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130, 9. Juni 1909. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 6893 heutigen Verhältnissen angepaßt werden müssen. Die heutige Vorlage ist sehr zu begrüßen, sie hat das Richtige getroffen, die literarische und künstlerische Produktion wird dadurch nicht ge troffen werden. Speziell ist zu hoffen, daß auch die schädlichen kinematographischen Vorstellungen durch diese Vorlage getroffen werden. Auch A. Raillard begrüßt die beiden neuen Paragraphen. Es ist hohe Zeit, daß etwas zum Schutze der Jugend in dieser Richtung geschieht. Speziell ist auch die schärfere Kontrolle der kinematographischen Vorstellungen zu begrüßen. Der Redner verweist auf die Aufwendungen zur Bekämpfung der Tuberkulose; ebenso notwendig ist der geistige und sittliche Schutz der Jugend. — Angst ist ebenfalls für den Antrag, äußert aber einige Be denken in bezug auf die Vorschläge. Er vermißt die Bezeichnung der Beamtenstelle, die die Qualifikation der Schriften und Bilder durchführen soll. Die Ansichten über das, was anstößig ist, gehen auseinander; es wird nicht so leicht sein, die Grenze zu ziehen. Gut wäre auch ein Appell an die Eltern, daß sie besser aufpassen auf die Lektüre ihrer Kinder. Ferner empfiehlt sich die bessere Aus stattung derJugendbibliotheken und die Beschaffung von sogenannter Klassenlektüre. — vr. Schär äußert Bedenken; man hat s. Z. im Strafgericht gefunden, daß inbezug auf anstößige Schriften und Bilder der Polizei möglichst wenig diskretionäre Gewalt einge räumt werden soll. Nach Z 98 können, wenn er strikte nach dem Wortlaut angewendet wird, Bestrafungen erfolgen, die nicht richtig wären. Daß man Geldbußen und Gefängnis in Aussicht nimmt, ist ein neues Prinzip. Sodann sollte man sich hüten, dem Staate allzu große Polizeigewalt einzuräumen. Eine Sachverständigen kommission sollte da sein, und erst nach deren Begutachtung eine Bestrafung erfolgen können. — vr. I. Jselin fragt an, warum in § 57 nicht von Aufführungen gesprochen wird; es gibt doch entschieden auch Aufführungen, die, wenn auch nicht unzüchtig, so doch anstößig sind und verboten werden sollten. — vr. Feigen winter erklärt, daß auch seine Fraktion mit diesen Bestrebungen einverstanden sei. Doch möge man sich nicht allzuviel von diesen Gesetzesparagraphen versprechen. Man soll vom Staat nicht alles verlangen; wo Familie, Schule und Presse versagen, hilft der Staat nicht. Das Wichtigste, die Grundlage aller Sittlichkeit, ist das religiöse Gefühl. Wollte man alles erreichen, was heute er strebt wird, so brauchte man die Zensur. Aber besser ist das Vorgeschlagene, als gar nichts.—Jeggli meint, daß die beiden vorgeschlagenen Paragraphen wenig helfen werden, die Schund literatur zu bekämpfen. Auch wenn es gelänge, hier den Verkauf der Schundliteratur zu verhindern, so holte sie die Jugend in den Nachbarorten. Doch will der Redner die Paragraphen nicht be kämpfen, wünscht aber, daß in positiver Beziehung mehr geleistet werde durch bessere Versorgung der Jugendbibliotheken mit guter aktueller Lektüre. Bezüglich der Kinematographen wünscht der Redner ein völliges Verbot des Besuchs durch die Jugend, außer in speziellen Jugendvorstellungen. — Redakteur Frei ist kein Freund der Vorlage. Es muß der Erziehung anheimgegeben werden, was sie in dieser Beziehung zu leisten vermag. Man sollte der Jugend begreiflich machen, wie sie sich geistig und leiblich schädigt durch solche Lektüre. Schule und Haus müssen da zusammen wirken. Durch solche Strafbestimmungen schafft man nur verbotene Früchte, die am meisten reizen. Schuld an der Schundliteratur ist auch der Kapitalismus, die Prositsucht. Auch die Zeitungen tun zu wenig zur Bekämpfung dieser Literatur. Der Referent, Negierungsrat C. Ehr. Burckhardt, hält bei jeder Gesetzgebung dafür, daß zu machen ist, was zurzeit not wendig und erreichbar ist. Die einen erwarteten sehr viel, andere gar nichts von der Vorlage. Diese ist nichts weiter als ein kleiner Ausschnitt aus dem Jugendschutz. Es ist ja ein ganz interessanter Standpunkt, Strafgesetze machen die Leute nur lüstern. Dann könnten wir ja alle Strafgesetze abschasfen. Es handelt sich bei unserer Vorlage nicht darum, was alles getan werden könnte, sondern nur um eine Repressivmaßregel. Herrn Angst ist zu er widern, daß es selbstverständlich Sache des Richters ist, zu be stimmen, was anstößig ist und was nicht. Die Vorlage entspricht nicht in allem den Vorschlägen des Strafgerichts, aber deshalb ist sie doch nicht so gefährlich, wie Herr vr. Schär gemeint hat, der hier merkwürdig konservative Anschauungen vorgetragen hat. Eintreten (Annahme des Antrags) wird ohne Gegenantrag beschlossen. