipp Klein, der ebenfalls zu den Aus erwählten der Kunst gehörte und vielleicht einer der ersten des deutschen Kunstkonzerts geworden wäre, wird hier be sonderes Interesse finden. Das Antiquariat von Karl Ern st Henrici in Berlin bringt Kupferstiche der deut- 1757»