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6896 Nichtamtlicher Teil. HZ 298, 23. Dezember 1889. welche nach unserer Ausdrucksweise etwa »Atlas der bekannten Welt< heißen würde. Sein Werk besteht auS 27 Karten nnt einem ausführlichen, für die Geschichte der Geographie höchst wichtigen und klar abge» faßten Text. In den, Dunkel des frühen Mittelalters wurde Ptolcmäus ganz vergessen. Die damaligen Karten waren mit wenigen Ausnahmen mit Porträts von Fürsten und allerhand Bilderkcam vollgefüllt. Als zu Anfang des XV. Jahrhundert das Werk des Ptolemäus mit vielen anderen Manuskripten aus dem nusstcrbcndcn byzantinischen Kaiserreich nach dem Westen gebracht wurde, wirkte cs wie eine epochemachende neue Entdeckung, von der die Gemüter noch mächtiger ergriffen wurden, als später von den Entdeckungen des Columbus. Nicht eine neue Welt, sondern die alte, in der man lebte, ward aus dem Dunkel gezogen, durch welches sie mehr als ein Jahrtausend hindurch dem Blick der Völker des Westens entzogen gewesen war. Bezeichnend ist es, daß im letzten Teil des XV. Jahrhundert) das Werk in siebe» prächtigen Folio-Ausgaben erschien, während die portu giesischen Asrikafahrten und die Entdeckung der neuen Welt nur zu einigen unbedeutenden, in graphischer Hinsicht stiefmütterlich behandelten Broschüren Anlaß gaben, welche zusammen nicht viel mehr Inhalt boten, als einige Foliobogen aus dem Werke des Ptolemäus. Zu der Zeit, als das Werk desselben nach dem westlichen Europa kani, war die Kenntnis der griechischen Sprache dort nur wenig verbreitet, es konnte deshalb erst in lateinischen Ueber- setzuugen zur Geltung kommen. Die erste derselben wurde von einem verdienten byzantinischen Gelehrten Emanuel Chrysolaras begonnen, jedoch erst nach dessen Tode durch Jacobus Angelus (vor 1410) vollendet. Sie geht unter dem Titel (losmoArapliia. lieber den Werl derselbe» sind die Ansichten geteilt. Außer, wie erwähnt, sieben noch vor Ende des XV. Jahr hundert gedruckten Ausgaben erschienen im XVI. Jahrhundert 33 solche. Nordenskiöld, selbst Besitzer einer großen Kartensamm- lung, hatte Gelegenheit, fast alle bekannten Ausgaben mit Muße zu prüfen, und beschreibt sie (S. 12—28) bibliographisch unter 54 Nummern, mit Bologna 1462 (?72) beginnend, mit Paris 1853 schließend. Darunter sind die Ausgaben Florenz 1478 (?) von Berlinghicri; Rom (1478) mit den Abbildungen in Metall- hvchschnilt von Sweynheim »nd Bnckiuck; Ulm (1482 und 1486); Rom (1507); Straßburg (1513) Druck von Martin Schott; Straßburg (1522 u. 1525) Druck von Joh. Grüninger, besonders nnssührlich behandelt?) Für die Wissenschaft legt Nordenskiöld wenig Gewicht auf die Ausgaben vor 1478, als unzuverlässig, und aus die nach 1508, als zu sehr »verbessert«, wie Mercator sich ansdrückt: aä montvm uuetoria re8lituta.6 ot oweiiclatov. Drei zehn der Ausgaben sind mit Holzschnitten, dreiundzwanzig mit Kupferstichen versehen, einige sind nicht illustriert. Mit aller Bewunderung für die Vorzüge des Ptolemäus untcr- läßt Nordenskiöld keineswegs die vielen Mängel ausznsprechcn, die auch bei einem Werk dieser Art zu damaliger Zeit gar nicht zu vermeiden waren und die sich besonders bei der Ausfassung des Verhältnisses des Landes zum Meere geltend machen und dann in der zu großen Ausdehnung der Karten nach Osten und Westen, die namentlich dadurch entstanden ist, daß Ptolcmäus bei Bestim mung der Länge eines Breitengrades 500 Stadien statt 700 auf den Grad rechnet, wodurch dann wieder die Abstände im Norden und Süden des Acguators zu klein werden. Die Seefahrer waren die ersten, welche diese Fehler bemerkten. Ein bedeutender Irr tum war ebenfalls die Annahme von einer großen »tsrra in- cvAnita« am Südpol, welche Südafrika mit der Südostküste von Asien verbinden sollte, so daß das indische Meer ein Binnensee wurde. Der indischen Halbinsel war eine ganz verkehrte Gestalt gegeben, indem sic nur sehr wenig über die sonstige Südküste Asiens hcrvorragte, wogegen die Insel Ceylon (laprobans) ») Die Ausgaben des Ptolemäus sind besonders sorgfältig