Volltext Seite (XML)
147, 27. Juni 1S12. Nichtamtlicher Teil. »Ir>-ll«Ia» I. ». ktlchn. »uqrani-I. 781g Nichtamtlicher Teil» Kunst und Kunsthandel. v. (IV. siehe Nr. 118.) Kubismus und Futurismus. — Die soziale Lage der Künstler rc. — Pariser Fälschungen alter und neuer Meister. — Kunst auktionen. — Ölgemäldefabrikation. — Neuerschienene Kunst blätter. — Urlaub und Reisen. — Volkmann: »Kunstgenuß aus Reifen« und »Die Erziehung zum Sehen. — Bilderkatalog der Münchener »Jugend«. — Beschlagnahmen in Dresden. — Unter angebote auf Gemälde. Zu den großen deutschen sommerlichen Kunstrevuen in Berlin und München, die mit gewohnter Promptheit ihre Pforten öffnen, hat sich in diesem Jahre wieder eine große Kunstausstellung in Dresden gesellt, und wenn man das, was sich an diesen drei Kunstschaustätten zum frischen, fröhlichen Wettstreit zusammenfindet, mit Zahlen mißt, kann man ganz gewiß nicht sagen, daß es schlecht bestellt sei um die Kunst. Wenigstens nicht um die Produktion. Achttausend Kunstwerke etwa mögen in den drei Kunstpalästen versammelt sein, eine stattliche Zahl, die keinen Zweifel darüber lassen kann, daß die Kunst, trotz ihrer Schattenseiten, trotz der Misären, in die sic ihre Getreuen bringt, sofern sie nicht vom Glück, von einem Mäcen oder einem die Posaune blasenden Herold bevorzugt sind, noch keineswegs daran denkt, den Betrieb einzustellen und sich auf die faule Bärenhaut zu legen. Nun, etwas muß der Mensch freilich tun, das ist sein Beruf und seine Sendung, wenn man aber das Zeug ansieht, das die Verfechter des Kubismus und Futurismus in die Welt gesetzt haben, dann kann man sich wohl der Meinung nicht verschließen, daß es schade um die Zeit ist, die damit vergeudet wird, um die Lein wand und Farbe. Ein Glück ist es ja, daß die große Allgemein heit sich herzlich wenig um die gemalt sein sollenden Extra vaganzen übergeschnapptcr Jünglinge und Jungfrauen küm mert, und es den Witzblättern überlassen bleibt, sich zum Ver künder der in diesem Falle kaum vorhandenen VOX xopnli zu machen. Auf der andern Seite ist es aber auch ein Unglück, daß ganz vernünftige Menschen sich vom Strudel fortreißen lassen und es sich zur Ehre machen, ihren Doktor titel zur Propaganda für einen hirnverbrannten Blödsinn herzugeben, an den sie im tiefsten Grunde ihrer Seele nie und nimmer glauben können. Ab und zu kommt einem ja direkt ein Gefühl der Beschämung darüber, ein Zeitgenosse jener Leute zu sein, die mit inkohärenten Dreiecken und Quadraten, die sie als Dame mit Muss oder Mutter und Kind ausgeben, die Menschen düpieren, und wenn auch nur einen bescheidenen Teil, so doch immerhin überhaupt welche finden, die darauf hereinfallen. Ein einziger Trost kann es nur sein, daß man nach aller Voraussicht in absehbarer Zeit diese ganze Periode der Verirrungen nur als erheiternde Episode einer an sich so ernsten Zeit registriert, oder aber, was für die Zukunft vielleicht noch heilsamer wäre, sie einfach ignoriert Nach meinem Empfinden hat man um die ganze Geschichte viel zu viel Aufhebens gemacht. Von vornherein hätte man sie ignorieren sollen, dann wäre es nicht möglich gewesen, daß tagtäglich neue Vertreter jener angeblichen Malerei erstehen, die man Wohl nicht als Kunst, sondern einfach als Schlag ins Gesicht empfinden muß. Freilich, solange profitgierige Kunsthändler, umgeben mit dem kleidsamen Mäntelchen ihrer Kulturmission, ihre Räume und ihre Hände dazu hergeben, solange die Propagandaschriften hhpergelehrter Kunstdoktoren in die Welt gehen, und die Witzblätter sich nicht dazu ent schließen, durch völlige Negierung dem Unfug den Boden zu entziehen, wird man sich weiter von jenen Leuten anulken lassen müssen, die man ins Sanatorium stecken sollte, statt sie in der Ausübung ihrer Sudeleien zu unterstützen. Die ernsthafte Kunst, die aus einem inneren