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260, 7. November 1907. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. 11771 gegen die deutsche Regierung, namentlich Friedrich Wil helm III. Sein Verleger Campe in Hamburg weigerte sich, diese Vorrede drucken zu lassen, und als Heine darauf bestand, unterbreitete er sie mit seiner Einwilligung der Zensurbehörde. Diese strich einen großen Teil, und als Campe nun das Buch mit der erheblich gekürzten Vorrede in den Handel brachte, war Heine sehr erbost. Später er schien die Vorrede separat im Buchhandel, und zwar hatte die Firma Heideloff L Campe in Paris sie drucken lassen und auch nach Deutschland verschickt. Infolgedessen wurde Campe in Hamburg vor die Polizei behörde geladen und am 22. Juni 1834 eingehend darüber vernommen. Er schilderte dabei den Hergang der Angelegenheit (Geiger druckt das Protokoll ab) und hob be sonders hervor, daß er mit der Pariser Firma, deren Teil haber sein Neffe Friedrich Napoleon Campe, der Sohn seines älteren Bruders Friedrich Campe in Nürnberg, sei, gar nichts zu tun habe. Er betonte ferner, daß er immer ge wünscht habe, »Heine möge sein großartiges Talent ganz der Poesie widmen und sich nicht damit in die Politik werfen«. Und er fügte hinzu: »Das ist die einzige Differenz zwischen uns. Auf unfern Geschäftsverkehr ist diese Differenz natürlich ohne allen Einfluß geblieben«. Über seine geschäftlichen Be ziehungen zu Heine erklärte Campe ferner folgendes: »Ich besitze Hierselbst keine eigene Offizin, ich lasse meine Verlagsartikel teils hier, teils auswärts drucken. (Folgen Firmen in Hamburg, Altenburg, Altona, Berlin, Braunschweig, Düssel dorf, Frankfurt, Nürnberg, Schneeberg.) Von Heinrich Heine habe ich folgende Werke verlegt: Die Reisebilder, Das Buch der Lieder, Über den Adel, Französische Zustände, Der Salon. Die Reisebilder sind hier gedruckt bei Langhoff und bei Müller. Das Buch der Lieder ist in Nürnberg gedruckt bei Campe Über den Adel ist gedruckt in Altenburg in der Hofbuchdruckerei. Ebendaselbst Der Salon und das Buch Französische Zustände, ein Teil. Ob mehrere Teile noch Nachfolgen werden, weiß ich nicht. Eigentliche Verlagskontrakte sind zwischen H. Heine und mir über vorgedachte meine Verlagsartikel nicht abgeschlossen worden. Wir haben darüber teils schriftlich, teils, wenn H. Heine gerade persönlich hier anwesend war, mündlich verhandelt. H. Heine hat quasi offene Kasse bei mir. Wir stehen in Abrechnung. Das Ge forderte hat er jedesmal von mir bekommen, ein sehr an ständiges Honorar.« Das Buch »Französische Zustände«, das mehr als 20 Bogen umfaßte, brauchte der Zensur nicht vorgelegt zu werden. Es wurde aber in Preußen und in andern Staaten ver boten. Trotzdem gelangten zahlreiche Exemplare davon zur Verbreitung, ebenso von dem in Frankreich hergestellten Sonderdruck der ungekürzten Vorrede.— Bekanntlich nahm Louis Baruch 1818 den Namen Ludwig Börne an, unter dem er in der Literaturgeschichte ortlebt. Aus welchem Grunde er dies tat, war bisher nicht bekannt. Geiger veröffentlicht nun die bezüglichen Ein gaben an den Frankfurter Senat. Börne gab darin als Grund die beabsichtigte Herausgabe einer Zeitschrift an, die vornehmlich staatsrechtlichen und politischen Erörterungen ge widmet sein sollte. Er fürchtete, daß der jüdische Name Baruch ein Vorurteil gegen das Unternehmen erwecken und ihm bei der Gewinnung von Abonnenten hinderlich fein würde. Die Änderung seines Namens wurde ihm denn auch gestattet. Die fragliche Zeitschrift »Die Wage« gab er aber nicht, wie er (vermutlich zur Beruhigung des Senats) angekündigt hatte, im Ausland, d. h. außerhalb des Frankfurter Gebiets, sondern in Frankfurt selbst heraus. Erst die Schlußhefte des zweiten Bandes wurden in Tübingen ausgegeben. Ein weiteres