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Börsenblatt f. d. Dtsch». Buchhandel. Redaktioneller Teil. X- 135, 22. Juni 1920. Teilnahme an unserer Hauptversammlung ein Bild von den Sorgen und Nöten des Buchhandels machen wollte. Da wir wissen, welche Freunde der Buchhandel in diesen Münnern hat, sind wir dieser Anregung gern gesolgt und hossen, daß die Herren einen tieferen Einblick in unsere Verhältnisse und in die Schwierigkeiten unseres Berufes erhalten, die gewiß nicht dadurch geringer sind, daß der Buchhandel meist ideelle und materielle Interessen zugleich wahrzunehmen hat. Wir vertrauen, daß sie durch unsere Arbeit, wie sie in erster Linie aus dem Jahresbericht und weiterhin aus den heutigen Verhandlungen hervorgeht, die Überzeugung empfangen werden, daß sie auch in Zukunst den Bestrebungen des Buchhandels dieselbe wohlwollende Förderung zuteil werden lassen können, die sie ihnen bisher haben angedeihen lassen. Nunmehr erösfne ich die ordentliche Hauptversammlung und stelle sest, daß die Einladung dazu und die Veröffentlichung der Tagesordnung satzungsgemäß, und zwar durch Bekanntmachung im Börsenblatt vom 16. und 22. April, erfolgt ist. Ich bitte, als Stimmzähler walten zu wollen, wie schon in früheren Jahren, die Herren Feddersen aus Berlin und Toeche aus Kiel. Herr Schumann an meiner Seite zur Linken wird die Rednerliste führen. Diejenigen Herren, die das Wort nehmen wollen, bitte ich, sich bei ihm zu melden und dann wegen der schlechten Akustik dieses Saales vonder Nednerkanzel aus zu sprechen. Die Herren Mitglieder bitte ich, sich an den Plätzen nicderzulassen, die der aus ihrer Karte angegebenen Stimmenzahl entsprechen, so daß den Stimmzählern das Geschäft des Auszählens möglichst erleichtert wird. Auch wäre ich dankbar, wenn das Rauchen möglichst unterlassen würde <Bravo!>; denn wir wollen in demselben Saal auch heute nachmittag sitzen, und ein im Über maß vorhandener Rauch trägt nicht dazu bei, das Verweilen angenehmer zu gestalten. Ich möchte nunmehr fragen, ob alle diejenigen, die wählen wollen, ihre Wahlzettel abgegeben haben; sonst bitte ich, das noch zu tun. — Wenn es nicht mehr geschieht, schließe ich die Wahl. Ich frage, ob vor Eintritt in die Tagesordnung das Wort gewünscht wird. Ministerialdirektor Or. Klien: Meine sehr verehrten Herren! Wenn die sächsische Regierung den Wunsch ausgesprochen hat, Kantate heute mit Ihnen hier verleben zu können, so ist das nicht etwa geschehen, um hohe obrigkeitliche Besugnisse auszu üben, sondern, wie Ihr hochverehrter Herr Vorsitzender bereits andcutete, um heute mitten unter Ihnen zu sein und teilzu nehmen an dem, was Ihre Herzen bewegt, was Sie sorgt und beschäftigt, und um Ihnen zum Ausdruck zu bringen, daß Ihre Sorgen unsere Sorgen sind. Tie Ministerialabteilung, die ich zu leiten die Ehre habe, trägt die Firma »Abteilung für Handel und Gewerbe«, und ich habe meinen Mitarbeitern eingeprägt, daß das Wort für gesperrt gedruckt zu lesen ist: daß wir Handel und Gewerbe nicht zu kommandieren, sondern zu fördern haben, soweit es die Interessen der Allgemeinheit nur irgendwie zer lassen. (Lebhaftes Bravo.) Daß das Wirtschaftsministerium des Staates Sachsen Ihrem Gewerbezweige besondere Zuneigung cntgegcnbringt und entgegenbringen muß in alle Zukunft, ist eine innere Naturnotwendigkeit. In den weißgrünen Landcsgrenzen ist ein erheblicher Teil des deutschen Buchhandels und des deutschen Buchgewerbes seßhaft, und das Wohl und Wehe zahlreicher Landeskinder ist aus Gedeih und Verderb mit Ihrem Gcwerbczwcige aufs innigste verbunden. In Leipzig thront nicht nur der Mittelpunkt des deut schen, sondern des Weltbuchhandels, den wir als kostbares Kleinod hegen und Pflegen. Diese Liebe mag in früheren Zeiten aus Eigennutz, aus partikularen Gründen entsprungen sein; gerade Ihr Handel mit seiner weltumspannenden Bedeutung hat aber unserer Regierung die Überzeugung beigebracht — und zwar schon vor Schaffung des Deutschen Reiches und vor Schaffung einer einheitlichen Reichsregierung —, daß man einheitliche Wirtschastszentren nur dann pflegen kann, wenn man gleichzeitig deutsche Interessen dabei berücksichtigt und fördert. Ein Staat, dessen Volkswirtschaft so überwiegend auf die deutsche