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 76. Jahrgang. Bei der Detailberatung beanstandet vr. Brodbeck in Absatz 2 von § 98n. die Bestrafung mit Gefängnis und Geldbuße. Der Referent erwidert, daß ohne das »und« der Absatz überflüssig wäre. Nun sind aber für solche Wucher- und Ausbeutungsge schäfte gerade die Geldbußen sehr angezeigt, weil diese Leute die Geldbußen am stärksten empfinden, und zugleich ist für die Über tretung des Gesetzes durch die Handlung gegenüber Jugendlichen Haft angezeigt. — § 98a wird ohne Gegenantrag gutgeheißen. — Zu § 57 bemerkt der Referent, daß absichtlich das Wort an stößig gewählt worden sei, weil da nicht nur das Geschlechtliche darunter fällt, sondern auch die ganze Schundliteratur. — Red. Frei macht darauf aufmerksam, daß Mädchen nur bis zum 16. Jahr vor Verführung geschützt werden, während hier der Schutz bis aufs 18. Jahr ausgedehnt wird. Der Referent er widert, daß es ihn sehr freue, wenn der Schutz der Mädchen vor Verführung bis aufs 18. Jahr ausgedehnt werde. § 57 wird eben falls ohne Gegenantrag angenommen. Unzüchtige oder künstlerische Postkarten? (Entscheidung des Reichsgerichts.) Nachdruck verboten. — Unzüchtige Post karten feilgehalten zu haben war der Papierwarenhändler PH. Rosenfeld in Berlin beschuldigt. Das Landgericht I hat ihn am 3. März zwar freigesprochen, aber angeordnet, daß die inkrimi- nierten und als objektiv unzüchtig angesehenen Ansichtspostkarten einzuziehen seien. Von sechs Karten der Serie »Erika« wurden vier, darunter »Najade« und »Kleopatra«, als unzüchtig angesehen. Diese Bilder bringen nicht, so heißt es im Urteile, eine allegorische Idee zum Ausdruck, sondern stellen nur in verschiedenen Posen nackte Frauenkörper dar. Mag auch der Schöpfer der Bilder mit ihnen einen ästhetischen Zweck verfolgt haben und mögen auch die Entwürfe des Schöpfers sich an bekannte Meisterwerke anlehnen, so kann ihnen doch künstlerischer Wert in keiner Weise zugesprochen werden. Hierzu kommt noch, daß die Karten als Massenartikel hergestellt werden und für wenige Pfennige jeder mann zugänglich sind. Auf den Karten tritt das Sinnliche, wie es in nackten Frauenkörpern liegt, die lüsterne Haltung usw. in den Vordergrund. Diese Karten sind deshalb als unzüchtig ange sehen worden Die Karten »Windsbraut« und »Liebestraum« sind nicht unzüchtig, denn sie bringen eine Allegorie zur Dar stellung, so daß das Nicht-Künstlerische in den Hintergrund tritt. — Gegen das Urteil hatte der freigesprochene Angeklagte Re vision eingelegt, weil er der Ansicht war, daß die Karten zu Unrecht als unzüchtig angesehen und eingezogen worden sind. Das Landgericht habe verkannt, daß nach der geltenden Recht sprechung die Darstellung des nackten Menschenkörpers einem Bilde noch nicht den Charakter der Unzüchtigkeit verleihe. — Das Reichsgericht erkannte jedoch auf Verwerfung der Revision, da das Urteil keinen Rechtsirrtum erkennen lasse. L- Aktiengesellschaft Aristophot in Tancha. — Auf Blatt 108 des Handelsregisters (Firma Aktiengesellschaft Aristophot in Taucha) ist folgender Berichtigungseintrag bewirkt worden: Das Grundkapital soll auf äußerst 121000 ^ (einhundert einundzwanzigtausend Mark) herabgesetzt und alsdann um einen solchen Betrag erhöht werden, daß es künftighin 626 000 (fünfhundertsechsundzwanzigtausend Mark) beträgt. Die danach stattfindende Erhöhung des Grundkapitals um äußerst 405 000 (vierhundertfünftausend Mark) soll durchgeführt werden durch Ausgabe von äußerst 405 Inhaberaktien zum Nennwerte von je 1000 ^ (eintausend Mark). Taucha, den 4. Juni 1909. Königliches Amtsgericht. (Leip. Ztg. Nr. 128 vom 7. Juni 1909.) Verlag des geschäftskundigen Kaufmanns, G. m. b. H. in Leipzig. Handelsregistereintrag. — In das Handelsregister ist heute auf Blatt 14065 die Firma Verlag des geschäfts kundigen Kaufmanns, Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Leipzig eingetragen und weiter folgendes verlaut bart worden: Der Gesellschaftsvertrag ist am 17. Mai 1909 abgeschlossen worden. — Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb von 896