Drange heraus Gutes und Schönes schafft, hat wahrlich kein leichtes Dasein. Schwer sind die Kämpfe, die sich abspielen, und wo nur ein mal ein vernünftiger Künstler das Wort ergreift, um uns Hineinblicken zu lassen in die Tiefen des Künstlerelendes, da sehen wir, daß es wahrlich an der Zeit ist, sich mit der sozialen Frage der wirklich ernst zu nehmenden Künstler zu be fassen. Und daß hierzu der Kunsthändler, der Verleger wie auch der Sortimenter, ein gut Teil beitragen kann, braucht man kaum zu unterstreichen. Wie in München kürzlich d-r Maler Bunzel in sehr vernünftigen Worten über die wirl gastlichen Inter essen der Künstler sprach, hierbei allerdings in der Ausschaltung des Kunsthandels das Heil erblickte, welcher Annahme man durchaus nicht zustimmen kann, so hat bor längerer Zeit in Dresden der bekannte Bildhauer Offermann über die Organi- sationslostgkeit der Künstler einen trefflichen, wahrheitstrotzen den Vortrag gehalten (erschienen in der »Kunstwelt«, Verlag Weise L Co., Berlin), in dem mit unverblümter Deutlichkeit auch den Künstlern manch kräftig Wörtlein gesagt wurde. Jedenfalls sieht man aus diesen Ausführungen, daß auch in Künstlerkreisen vielfach guter Wille, vernünftige An sichten gegen Ignoranz und Unverstand zu kämpfen haben. Ob mit oder ohne Erfolg, das wird die Zukunft lehren. In Berlin hat man dem Bürgermeister Reicke es stark verübelt, daß er so frei war, den Sezessionsmitgliedern im Hinblick auf ihre letzte Ausstellung Sensationslüstcrnheit vorzuwerfen. Ich bin nicht in der Lage, aus eigener Anschauung mich dazu zu äußern, aber nach schriftlichen und mündlichen Äußerungen scheint der gute Mann eben doch nicht ganz unrecht zu haben, lüsl mockns in rsdus. Das vergessen die Künstler zu leicht, und sie sind naiv genug, zu glauben, daß alle Menschen be dingungslos das anerkennen müssen, was sie ihnen vorsetzen, was ihnen ihr genialer Kllnstlergeist vorgegaukelt hat. Ich bin unbedingt ein Anhänger und Verfechter der künstlerischen Freiheit, aber alles mutz eine Grenze haben. Und niemals würde ich dafür stimmen, daß das unsinnige Zeug, das man unter dem vielen Guten, ja Ausgezeichneten der Sezessions ausstellungen findet, mit staatlichen oder städtischen Mitteln erworben wird. Ebensowenig, wie es zu billigen ist, daß die Schweizer Riesensummen aufbringen, um den genialen Schöpferdrang ihres Kunstpapstes Ferdinand Hodler zu stillen und ihm die Priorität zu lassen für alles, was überhaupt in diesem, in die oft närrische Kunst dieses Meisters verrannten Land zu schaffen ist. Eigentlich sollte man ja annehmen dür fen, daß die Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts, die doch immer so furchtbar gescheit sein wollen, von selbst die Grenze zu finden wissen, die zwischen dem ausgemachten Kitsch und den sensationslüsternen Erzeugnissen begrisfsunklarer Hirne liegt, aber, wie es scheint, ist das eben nicht der Fall. Und man wird weiter abwarten müssen, ob der Most, wie absurd er sich auch gebäri et, doch noch 'nen Wein gibt. Während ringsum im weiten Lande die Künstler sich die Seele aus dem Leibe malen, zur Freude oder zum Ärger ihrer Mitmenschen, blüht im Nachbarlande Frankreich die Fabrikation und der Handel mit gefälschten alten und neuen Meistern. Und als neulich in einem Betrugsprozesse ein naiver Richter den Angeklagten fragte, woher er seine ge fälschten Bilder bezogen habe, da lächelte ganz Paris überdiese unglaublich unschuldsvolleFrage. Denn unechte Werke sind in Paris übeiall zn finden. Die Zentralstätte dieser In dustrie ist der Mintmartre. Das Verfahren ist im Grunde herzlich einfach, und es dürfte Wohl kaum anzuzweifeln sein, daß man auch in Deutschland weiß, wie man so etwas zu machen hat. Mau wird es wissen, aber man tut es nicht. Hoffen wir es w effigstens. Das Wichtigste bleibt die Be- IVlS'