Kapitel in Geigers Werk berichtet über den Ausgang des Preßprozesses, den Börne 1819 durch zufechten hatte. Börne war zu einer Gefängnisstrafe ver urteilt, dann aber freigesprochen worden. Sehr charakteristisch sind die beweglichen Klagen, die der Zensor Severus in dem Schreiben an den Senat vom 24. August 1819 über Börne laut werden läßt, der ihm während fünf Monaten mehr Scherereien verursacht habe als sämtliche Frankfurter Zeitungs redakteure in neun Jahren. Von besonderem Interesse sind die Mitteilungen in dem Kapitel: Börne, Campe und die Pariser Briefe vor der Hamburger Zensur. Geiger druckt darin aus dem Hamburger Staatsarchiv drei merkwürdige Stücke ab: Börnes Kontrakt mit seinem Verleger Campe (1828), einen vermutlich zum großen Teil von Börne herrührenden Prospekt über seine Schriften (1830) und einen Brief an seinen Verleger (1831). Von wenigen Abhandlungen abgesehen, waren Börnes Ar beiten bis 1828 nur zerstreut in Zeitschriften erschienen. Als er den Plan faßte, sie zu sammeln, kam für ihn haupt sächlich Campe in Betracht. Cotta war allerdings dem Plan nicht abgeneigt gewesen; aber Börne hatte nicht zu gegriffen. In Berlin hatte Börne keinen passenden Ver leger gefunden; zudem hätte die Zensur ihm dort große Schwierigkeiten gemacht. Er ging deshalb nach Ham burg und schloß am 18. Oktober 1828 mit Campe einen Vertrag ab, nachdem er das ursprünglich geforderte Honorar von 5000 Taler auf 4000 ermäßigt hatte. Dieses Honorar sollte für seine gesammelten Schriften auf die Dauer von fünf Jahren gelten, von dem Tage der Einhändigung des letzten Teils des Druckmaterials an gerechnet. Der Um fang sollte 8 Bände oder etwa 80 Bogen betragen. Dem Verleger wurde freigestellt, die verschiedenen Bände auch einzeln zu verkaufen. Bezüglich des Textes und der Titel verzichtete der Verleger auf jede Einwirkung; er verpflichtete sich sogar, die buchhändlerische Ankündigung der Samm lung dem Verfasser zur Genehmigung zu unter breiten. Die weiteren Bestimmungen unterscheiden sich nicht von denjenigen ähnlicher Verlagsverträge. Auf fallend ist nur die letzte Bestimmung, »daß derjenige, der den Vertrag geflissentlich in irgend einem Punkte verletzen würde, zwar den verletzten Teil dadurch von allen kontrakt lichen Verpflichtungen befreit, seinerseits aber nach wie vor an den Vertrag streng gebunden bleibt«. Von dieser strengen Bestimmung wurde übrigens kein Gebrauch gemacht, obschon Börne seine Verpflichtung, spätestens bis zum 1. Januar 1830 dem Verleger die zweite Hälfte des Manuskripts druckfertig abzuliefern, nicht hielt. Die ersten 7 Bände er schienen in rascher Folge 1829 und 1830. Bei dem 8. Bande haperte es aber, und erst am 17. Januar 1831 fragte Börne von Paris aus bei Campe an, ob er seine Pariser Briefe an eine Freundin, die ursprünglich nicht für den Druck bestimmt waren, als 8. Band haben wolle. Da Campe sich einen besondern Erfolg von diesem Werk versprach, so ließ er es nicht als Rest einer bereits durch Subskription gedeckten Ausgabe, sondern als Fortsetzung, d. h. als 9. und 10. Band erscheinen. Im ganzen erschienen in dieser Ausgabe bis 1834 14 Bände. Der Subskriptionspreis für die vorgesehenen 8 Bände betrug 5 Taler; der Ladenpreis sollte später 8 Taler be tragen. Die Abnehmer hatten sich in der ersten Zeit nicht so zahlreich gemeldet, daß der Verleger damit zufrieden gewesen wäre. Als die Abnehmer ungeduldig wurden, er ließ Campe einen Prospekt, um sie zu beruhigen und um gleichzeitig noch weitere Käufer zu gewinnen. Geiger glaubt, daß der wesentliche Teil des Prospekts, der eine Charakteristik Börnes als Schriftsteller enthält, aus des Verfassers eigener Feder geflossen sei. In dem erwähnten Briefe vom 17. Januar 1831 bittet Börne seinen Verleger, ihm sofort die noch zu zahlenden 1532»