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213, 2l. September 1920. Redaktloneller Teil. Börsenblatt f. d. Dkschn. Vuchhandev ihre Basis hat. Diese gibt auch der spezialisierieslen Buchhandlung das (wirrschaftiiche) taiveau. Dl« Bezeichnungen: Wissen schaf l l i ch e s (medizinisches, juristisches, pädagogisches) Sor timent und literarisches Sortiment, K u n >t-Sortiment sind nur Unterstreichungen der Ziele, nicht aber starre Festlegun gen der Kräfte. Das wäre ein Kulturschaden. So nachteilig es ist, daß ein Interessent die für ihn spezifisch wichtigen Bücher sich säst nirgends zusammen borlegen lassen und beschassen kann, so falsch wäre eine Entwicklung, die etwa dazu führen würde, daß der gleiche Käufer, wenn seine Interessen sich gelegentlich auch anderen verschiedensten Literalurgebieien zuwenden, von einer Spczialbuchhandlung zur andern lausen müßte, um seinen allge meineren Bedarf zu decken. Dann müßte man ja zwischen Sorti ment und Käuserschaft auch so etwas wie einen Kommisstonär- belrieb einrichien. Eine solche Spezialisierung wäre für die Käufer, die Erzeuger und die Händler schädigend und kulturell unhaltbar. Sie würde, bis in das Extrem entwickelt, dahin füh ren, daß die Abnehmer die nächsten, d. h. direkten Wege zum Endpunkte der Spezialisierung (jedes Buch ist in sich eine Spe zialität!) einschlügen, zum Verlage, und ln dem erfolgt bereits jetzt eine immer schärfere Spezialisierung, die konzentrische Kraft schon heutzutage bis aus die Abnehmerschaft ausübt und an ziehenden Einfluß gewann. So streng wie der Verlag kann das Sortiment nie speziali sieren, und darin mit ihm in Wettbewerb treten zu wollen, die spezialisierte Wirkung des Verlags auf die (schreibenden und, immer mehr, auch auf die kaufenden) Interessentenkreise, etwa durch eine Spezialisierung des Handels übertrumpfen zu wollen, das wäre ein Unsinn. Das Sortiment muß nach zwei Seiten hin spezialisieren: einmal seinen Einkauf und dann seinen Verkauf. 8. Freilich in ersterer Hinsicht mutz das spezialisierte Sortiment sich nach der fortschreitenden Spezialisierung des Verlags richten. Denn die schärfere Gliederung des Verlags nach (und innerhalb der wissenschaftlichen) Ltteraturgebieten ist ein kultureller Vor teil, den man nicht durch die Spezialisierung des Sortiments aufheben, überflüssig machen kann, sondern man mutz ihn durch die letztere vervollkommnen, und das ist notwendig, weil die Spezialisierung in beiden Teilen des Buchwesens eine Not wendigkeit im künftigen verarmten Deutschland sein wird. Unsere Literatur war bisher ein Überschutz-Unternehmen, eine kulturelle Bilanz, die ein paar negative (dunkle) Positionen vertrug, eine kulturelle Maschine, die einige Leerlauffunktionen sich leisten konnte. Das wird künftig anders sein, anders werden müssen. Erst wird die Aktivseite der Bilanzseite zu füllen sein. Die Maschine (der literarische Organismus) wird arbeiten müs sen, und dazu wird man sie von den krastvergeudenden Verrich tungen entlasten müssen. Der Buchhandel wird das nicht nur zu ertragen, sondern auch dazu beizutragen haben. Er wird, so gut er kann, und soweit es das Objekt der Kultur, das Publikum, erlaubt, die Auchliteratur hinwegspezialisieren müssen und den bleibenden, schaffenden Kräften ein möglichst reibungsfreies, aus gedehntes Wirkungsfeld zu erschließen und zu sichern haben. Die Autoren müssen die nötigen Stoffe und Kräfte liefern, die Ver leger müssen die gediegensten, edelsten und stärksten Energien einschallen und die richtigen Räder, Hebel und Hämmer ein- fllgen; die Sortimenter haben dafür zu sorgen, daß der mäch tige, komplizierte Apparat leichten Gang und große Wirkung hat und den notwendigen kulturellen Nutzen zu leisten vermag. Die Arbeit muß der Gesamtheit nützen und auch, weil das dazu not wendig ist, das Leben und Gedeihen der treibenden und mil übenden Kräfte ermöglichen. Diese beiden Belange fordern, daß l. der Erfolg durch konzentrische Entfaltung angestrebt wird, und datz an ihm nur wirklich nützliche Kräfte Anteil nehmen und Anteil haben. Es ist also ein« Spezialisierung der Arbeit und des Ertrags notwendig, und das gilt innerhalb jeder mittätigen Kraftgruppe, also auch für das Sortiment. Das soll nicht nur spezialisieren, um den Verlegern einen möglichst großen und einträglichen Absatz zu erringen, und auch nicht nur, um den Käufern und solchen, die es werden wollen, und denen, die es überhaupt noch bleiben können, den Büchererwerb möglichst be quem zu machen, sondern auch um in seinen eigenen Reihen ! jedem den gebührenden Ertrag seiner kulturwichtigen Arbeit zu I sichern. 