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6898 Nichtamtlicher Teil. 298, 23. Dezember 1889. bliknm aufrechncn können Wien ist dann buchhändlcrisch zur Seite gedrückt, der -Transitoverkehr-' bedeutet Umgehung des österreichischen Buchhandels, und die ausländischen Verleger, welche bisher franko Wien sandten, werden alles künftig direkt nach Budapest schicken. Damit gleichzeitig entfällt auch sür den ungarischen Buchhandel mehr und mehr die Notwendigkeit, Wien als Kommissionsplatz zu benützen, man vermeidet die österreichische Litteratur und bezieht, gleichzeitig mit den Zeitschriften, mit Vorliebe deutsche Bücher aus Leipzig oder Stuttgart, Die Konsequenzen dieses Erlasses sind somit für unseren Buchhandel verhängnisvoll, vernichtend und kaum abzusehen. Der Sortimentsbuchhandel leidet im allgemeinen mit unter den geschilderten Kalamitäten, sein Verkehr nach Außerösterrcich wird vollständig unterbunden und ihn trifft außerdem noch der direkte Verlust, daß — nachdem jene Journale ausnahmslos von Oktober bis September laufen — ihm die Möglichkeit genommen ist, für die im voraus berechneten Abonnemcntsgebühren eine Stempelnachzahlung für die nächsten neun Monate zu berechnen. Außerhalb Oesterreichs würde diese Berechnung nebstbei unter allen Umständen nicht anerkannt werden. Der Vertrieb der Monatshefte geschah bisher in der Weise, daß große Partieen der ersten Hefte derselben gratis geliefert wurden: diese gab der Buchhändler gratis an seine Kolporteure und Wiederverkäufen weiter, und letztere suchten neue Abonnenten zu gewinnen, dem Buch handel zuzuführen. Da unsere Zollbehörden den Begriff Probenummer, folglich zukünftig auch Probeheft, in der buchhändlcrisch einzig verwert baren Form nicht anerkennen, ist bei cintretender Stempeipflicht der Heftnusgabcn auch der Vertrieb vollständig unmöglich, da niemand die Stempelgebührcn sür Vertriebsmaterial, welches gratis wcitcrgcgeben werden muß und durch welches oft erst auf zehn Probehefte ein Abonnent gewonnen wird, erschwingen kann. Nicht vergessen darf werden, daß von allen diesen Hcftausgabcn im Buchhandel ein großes Lager gehalten werden muß: und da uicht alles verkauft wird, viel an die Verleger re- tournirt, von diesen zurückgenommen oder umgetauscht werden muß, so müßten sich Verluste an ausgclegtcn Stempelgebührcn ergeben, welche den Verdienst schmälern oder ganz aufheben würden! Das größte Unheil aber droht der gesamten buchhändlerischen Organisation, Welche auf dem Sammelu der Pakete und Weiter beförderung derselben in vereintem Zustande beruht. Nicht nur, daß sich künftig die größten Deklarations - Schwierigkeiten vornehmlich bei den Leipziger Kommissionären ergeben müssen, die den Inhalt der Pakete gar nicht kennen, noch zu prüfen verpflichtet sind, nicht nur, daß künftig jeder Ballen aus Leipzig ein Konglomerat von stempelpflichtigen und nichtstempelpftichtigc» Objekten enthalten wird, ist vor allen Dingen der bnchhändlcrische Verkehr in Wien selbst, seinen ganzen Grundlage beraubt. Die direkten Ballen der Verleger nach Wien, mit Heften von Familien- Zeitschriften, enthalten oft Hunderte von kleinen Päckchen sür die einzelne» österreichischen (und ungarischen) Firmen, welche dann an die Empfänger oder deren Kommissionäre verteilt und von letzteren weiter befördert werden. In Zukunft ist diese, bei der Kleinlichkeit unseres Verkehrs maßgebende Ein richtung zerstört, nichts kann verpackt ankommen, alles mußvorher abgestempelt werden, und der Staatsschatz hat, gegenüber einer durch die-beabsichtigte Stempelung der Monatshefte ganz verschwindenden Einnahme, den Vor wurf auf sich geladen, die ganzen Verkehrseinrichtungen des