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.V 255, 1. November 1912. Nichtamtlicher Teil. Mrl-I,«att,. d. Dtlchn. LuchhondU. 1 s 50 9 Einführung der Bücher in de» Änterrichtsgebrauch. Die Petition des Deutschen Verlegervereins im preußischen Abgcordnetenhause. (Bgl. Rr. 7, 77 u. 84.) Mit der im Börsenblatt 1912. Nr. 7 avgcdrucktcn Petition des Deutschen Verlegervereius betr. Einführung der Bücher in den Untcrrichtsgebrauch beschäftigte sich das preußische Abgeordnetenhaus in seiner 84. Sitzung vom 23. Oktober 1912. Wir entnehmen dem Deutschen Reichsanzeiger Nr. 254 vom 24. Oktober darüber die nachstehenden Ausführungen: Der Deutsche Verlcgerverein hat sich in einer Petition gegen die Verfügung des Unterrichtsministers vom 13. Fe bruar 1911 gewandt, durch welche die Einführung von Lehrbüchern in den Unterrichtsgcbrauch geregelt wird. Rach diesem Erlaß bedarf die Einführung der vorhergehenden Genehmigung des Ministers, die auch einzuholen ist, wenn eine neue Auflage so stark von den früheren abwcicht, daß die alte Ausgabe daneben nicht mehr gebraucht werden kann. Es soll möglichste Einheitlichkeit der Lehrbücher in den ein zelnen Provinzen bestehen; besteht ein einzufllhrendcs Buch aus mehreren Teilen, so kann es zur Einführung erst vorge schlagen werden, wenn alle Teile vorliegen. Der petitionie rende Verein befürchtet das Entstehen eines Monopols für Volksschulbücher infolge dieser Verfügung. Die Kommis sion beantragt Überweisung der Petition an die Regierung als Material. Abg. Eickhofs (fortschr. Volksp.): Der Gegenstand, den die Petition behandelt, ist durchaus unserer Aufmerk samkeit wert. In Österreich hat ein solches Büchermonopol bestanden und besteht üo- kaoto dort vielleicht noch. In Preußen erklärte 1892 allerdings der Kultusminister Graf Zedlitz, ihm sei ein solcher Unsinn noch niemals in den Sinn gekommen. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, daß tatsächlich eine Anzahl von ganzen oder halben Privat monopolen besteht, die ebenso schädlich sind, wie ein Staats monopol. Der Kommissar des Ministers hat in der Kom mission beruhigende Erklärungen abgegeben, auch der Minister hat in einem Schreiben die Besorgnisse des Ver legervereins zu zerstreuen versucht. Es ist auch weniger der Wortlaut des Ministerialerlasses als die Ausführung der Verfügung durch die Nachgeordneten Behörden, die zu Be denken Veranlassung gibt. Der Redner führt eine Reihe von Fällen an, in welchen das Provinzialschulkollegium in Magdeburg und die Regierungen in Schleswig und Trier seiner Ansicht nach über den Erlaß noch zuungunsten der Verleger hinausgegangen sind; in Schlesien sei ähnliches borgekommen und seien Anordnungen getroffen worden, die auf eine tatsächliche Begünstigung des Verlages von Fer dinand Hirt in Breslau zum Nachteil von Büchern aus anderen Verlagsgcschäften hinausliefen. Damit sei eine Art Zentralisierung und Monopolisierung des Schulbücher wesens in Sicht gekommen, die im Interesse weder der Schule noch des Buchhandels liege; dabei gingen viele Tausende verloren. In einigen Fällen habe der Minister Remedur eintrcten lassen, aber immerhin nur eine vor läufige. In dem Bestreben, der Gefahr zu großer Zer splitterung im Schulbücherwesen zu entgehen, sei man aus der Charhbdis in die Scylla geraten. In Bayern hätten zwei Firmen den ganzen Schulbücherverlag monopolisiert, dort könnten sich nur noch in Nürnberg andere Schulbücher halten. Die Firma Oldenbourg in München, eine dieser Firmen, überweise einen Teil des Reinertrags der Lehr bücher den Lehrcrvercinen; das heiße aber der Kor ruption Tür und Tor öffnen. In Preußen sei ja die Ge fahr eines Staatsmonopols nach dem Ausspruch des Grafen Zedlitz nicht so groß, aber die Besorgnis bestehe, daß nach Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 79. Jahrgang. dem bayerischen Beispiel ganze oder halbe Privatmonopolc geschossen werden. Darum solle die Unterrichtsvcrwaltung der Vorstellung des Verlegervereius die verdiente Beachtung schenken. Abg. Or. Wagner-Breslau (freikons.): Daß für Preußen die Gefahr eines Privatmonopols nicht groß ist, hat der Vorredner selbst zugestanden. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß die Anordnung des Ministers im allge meinen sehr zweckmäßig ist. Außer den Verlegern kommen doch hier auch noch die Eltern der Schüler und dann die Sortimenter in Betracht. Gerade aus den Kreisen der letzteren habe ich die allcrlebhafteste Klage gehört über die unausgesetzte Folge neuer Auflagen, die sie beschaffen müs sen, um nachher mit ihren großen Vorräten sitzen zu öleiben. In Breslau ist ein Schullehrbuch der Erdkunde in einer Ausgabe ^ und in einer Ausgabe L erschienen, die ver schiedene Preise haben, sich aber nur dadurch unterschei den, daß die Ausgabe L mit Deutschland beginnt, die Aus gabe l? mit Deutschland schließt. Ist das ein Grund für eine neue Ausgabe? Ich halte daher die Vorschrift des Ministers, natürlich wenn sie vernünftig gehandhabt wird, für durchaus am Platze. Hierzu kommen die Interessen der Eltern, die die Schulbücher für ihre Kinder anzuschaffen haben und immerfort die massenhaften Neuauflagen kaufen müssen. Man soll hier doch nicht das Interesse einer kleinen Anzahl von Großunternehmern mit den Interessen der All gemeinheit identifizieren. Es liegt hier im Gegenteil eine echte und rechte Mittelstandssrage vor, die im praktischen Sinne gelöst werden muß, und ich vertraue darauf, daß der Minister sich auf die Seite der Eltern stellen wird, die sich mit Recht gegen solche überflüssigen Aufwendungen sträuben. Abg. Eickhoff (fortschr. Volksp.): Der Vorredner hat mich mißverstanden. Ich habe gerade die Gefahr betont, daß Pribatmonopole sich herausbilden könnten, Monopole einiger großen Firmen, neben denen dann die mittleren und kleinen nicht mehr bestehen können. Es handelt sich da also auch nach meiner Auffassung um eine Mittelstandsfrage. Die Petition wird der Regierung als Material über wiesen. Hierzu wird uns geschrieben: Daß die bekannte Petition des Deutschen Verlegervereins nicht nur in der Kommission, sondern auch im Plenum zu längeren Erörterungen Anlaß gegeben hat, und der Regierung als Material überwiesen wurde, ist ein Erfolg. Der Vor stand des Deutschen Verlegervereins wird nach Lage der Dinge kaum mehr erwartet haben, und es wird seine Sache sein, auf Grund der Antwort des Ministers und des Beschlusses des Abgeordnetenhauses, sowie des weiter eingehenden Ma terials weiterzubauen. Höchst merkwürdig ist die Rolle, die der freikonservative Abg. vr. Wagner (Breslau) gespielt hat. Der Vorwurf, daß die Verleger absichtlich immer neue Auflagen mit kleinen Änderungen druckten oder verschiedene Ausgaben eines Buches machten, um dadurch die andern Aus gaben zu entwerten, wird durch die Wiederholung nicht wahrer und hatte Wohl nur den taktischen Zweck, die Aufmerksamkeit vom Inhalt der Petition abzulenken. Köstlich ist die Besorg nis um den Mittelstand. Glaubt etwa der Herr Abgeordnete oder der von ihm zitierte Sortimenter, daß die großen »Mo- nopol«-Verleger weniger neue Ausgaben und Auflagen auf den Markt bringen, und das Sortiment besser dabei fährt, wenn der Schulbücher-Verlag immer mehr von einigen we nigen Firmen mit Hilfe der »Nachgeordneten Organe« der Regierung monopolisiert wird? Die Erfahrungen in Öster reich usw. und der gesunde Menschenverstand jedes Sach kundigen lassen solchen »Glauben« höchst wunderlich erschei- nen. Erstaunlich, aber nicht neu, ist nur, mit wie wenig Sachkunde und auf wie einseitige Information hin im preußischen Abgeordneienhanse hier und da geredet wird. 1757