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1692 Nichtamtlicher Theil. I? 103, 4. Mai. Menge der theilnehmenden Leser minder interessante Schilderung das Resultat sein. Da zu einer solchen objectiven Schilderung die Zeit noch nicht gekommen, eben weil Las Bedürfniß der Mitlebenden noch ein ganz anderes, mehr persönlich gefärbtes ist, so war es von vr. E. Brockhaus ganz richtig gehandelt, wenn er den Weg ein schlug, auf dem er ein Werk lieferte, das für die Gegenwart vom höchsten Interesse, für den künftigen Literarhistoriker aber von quel lenmäßiger Wichtigkeit werden mußte. Cs ist dies derselbe Weg, der auch von Pcrh in seinem Leben Stcin's und vielen Andern einge schlagen worden, und der gewiß immer da der zweckmäßigere ist, wo es eiucsthcils eine Unmöglichkeit war, den unmittelbaren Ein druck der zu schildernden Persönlichkeit durch Wort und Schrift zu firiren, anderntheils die Zeit noch nicht gekommen schien, mittel bar, d. h. auf dem Wege wissenschaftlicher Kritik und historischer, künstlicher Rcproduction unbefangen ein geschichtliches Gesammtbild wiederherzustellen. Die historische Treue wird so am besten mit der historischen Kunst in Einklang gebracht. Der Inhalt nun des erschienenen ersten Theils zerfällt in vier Abschnitte, welche die „Anfänge" — origino8 —, den Aufenthalt Brockhaus' in Amsterdam, die Zeit der Uebcrsiedelung von dort nach Altcuburg und den Aufenthalt in letzterer Stadt behandeln. Die „Anfänge" beginnen mit einem genealogischen Apercu, aus dem wir ersehen, daß die Familie, welcher F. A. Brockhaus entstammt, West- phalen angchört, wo sie sich durch zwei Jahrhunderte verfolgen läßt und noch, außer dem in Leipzig ansässigen Zweige, durch mehrere Linien vertreten ist. Die meisten Glieder derselben gehörten in ihrer Heimath dem geistlichen Stande an, dem sie bis auf die neueste Zeit herab eine stattliche Reihe verdienter evangelischerPastoren lieferten. Der bedeutendste unter denselben war jedenfalls Johann Diederich Melchior Brockhaus, unseres F. A. Brockhaus' Großvater, der 1728 Pastor in Meyrich bei Kirch-Welver (zwischen Soest und Hamm) Wurde und 1775 starb. Nach den interessanten, ausführlicheren Mit theilungen, die über ihn und aus seiner Feder gemacht werden, muß er eine ebenso tüchtige wie originelle Persönlichkeit gewesen sein, das, was Goethe vorzugsweise eine „Natur" nennt, von deren ausge prägter Eigcnthümlichkeit gewiß viel auf den Enkel übcrgegangen ist. Während der zweite Sohn dieses Pastors ebenfalls den theo logischen Beruf ergriff, 1776 der Nachfolger seines Vaters in dessen Pfarramt ward, und wieder Söhne hatte, die gleichfalls Pastoren wurden und von Lenen noch Söhne und Enkel auch als evangelische Pastoren in westphälischen Gemeinden wirke», ergriff der ältere Sohn, Johann Adolf Heinrich, den kaufmännischen Stand und wurde der Stammvater des buchhändlerischen Zweiges der Familie Brockhaus. Immerhin kann demnach diese Linie beanspruchen, aus einem Stande zu stammen, der Deutschland so viele der tüchtigsten und bedeutendsten Männer geliefert hat. Jener Johann Adolf Heinrich nun gründete in Dortmund ein Eolonialwaarengeschäft, heirathete daselbst und ward Mitglied des Nathes in dieser alten freien Reichsstadt, in der er 1811 starb. Sein ältester Sohn übernahm das väterliche Geschäft, das er bis zu seinem Tode 1828 fortführte, während der jüngere Sohn unser Friedrich Arnold Brockhaus war, von dessen Lebe» und Wirken die folgenden Blätter eine kurze Skizze zu geben versuchen sollen. stcllerischen, indem diese Gedichte, der reine Ausdruck momentaner Stimmungen und bestimmter Lebensvorgänge, gar nicht zum Zwecke der Veröffentlichung gedichtet waren, vielmehr „seit Jahren in dem staubigen Winkel eines Schreines vergessen" lagen und nur auf Drängen der Freunde des Dichters endlich der literarischen Oeffent- lichkeit übergeben wurden. Sic gehören fast sämmtlich in die Elaste der Slimmungspoesien, indem