9. ' Im Buchhandel besteht eine gewisse Wechselwirkung zwi schen dem Werte der Arbeit und der freilich nie über ein be scheidenes Matz hinauskommenden Höhe des Ertrags. Aber eben weil der real« wirtschaftlich-bestimmbare Lohn selbst in günstigen Konjunkturen nicht die Höhe erreicht, um der kulturellen Arbeit entsagen zu können (wenn man es möchte), mutz man dafür sorgen, daß man wenigstens diese weiterhin sortsctzen kann. Es kommt gleichermaßen auf die stabile Kontinuität der I Leistung, wip der des Ertrags an. Auch das gilt für alle im Buchwesen tätigen Kräfte, auch für das Sortiment, und in dieser Hinsicht kann und mutz eine Spezialisierung zu günstiger Wirkung gebracht werden. Verlag und Sortiment haben jetzt eine Kon junktur, eine gute Geschäftszeit hinter sich, aber wo wären sie heute, zwei Monate nach dem Einbrüche der Wirtschaftsdämme. ' rung, wenn sie nicht den Willen und die Möglichkeit zu ruhiger Weiterentwicklung hätten und nicht den Mm aufbrächten, diese ^ mit Wiedererweckung alter bewährter Maßnahmen und vor allem ! mit neuen Mitteln und Methoden anzustreben, wenn man nicht die Möglichkeit hätte oder empfände, aus neuen Wegen doch ^ wieder zu einem neuen Ziele zu gelangen, mag es auch in noch so weiter Ferne scheinen und kaum wie eine Konjunktur aussehen. Wird man überhaupt im Buchhandel nach den gemachten Er fahrungen noch Konjunkturen zu schätzen, zu wünschen vermögen? !Es war doch ein Gelegenhcitsgeschäst, und man kann schon sa- Hcn, daß der Buchhandel von Gelegenheitsgeschäften nicht satt wird. Das beruht auf leicht erratbaren Ursachen und läßt fol gern, datz der Buchhandel nur auf Grund einer stetigen, geraden ! Entwicklung zu leben und am besten zu wirken vermag. So gut j Konjunkturen in der Kultur nur Ausartungserscheinungen sind !oder doch jedenfalls zur Folge haben, so wenig sind sie auch Gipfelpunkte des buchhändlerischen Geschäfts. Möchte der Buchhandel sich auf Konjunkturen einstellen, so brauchte weder Verlag noch - Sortiment sich nach Lite- ?raturgebieten zu spezialisieren. Der ganze Buchhandel ! würde dann — spekulativ — nach Zeit spezialisieren, nach ! dem Kalender, nach hohen Festtagen, nach Semesteranfängen und ! ähnlichen, mehr oder weniger periodisch erscheinenden Geschäfts- ' gelegenhetten. kV. In Wirklichkeit kann und wird man als höchsten, notwen- I digsten und wertvollsten Zweck der Spezialisierung im Verlag wie im Sortiment anstreben und rühmen, datz durch sie eine bestän dige, gleichmäßig befruchtende Entfaltung und Entwicklung des Buchwesens und aller mit ihm kulturell und wirtschaftlich ver bundenen Wirtschafts, und Kulturkreise ermöglicht, gewährleistet wird. Dieser schöne Zweck erfordert vor allem auch, datz zwischen den das Buchwesen tragenden Wirtschaftszweigen Spannungen vermieden werden. Stehen diese Gruppen gegeneinander in Kampfstellung, so kommt natürlich innerhalb keiner eine ruhige planmäßige Teilung nach Ausgaben zuwege, weil jede solche Tendenz belastet ist durch die nach außen zu beobachtende unbe dingte Geschlossenheit der Gesamtgruppe, und vor allem weil während solcher Krisen die allgemeine Atmosphäre verständnis willigen Verhandlungcn/freien Entschlüssen-und der klaren För derung neuer Ziele nicht günstig ist. Vor allem aber ist folgendes zu betonen: Wenn im Sortiment die Spezialisierung schärfer erfolgt, so entstehen naturgemäß zwi schen den Verlegern und Ladenbuchhändlern der gleichen Lite raturrichtung, desselben Wissenschaftsgebietes besonders nahe Jn- teressenbindungen. Andernfalls wäre die Spezialisierung beider Teile ein erbärmliches Stückwerk, von dem diesseitigen Teil nur ^uf Kosten des Gezenparts gemacht, statt daß die beiderseitigen .Bestrebungen gerade vom gemeinsamen Willen getragen sind und !auf einen gemeinsamen Nutzen Hinzielen. Diese Jnteressen- ! bindungen sind geradezu eine Voraussetzung dafür, daß der Plan ! der Spezialisierung nicht nur den betreffenden Unternehmen, son<> 1123