Volltext Seite (XML)
beurteilen, wenn die Einhaltung der Bureauzeit nicht vereinbart wäre. Die Stellung des Klägers war eine derart freie und gehobene, daß ihm die genaue Einhaltung der Bureauzeit nicht zugemutet werden konnte. Die Beweisaufnahme hat auch in keiner Weise ergeben, daß der Geschäftszweig, den der Kläger leitete, durch feine Unpünktlichkeit irgendwelchen Nachteil erlitten hat. Wenn selbst morgens schon Arbeitsstoff für den Kläger vorlag, so war doch auf der anderen Seite zu erwägen, daß er öfters des Abends weit über Verpflichtung gearbeitet und dadurch den gehörigen Aus- gleich geschaffen hat. Überdies hat der Kläger — was ihm nicht widerlegt werden konnte — verschiedentlich in den Morgenstunden Kunden besucht. Daß Verzögerungen in der .Ablieferung der Analysen oder Beschwerden der Auftraggeber auf ungehöriges Fernbleiben des Klägers zurückzuführen wären, hat selbst der persönlich mit dem Kläger verfeindete Zeuge vr. B. nicht zu be- künden vermocht. Das Verfahren des Beklagten mußte daher beim Mangel einer Vereinbarung als unberechtigt und kleinlich erachtet werden. Keinesfalls würde ihn die Nichteinhaltung der Bureauzeit zur vorzeitigen Entlassung berechtigt haben. Da der Beklagte den von ihm zu beschaffenden Beweis über die Verein- barung nicht erbracht hatte, wurde dem Kläger der Eid dahin auferlegt, daß ihm die Einhaltung einer Bureauzeit von 9 Uhr morgens an bei Vertragsschluß nicht zur Pflicht gemacht worden sei. Je nach Leistung oder Nichtleistung des Eides wird dann die Verurteilung des Beklagten oder die Abweisung der Klage ausgesprochen werden. (Aktenzeichen: ök. VI. 445/11.) Internationale Kongresse. — Im Oktober wird in Paris unter der Führung der dortigen Gesellschaft für vergleichende Pathologie ein Internationaler Kongreß dieses wissenschaftlichen Gebietes abgehalten werden. Nach den vorläufigen Plänen werden die Erörterungen den gesamten Bereich der Pathologie einschließlich der Lehre von den Tier- und Pflanzenkrankheiten umfassen. Zu den bereits zu beson derer Berücksichtigung ausgewählten Gegenständen gehören die Tuberkulose nach Ursprung und Verbreitung, die Diphtheritis bei Menschen und Vögeln, und die verschiedenen Krebskrankheiten, die Arten der Pocken, die für Mensch und Tier gemeinsamen Schmarotzer und Krankheitskeime, die Kunde von der Hundswut, das vergleichende Studium der sogenannten Cirrhosen (hauptsäch lich Schrumpfung der Organe), die Pathologie der Pflanzen usw. Vorträge zu dem Kongreß können noch angemeldet werden. Im nächsten Jahre wird gleichfalls auf französischem Boden der 9. Internationale Zoologenkongreß stattfinden, aber nicht in der Hauptstadt, sondern in Monaco, dessen Fürst sich um die Zoologie sowohl durch eigene Arbeiten als auch durch die Begründung des großartigen ozeanographischen Museums verdient gemacht hat. Fürst Albert wird auch den Vorsitz des Kongresses führen. Die Organisation selbst findet hauptsächlich in Paris statt, wo Professor Joubin das Generalsekretariat übernommen hat. Neue Bücher. Kataloge usw. für Buchhändler. Fünfzehn Jahre mit Wilhelm Raabe. Ein Beitrag zur Charak teristik des Dichters von Wilhelm Scholz. 8°. 47 S. Braunschweig 1912, Verlag von Wilhelm Scholz. 1 ^ ord. Am 15. November 1910 ist Wilhelm Raabe gestorben — und, wie wir es oft erlebt haben in deutschen Landen, sucht man jetzt nach seinem Ableben emsig Steinchen an Steinchen zu setzen zu einem Mosaikbilde des Lebens und Charakters des Mannes, den die Mitwelt lange Zeit unbeachtet gelassen hat. Ein solches Steinchen von ganz intimer Färbung ist das oben verzeichnet« Buch unseres Kollegen Wilhelm Scholz. Ihm ist es vergönnt gewesen, während 15 Jahre an der Seite des Altmeisters zu sitzen bei abendlichem Trunk und gemüt licher Unterhaltung. Der alte Autor und ehemalige Buch händler war oft sehr schlecht auf unfern Stand zu sprechen, den er ein »Faulenzen mit Hindernissen«, nannte. Scholz be richtet sehr launig, wie er den Buchhandel zu verteidigen suchte, sich dazu aber erst gewissermaßen legitimieren mußte, denn Raabe antwortete ihm einfach: »Na, ich muß es doch wissen, ich hab's doch durchgemacht. Sie können's ja gar nicht be urteilen, Sie sind ja gar kein Sortimenter!