beschrieben von Justin Winsor, Cambridge, Mass. 1884. zu einer der größten Inseln der Welt gemacht wurde. Die Nord grenze Asiens schneidet scharf mit dem 63. Grad ab; was dar über hinausgeht, »ist nicht«. Der Norden Europas schließt statt mit der skandinavischen Halbinsel, mit den Inseln Soanäia. und Pbulo ab; Schottland hat eine enorme Ausdehnung nach Osten hin. Die Entfernung zwischen der Ostsee und dem Asowschen Meere ist bis auf den dritten Teil reduziert und mitten durch die ungeheure russische Ebene ziehen sich mächtige Alpenketten. Und doch galt das Werk durch einen Zeitraum von fast andcrthalbtausend Jahren als ein unentbehrliches Meisterstück und sein Ansehen war ein sehr großes. Noch heutigen Tages bleibt es durch seinen Reichtum an Details eine unschätzbare Quelle der Kenntnis der Geographie und Geschichte des Altertums, vor allem bei dem Studium der ältesten Geschichte der wilden Völker, welche zum Beginn unserer Zeitrechnung das römische Reich umgaben und später die Bannerträger der Civilisation wurden. Ja, das An sehen des Werkes (aber wohl auch die Gedankenlosigkeit der Bearbeiter) war so groß, daß man die tarra inooAoita am Südpol bestehen ließ, selbst nach der Ilmschiffung Afrikas durch Bartholomäo Diaz und Vasco di Gama. Das vierte Kapitel behandelt die alten, nicht Ptolemäi- schen Karten, von denen 22 ausführlich beschrieben werden. Zugleich giebt der Verfasser Winke über die in größerer Anzahl angcfertigten und verbreiteten Handzeichnnugen, insofern sie einen Einfluß auf die Litleratur der gedruckten Karten ausgeübt haben. Die Zahl solcher Karten ist eine große, sie können jedoch in 4 ziem lich scharf getrennte Gruppen zusammengefaßt werden: 1) arabi sche Karten; 2) europäische Karten des Mittelalters, die sich weder auf Ptolemäus noch ans Küsten(Portolan-) Karten be gründen; 3) Seekarten aus dem Mittelalter, (Küsten-Kompaß- und Loxodromkarten); 4) Küsten-Welt karten. Im fünften Kapitel beschäftigt sich der Verfasser- hauptsächlich mit den Unrichtigkeiten der Ansichten des Ptolemäus über den Norden Europas und mit den Karten, durch welche richtigere Ansichten nach und nach verbreitet wurden. Unter diesen befindet sich die des gelehrten schwedischen Bischofs Olsrm NaZnus, welche 1539 zu Venedig in 9 großen Blättern, zu sammen in dem Umfang von 1 in 70 am: 1 in 25 am erschien. Diese Karte war lange Zeit verschwunden, wurde jedoch in Mün chen wieder entdeckt und 1886 in verkleinertem Maßstab von vr. Oscar Brenner in Nr. 15 der Ollristiania Vickenlrads Lalskads §or- llanälinxsr reproduziert. Eine Reproduktion in der Originalgröße wurde später durch den Bibliothekar G. E. Klemming in Stock holm veranstaltet. Wenn diese Karte sich auch, was die Aus führung betrifft, mit den Sweynheim-Buckinckschen Karten nicht messen kann, so bleibt sie doch, was die Größe und den Reichtum an geographischen und ethnographischen Details betrifft, die her vorragendste Erscheinung der kartographischen Jnknnabelzeit. Die ersten Karten der neuen Welt, die tabulae novao, er schienen in der Ausgabe des Ptolemäus von 1513. Man stellt sich gewöhnlich vor, daß die weltumwälzenden Entdeckungen der Portugiesen und des Columbus aus alle Völker Europas einen mächtigen Eindruck hätten machen müssen, oder, daß wenigstens die Staatsmänner und die Gelehrten den Wert der Entdeckung von Ländern, deren fruchtbare Gefilde die schönsten Produkte lieferten und die Platz für viele Millionen Menschen des bereits damals überfüllten Europas boten, vollständig begriffen haben würden. Jedoch das Gegenteil davon war der Fall. Was Amerika an Stofs für die Litteratnr bot, hat Henry Harisse in seinen bibliographischen Werken über das alte Amerika gesammelt*). Es werden zwar 432 Druckwerke angeführt, sie bieten aber alles in allem kaum den Stoff eines mäßigen Bandes. Was Afrika und Asien betrifft, so ist die Litleratur zwar an äußerem Umsang eine noch ausgedehntere, die geographische und sonstige wissenschaftliche *) LibliotlleCL Xmerienus, vetu8ti»siruu,. Usv Voilr 1866. Xäcki- tions k»ri» 1872.