österreichischen Buchhandels zerstört, diesem unheilbaren Schaden zugcfügt und dem Ein zelnen durch die unausbleiblichen enormen Zeitverluste der Stempelung, Opfer an Personallöhne» verursacht zu haben, welche jene des Stempels noch übersteigen. Die Ausregung, welche die beabsichtigte St empelpflicht der Journal- heftausgabcn in allen Kreisen des österreichischen Buchhandels Hervorrust, ist eine beispiellose und wohl begreifliche; fühlen wir doch alle die Grund lagen unserer geschäftlichen Existenz bedroht, einer Existenz, welche an und sür sich bereits eine sehr schwierige geworden ist. Es darf als bekannt vorausgesetzt werden, daß das buchhändlerische Geschäft im allgemeinen einen sehr geringen Gewinn abwirst, welcher in gar keinem Verhältnis zu der aufzuwendenden, rastlosen und aufreibenden Arbeit steht. Wenige große Geschäfte ausgenommen, Welche aber auch eine sorgenvolle Existenz führen, fristen die meisten Buchhändler bei uns ein kümmerliches Dasein. Die Ursachen dieser Kalamität liegen haupt sächlich in der großen Konkurrenz, namentlich der Tcilkonzessionäre, in den hohen Mietzinsen, Steuern und Regien, sowie in der Staatskon kurrenz, Die Teilkonzessionen, welche gegen eine Steuer von 5—10 fl. ins Endlose erteilt werden, nehmen dem hochbesteuerten Buchhändler seine besten Brodartikel weg. Die Steuern in Oesterreich sind hoch und wurden für den Buchhandel in den letzte» Jahren, trotz seines notorischen Rück ganges, endlos erhöht. Die Mietzinse und Regien leiden unter denselben Umständen, sind heute bereits unerschwinglich. Die staatliche Konkurrenz der k, k, Schulbüc! er-Verläge, der k, k, Hof- und Staatsdruckerei, des k. k, militär-geographischen Institutes, entzieht den österreichischen Ver legern eine große Anzahl Verlagsartikcl, welche sicheren Gewinn bringen würden, und die damit zusammenhängenden staatlichen Monopole greisen tief in die Interessensphäre des österreichischen Buchhandels und schädigen dieselbe nach allen Richtungen, Auch in der, in letzter Zeit wiederholt erfolgten staatlichen Genehmigung, ausländische Zeitschriften nach ein facher Erfüllung der preßgcsetzlichen Formalitäten seitens der ausländischen Verleger in Oesterreich mit ZeKungswarkrn als einheimische Unter nehmungen versenden zu dürfen, erblickt der Buchhandel keinen Fort schritt, der österreichische Verlagshandcl aber nur eine Schädigung seiner Interessen, welche ihn des letzten Vorteiles in dieser Richtung gegenüber dem Auslande beraubt. Die Zollmanipulatione», welche in den letzten Jahren ihre ganze Schärfe gegen den kleinlichen österreichischen Buchhandel kehrten, dürfen an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, da in ihrer jetzigen Hand habung, bar jeder Geschäftskenntnis und jeder begründeten Rücksicht, jedes billigen Einsehens, eine der ersten Ursachen des Niederganges unseres Buchhandels zu suchen ist, Die Klagen des Buchhandels über diese Ver hältnisse sind ebenso gerecht als zahllos und die oft genug ganz unver schuldeten, ungerechtfertigte» Erschwerungen und Strafen zeitigen ein Ge fühl allgemeiner Mutlosigkeit, Hilflosigkeit und verletzen das Rechtsgesühl des Einzelnen wie der Gesamtheit. Der Buchhandel ist ein schweres, kleinliches und undankbares Ge schäft, aber unser Verkehr bleibt trotzdem ein internationaler — und wenn wir den blühenden Buchhandel anderer Länder, speziell jenen des Deutschen Reiches betrachten, seine freie Bewegung, das Emporblühcn seiner Leistungen, den Wohlstand unserer dortigen Berufsgenosscn mit unseren einheimischen buchhändlerischen Behältnissen vergleichen, so bleibt uns nichts als das Gefühl tiefster Wehmut, Aus diesem allen geht hervor, daß der österreichische