« Der Nachweis, daß Scholz 7 Jahre lang in führender Stellung in einer bedeutenden Leipziger Sortimentsbuchhandlung tätig gewesen sei, beruhigte den Alten zwar etwas, aber es folgt doch noch ein Ausfall: »— — der Sommer war doch eine schöne Zeit für den Buchhandel, da haben wir immer Fliegen gefangen.« Das war allerdings vor 60 Jahren, heute ist's anders! Wie man über seine Erstlingswerke dachte, schildert Raabe in einem Briefe an Scholz, der ihn wegen einer Ausgabe der Chronik der Sperlingsgasse befragt hatte. Mit humorvollem Grimm berichtet er »die nette literarische Lebenserfahrung«, daß in einem Streit des Verlegers mit einem Kolporteur dieser die Chronik der Sperlingsgasse auf den Gerichtstisch gefeuert habe mit den Worten: »Mit solchem Zeug soll man Abon nenten kriegen und Geld machen?!« Im wohltuenden Gegen satz dazu steht die warme Pietät, mit der Scholz die erste Ausgabe dieses köstlichen Buches (Berlin 1857) behandelt, die ihm just am Begräbnistage Raabes in die Hände fiel, freilich nur zu kurzer Besitzersreude, da das Exemplar noch an demselben Tage seinen Herrn wechselte. Im gemütlichen Plauderton malt uns Scholz das Bild der Tafelrunde in der »Raabeecke« von Herbsts Weinstube, die aber sehr oft auf ein Trifolium zusammenschmolz (Raabe, seinen steten Gesell schafter, den Rentner Tellgmann, und Scholz). Es hieße das Buch und seine Leser berauben, wenn wir noch mehr daraus berichten würden, es sei den Herren Kollegen und Raabe- Verehrern als ansprechende Lektüre empfohlen. Personalnachrichten. Wilh. Schmidt (Breslau> r. — Rach einer Meldung der »Voss. Ztg.« ist in Breslau der Senior der dortigen Evangelisch- Theologischen Fakultät, ord. Prof, der systematiichen Theologie Geh. Konsistorialrat v. vr. Wilhelm Schmidt im 74. Lebensjahre gestorben. Ein großer Teil seiner umfangreichen literarischen Tätigkeit war der Bekämpfung der Ritschlschen Theologie ge widmet. In seiner Schrift »Die Gefahren der Ritschlschen Theo logie für die Kirche« (1880) vertrat er die Ansicht, daß »das Ritschl- sche System, auf seinen religiösen Wert angesehen, noch nicht in der Linie de- älteren Rationalismus oder irgendeiner anderen Richtung der liberalen Theologie rangiere«. In derselben Richtung, mit spezieller Polemik gegen den Berliner Theologen Kaftan, bewegen sich mehrere andere seiner Schriften. Sein Hauptwerk ist die »Christliche Dogmatik« (2 Bde. 1895 u. 1^98), der sich später noch zahlreiche Veröffentlichungen, über »Die Lehre des Apostels Paulus« (1898), über »Das Grundbekenntnis der Kirche und die modernen Geistesströmungen« (1905) u. a., anschlossen. In seinen letzten Lebensjahren hatte sich der Verstorbene von seinem kirchlich-dogmatischen Standpunkt aus auch mehrfach mit philosophischen und religionspsychologischen Fragen befaßt und zwei größere Schriften; »Der Kampf um den Sinn des Lebens. Von Dante bis Ibsen« (1907) und »Die verschiedenen Typen der religiösen Erfahrung und die Psychologie« (1908) veröffentlicht. Sprechsaal. Unzulässige Behandlung von Bücherpaketen durch die Post. Es ist neuerdings bei dem Vorstande des Börsenvereins Be schwerde über eine wenig sorgfältige Behandlung der Bücher pakete durch die Post geführt worden. Bevor jedoch dem An suchen, auf Abstellung dieser im Widerspruch zu § 41, Ab schnitt V der Allgemeinen Dienstanweisung für Post und Telegraphie stehenden Vorkommnisse hinzuwirken, Folge ge geben werden kann, wäre es wünschenswert, festzustellen, ob es sich um vereinzelte Fälle unzulässiger Behandlung durch Organe der Post oder um einen allgemein im Buchhandel empfundenen Ubelstand handelt. Wir richten daher die Bitte an die Leser, falls sie Ursache zu begründeter Beschwerde über die Behandlung der Bücherpakete durch die Post haben, uns Mitteilungen tatsächlicher Art zu machen, die eine weitere Verfolgung dieser Angelegenheit durch den Vorstand des Börsen vereins in seiner Eigenschaft als Vertreter der buchhändlerischen Allgemeinheit gerechtfertigt erscheinen lassen. Red.