Aussuhr und das Ausland eingestellt ist, weiß, was er dem deutschen Buchwesen und Schrifttum, dem Pionier des Deutschtums im Auslande, zu verdanken hat. Wenn wir daher für die Erhaltung der Buchhandelszentrale in Leipzig eingetreten sind, so ist das einmal ge schehen, weil wir der Meinung sind, daß zwar die Rcichsregierung ihren Sitz in Berlin haben muß, daß aber nicht auch alle kultu rellen und wirtschaftlichen Zentren und Brennpunkte ebenfalls dort ihren Sitz haben müssen, sondern daß im Interesse der Ge schlossenheit und Reinheit unserer Volkswirtschaft ein Übermaß von Konzentration vermieden werden muß. Sodann aber hat der sächsische Staat dabei auch die Überzeugung gehabt, daß eine Zertrümmerung des Buchhandelszentrums in Leipzig vor allem unseren Feinden die größte Freude verursachen würde. Eine Absplitterung und Zersplitterung würde zur Folge haben, daß ein Zentrum an einem andern Orte nicht in der gleichen Kraft wieder erstehen könnte. Der deutsche Buchhandel würde dann von seinem Welthandelsstand zum Binnenhandel, zum Binnenmärkte herabsinken und nicht mehr die segenspendende Krast für unsere deutsche Volkswirtschaft besitzen. In der Pflege Leipzigs als Buchhandelszentralc stärken Sie und wir also gleichzeitig den deutschen Buchhandel. Das ist das deutsche Interesse, das die Reichsregierung, das Sie alle und das auch die sächsische Regierung eint. Der Gedanke, daß die Regierung eines Bundesstaates deutsche Interessen wahrnehmen muß, wenn sie hervorragende Zentren ihrer Volkswirtschaft pflegen will, ist in Sachsen nicht neu. Sachsen, das früher ein reiches Land war, hat in vielen Fällen Gelegenheit gehabt, diesen Gedanken praktüch in die Tat umzusetzen und ihm Opfer zu bringen. Das ist nicht nur bei zahlreichen Verhandlungen in Berlin und sonst geschehen, sondern auch bei der Errichtung und Förderung einer großen Anzahl von Einrichtungen, Anstalten, Körper schaften und dergleichen. Ich erinnere hier nur an die große Anzahl deutscher Fachschulen, die dem gesamten deutschen Gewerbe, nicht nur dem sächsischen Gewerbe, dienen und die bei uns ihren Sitz haben. Ich erinnere an die deutschen Forschungsinstitute, die gleichfalls der gesamten deutschen Industrie, nicht nur der sächsischen Industrie, dienen. Auch bei Ihrem Gewerbe hat der säch sische Staat seine Zuneigung nicht nur platonisch bestätigt, sondern auch praktisch, wie durch Errichtung der Graphischen Akademie in Leipzig, durch Förderung der Buchhändler-Lehranstalt, der Buchdrucker-Lehranstalt, durch Förderung des Deutschen Museums für Buchwesen und Schrifttum und durch zahlreiche andere Veranstaltungen, neuerdings vor allem durch die Förderung einer besonderen Abteilung sür Buchhandelsbetriebslehre an der Handelshochschule in Leipzig, nicht zuletzt aber durch die Förderung der Deutschen Bücherei, der schönsten Schöpfung des deutschen Buchhandels. Wenn es vielleicht auch einmal eine dunkle Zeit gegeben hat, in der der Buchhandel der Deutschen Bücherei gegenüber die Vaterschaft leugnen und die Alimentationspflicht des immer größer werdenden und sehr schnell wachsenden Kindes dem Staate aufcrlegen wollte, so hege ich doch die feste Zuversicht, daß die Bücherei das liebste Kind des deutschen Buchhandels werden wird, nachdem sie den Kampf mit den übrigen deutschen Bibliotheken siegreich bestanden hat und auch durch die Rcichsregierung als deutsche Einrichtung anerkannt worden ist. (Bravo!) Wie Sie später, bei Punkt 3 der Tagesordnung, hören werden, hat die Reichsregierung beschlossen, 300000 Mark in den Reichshaushalt einzusetzen, und die sächsische Regierung hat beschlossen, zu dem bisherigen Zuschüsse von 88000 Mark noch 250000 Mark einzusetzcn, also insgesamt 338000 Mark (Bravo!), und wir hegen weiter die Zuversicht, daß auch die Stadt Leipzig in dem Kranze freundlicher Geber nicht fehlen wird. (Bravo! — Lebhaftes Hände klatschen.) Bei der Deutschen Bücherei hat der Staat aber außer in Gestalt erheblicher Zuschüsse auch noch ein weiteres Opfer gebracht, indem er der Deutschen Bücherei das kostbare Gebäude und die kostbare Anstalt, die heute nahezu 28 Millionen zu bauen kosten würde, als Mitgift mitgegeben hat. Die sächsische Regierung hat, hier wie bei den vorher genannten Instituten