auch die, welche einzelne Ereignisse und Vorgänge aus dem Leben des Dichters, Selbsterfahrenes und Gesehenes berühren und behandeln, dies nicht auf objectiv schil dernde oder rcflectirende, sondern immer auf lyrisch-stimmungsvolle Weise thun. Sic sind darum wohl sämmtlich im besten Sinne Gelcgenheitspocsien und entsprechen deshalb um so mehr der be kannten Forderung, die Goethe an jedes gute Gedicht stellte, indem er damit sagen wollte, daß es nicht willkürlich gemacht, sondern immer aus einem bestimmten factischenVerhältniß und einer daraus resultirenden Seelenstimmung hervorgegangen sein solle, mit einem Worte, daß es wahrhaft empfunden sei. Dieser durchgehende Reick thum an lebendiger Empfindung ist ein Hauptvorzug der kleinen poetischen Blumenlcse aus dem Seelenleben des Verfassers, zu dem als anderer Vorzug auch noch der einer gewandten poetischen Diction kommt, welcke die dichterische Phantasie bei der Wiedergabe ihrer Schöpfungen nie im Stich ließ: zwei Vorzüge, die sehr viele von diesen Dichtungen als besonders zur Composition geeignet erscheinen lassen. — Was nun die Art der Stimmung betrifft, die unter den 62 mitgetheiltcn Gedichten vorherrscht, so ist es unbedingt die melancholische, die Anschauung des Lebens von seinen Nacht seite». Schon der Titel „Träumereien" deutet diesen vorwaltenden melancholischen Zug an. Doch schließe man daraus ja nicht auf Monotonie; obgleich die melancholische Stimmung wie ein rother Faden sich durch alle Gedichte zieht, so ist sie doch eben nur der kennzeichnende Faden, der dabei die größte Mannigfaltigkeit erlaubt. — So möge denn das vortrefflich ausgestattete Bändchen, zumal des erwähnten milden Zweckes wegen, dem Buchhandel zu recht freundlicher Aufnahme empfohlen sein. Miöcellen. Zur Zeitungsstempelsteuer in Preußen. — In der Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses vom 20. April ant wortete Minister Camphausen auf eine Interpellation des Abg. Richter wegen Aufhebung des Zeitungs- und Kalenderstempcls: daß der Staat zwar sehr gut in der Lage sei, auf die aus der Zei tungssteuer erzielten Einnahmen zu verzichten, daß die Regierung aber bei der Ansicht beharre, Ueberschüsse zur Entlastung der min dest wohlhabenden Classcn der Bevölkerung zu verwenden, und bevor dieses Ziel nicht erreicht sei, die Regierung nicht an die Auf hebung der Zcitungssteuer denke. — Diese Erklärung veranlaßt einen Correspondenten der Elbcrfelber Zeitung zu folgenden Bemerkungen: „Im ersten Augenblick hat die vom Finanzminister abgegebene Erklärung, daß zunächst eine Entlastung der ärmeren Bevölkerung herbeizuführen sei und dann mit Aufhebung der Zeitungsstempelsteucr vorgegangen werden könne, etwas Anziehen des an sich. Wenn man aber der Sache näher auf den Grund geht, daun wird man gar bald einsehen, daß die Worte des Finanz- ministcrs aller Begründung entbehren, daß sie den schlechten Ein druck bloßer »Schönthuerei« machen. Wir dürfen uns wohl der Pflicht entschlagen, hier noch einmal die unerschöpfliche Reihe von Gründen darzulegen, welche die Ungerechtigkeit und den Wider sinn dieser Steuer Nachweisen. Weiß doch Jedermann, daß nur eine kurzsichtige, jeder Empfindung für die geistigen In teressen baarc Fiscal-Politik noch die Fortdauer einer Steuer erstreben kann, deren Berechtigung Niemand mehr zu behaup ten wagt. Wir wollen uns ohne alle Abschweifungen streng au die Erklärung des Finanzministcrs halten, um den gleichgültigen Poetische Träumereien eines Buchhändlers. 8. (VIII, 98 S.) Leipzig 1872, Weißbach. (In Comm.) Preis 20 Ngr. Eine anspruchslose und darum doch nicht wcrthlose Gabe, dop pelt anerkennungswerth deswegen, weil sie einestheils nicht der geschäftlichen Speculation dient (die fünfzig Thaler, welche bei Ab satz der kleinen Auflage zu Tage gefördert werden können, sind näm lich für den Unterstüyungsverein deutscher Buchhändler und Buch handlungsgehilfen bestimmt), anderntheils auch nicht der schrift-