Buchhandel ein wahres Stiefkind der hohen Regierung ist, und es möge uns wohl ge stattet sein zu bemerken, wie gefährlich cs wäre, diesem so sehr bedrängten Stande noch neue Lasten und Schwierigkeiten anfzubürden Wenn die hohe Regierung wünscht, daß der österreichische Staat einen blühenden Buchhandel besitze, der Oesterreich zur Ehre gereiche, dann ist es auch notwendig, daß er von den vielen Hemmschuhen befreit werde, welche seiner kräftigen Entfaltung hindernd im Wege stehen, Ei» solcher Hemm schuh aber und geradezu die Vernichtung vieler buchhändlerischcn Existenzen und unserer gesamten Verkehrs-Einrichtungen wäre die Stempelung der Journal-Hcftausgaben, und deshalb bitten wir im Namen des ganzen österreichischen Buchhandels: Das hohe k. k. Finanz-Ministerium geruhe im Einverständnis mit dem hohen k, k, Ministerium des Innern zu verordnen, daß wie seit dreißig Jahren, auch in Zukunft von der Stempelung der Halbmonats und Monatshefte der ausländischen, wie der inländischen Zeitschriften ab gesehen werde, sofern dieselben in ihre Programme, neben den in Wochen- nummcrn stcmpelpflichtig erscheinenden Ausgaben, gleichzeitig auch die Veranstaltung von halbmonatlichen oder monatlichen Heftausgaben aus genommen haben. Mit ausgezeichneter Hochachtung verharren eines hohen k. k, Finanz-Ministerium ergebenste: Der Verein der österreichisch-ungarischen Buchhändler. (Unterschriften.) Die Corporation der Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhändler. Wien, 12, Dezember 1889. (Unterschriften.) Zum Artikel -Graphische Notizen- in Nr, 280 d. Bl, — Wir empfingen die nachfolgende Erklärung unseres verehrten Berufsgenossen Herrn E, I. Brill in Leiden, der sich zu unserem aufrichtigen Bedauern durch eine Bemerkung in einem Artikel -Graphische Notizen- von Theodor Goebel in Nr. 280 unseres Blattes verletzt fühlt. Indem wir dieser Entgegnung bereitwillig Raum geben, glauben wir sür de» Verfasser des Artikels unbedenklich mit der Versicherung eintreten zu dürfen, daß ihm bei seiner Bemerkung irgendwelche übelwollende Absicht gewiß fern ge legen hat, wie auch unsererseits die Bemerkung nicht überwollend auf gefaßt und darum redaktionell nicht beanstandet wurde, Herr Brill schreibt: Erklär« ng. In Nr, 280 des Buchhändler-Börsenblattes behandelt Herr Th. Goebel in Stuttgart in einem »Graphische Notizen- überschricbenen Artikel u, a, auch sehr eingehend das in meiner Offizin hergestellte Menu des dem Orientalistcn-Kongreß zu Stockholm gegebenen Diners, Er that das im ganzen mit so viel Lob und Anerkennung, daß ich ihm, was den sachlichen und weitaus größeren Teil seiner Besprechung anbelangt, gewiß nur dairkbar sein könnte und keinerlei Grund zu einer Entgegnung hätte. Weniger aber kann ich dazu schweigen, wenn er am Schlüsse sagt: der Drucker würde sich besonderer Leistungsfähigkeit rühmen dürfen, wenn alle in dem Menu zur Verwendung gekommenen Schriften in seiner Druckerei zu finden wären, was aber, wie ihm (dein Autors bekannt geworden, nicht der Fall sei, und was an einer Stelle der Schrift zu bemerken wohl nicht unangemessen gewesen wäre, auch das Verdienst der Her stellung dieses Menu-Unikums nicht verringert hätte. Man wisse zwar, daß es in Holland nicht wenige, in orientalischem Druck sehr leistungs fähige Offizinen gebe — dieses Menu mit der einfachen Leidener Druck firma könne aber doch leicht zu falschen Schlüssen verleiten in Bezug auf die Ausdehnung dieser Leistungsfähigkeit. Ich glaube, daß es gerade umgekehrt diese anscheinend von nicht zu viel Wohlwollen eingegebene Abhandlung ist, die den mit den Verhält nissen meiner Druckerei nicht bekannten Leser zu falschen Schlüssen über