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Nichtamtlicher Teil. .lck 147. 27. Juni 1912 gen kleinen und doch so klaren Abbildungen vor uns ausrollt. Die Dinge da drinnen sind uns lieber und lieber geworden mit der Zeit. Denn es ist Herz und Gemüt drin, ein bissel Spott und ein bissel Hohn auf unsere Zeit und ihre Menschen, aber alles in verdaulichen Portionen. Fünfzehn Jahre deul- scher Kunst, ein herzlich kleiner Zeitraum im Weltall und doch so inhaltreich in seinen künstlerischen Äußerungen heterogenster Art. Vier farbige Abbildungen, der bekannte Lenbachsche Bis marckkopf, und endlich ein schönes, ganz von Jugend durch wehtes Bild auf dem geschmackvollen Umschlag erhöhen den Wert dieses von Schönheit und Anmut, von herzerfrischender Farbigkeit des Lebens getragenen Buches, der weit über den eines Kataloges hinausgeht. Leider kann ich es bei dem so hübsch gedachten Schluß nicht bewenden lassen. Denn während mein Artikel in Leipzig gesetzt wurde, hat man sich in meiner Vaterstadt Dresden wieder einmal einen bösen Streich geleistet und feste drauflos beschlagnahmt. Max Klingcr, Otto Greincr und Rich. Müller haben daran glauben müssen. Es ist unglaublich! Aber was hat es für Zweck, sich noch immer wieder über die Unge schicklichkeiten übereifriger Staatsdiener aufzuregen! Von der Tagung der deutschen Kunstvereine in Dresden ist ein wichtiger Beschluß auch für die Kunsthändler inter essant. Man will in die Ausstellungsbestimmungen einen Passus einführen, der es zur Pflicht macht, Unter angebote unter zwei Drittel des Preises nicht zu behandeln. Bravo, meine Herren! Das ist sehr ver nünftig. Möge auch der reguläre Kunsthandel das gleiche Rückgrat zeigen und den von einer gewissen Sorte von Kunst freunden beliebten Brauch, auf einen Preis ganz keck den vierten Teil zu bieten, in gleicher Weise beantworten! Aller dings wird man dann die Preise nicht von vornherein allzu sehr aufs Handeln einrichten müssen. Was im Interesse der Gesundung und des Ansehens des Geschäftes ganz gewiß nie mals unvorteilhaft ist. Stuttgart. Arthur Dobsky. Unarten beim neusten Titelsatz. Jene Geschmacksreform, die verhältnismäßig rasch auf das Gebiet der Buchkunst Übergriff, hat mit nicht geringem Eifer den in den 90er Jahren üblichen Titelsatz als eine eklek- tizistische Entgleisung bekämpft und gegeißelt. Wie groß war die Entrüstung über die elenden, dünnen, säst- und marklosen Typen, aus denen die Setzer nach einem vorgefaßten Form schema die Titelseite zusammenbauten! Wie wurde dieses gekünstelte Bauen verdammt und eine organische, aus einem Guß herausgeformte Fläche verlangt! Die Titelaufschrift sollte eine repräsentative Geste weisen, sollte formal in Ein klang gebracht sein mit der Type der Textseiten. Der einzelne Buchstabe sollte sich darbieten als Glied und Träger eines einheitlichen Organismus, als ein Schwarz-Weitz-Fleck inner halb eines ornamentalen Ganzen. Der Einheitlichkeit und der geschlossenen Flächenwirkung halber wurden Titel-, Autor und Verlegernamen auf einen Fleck in der Mitte oder am oberen Rand der Seite zusammengedrängt. Eine ganze Menge Verleger, überzeugt von der Schönheit der gelegent lich gezeigten Beispiele oder der Triftigkeit dieser oft vorge brachten Gründe, gaben nicht nur ihren Druckern in diesem Sinne Weisung, sondern ließen die Neformprediger unter den Künstlern, wenn sie ihnen nicht überhaupt die Regie ihrer Bücher übertragen hatten, die Titelseiten mit Rohr- und anderen Federn einheitlich schön schreiben. Die Künst ler können sich nicht beklagen, daß sie für ihre Bestrebungen nicht genügend Verständ nis gefunden hätten. Eine leidlich geschmackvolle Ausstattung in ihrem Sinne gehört heute zu den Selbst verständlichkeiten. Wer einigermaßen mit der Physio gnomie unserer Neuerscheinungen vertraut ist, darf getrost die Behauptung wagen, daß Verleger aller Gattungen aus die Aufmachung ihrer Werke die Sorgfalt wenden, die damals ge fordert wurde, daß, abgesehen von vereinzelten Entgleisungen, sich gerade hier ein achtbares und qualitätvolles Niveau her auszubilden begonnen hat. Man sollte meinen, daß alle Welt vergnügt über den Verlauf dieser Entwicklung wäre. Sollte vor allen Dingen meinen, daß die Künstler, stolz aus ihren moralischen Sieg, alles tun würden, um einerseits diese Prinzipien bis in die kleinste Druckerei hinein fruchtbar zu machen, und anderer seits — wie es etwa ein Ehmcke mit jedem neu erscheinenden !Werk tut —die erreichte Qualität durch immer neue, immer ^ feinere Leistungen künstlerisch zu vertiefen. Beinahe könnte j man sagen: das Gegenteil ist der Fall. Verlcger- schaft und Buchgewerbe setzen einen Stolz darein, ihre Dar bietungen im Sinne einer geschmacklichen Gediegenheit immer fort zu steigern, oder wenigstens nicht herabsinken zu lassen, Publikum und Kritik nehmen mit Genugtuung die Früchte dieser Bemühungen hin, und diejenigen, die allen Grund zur Mitfreude hätten, die Buchkünstler nämlich, beginnen — wenn man die neuesten Titelsatzexperimente ansieht — auszuspringen. Nicht alle, aber wie E. R. Weiß etwa, doch ein Teil derer, die vor zehn Jahren eine Führerrolle spielen konnten. Es handelt sich bei diesen Neuerungen, diesen Mode tändeleien, wie man sagen möchte, um nichts anderes, als um ein Wiederaufgreifen der barocken Tenden zen der 50er Jahre des vergangenen Jahr hunderts. An die Stelle einer einheitlichen Blockgrup pierung tritt ein Tttelsatz nach einem vorgefaßten Schema, das die einzelnen Zeilengruppen wieder soweit auseinander reißt, daß von einer einheitlich ornamentalen Wirkung kaum noch die Rede sein kann. Zwei oder drei Zeilen am Kopf der Seite, eine am Fuß, statt eines einheitlich und übersichtlich be schriebenen Blattes, ein Satzkunststück aus kleineren Graden einer mageren Type, die mit fingerbreiten Lücken gesperrt wird, neuerdings auch noch mehrere Schriftarten durcheinander, oas ist der neue Titelsatztyp, für den sich eine Reihe Buch künstler einsetzen. Wenn ich nicht sehr irre, setzten diese Ver suche mit den Tempel-Klassikern ein, denen man ja überhaupt ein etwas ältliches, biedermeierliches Aussehen zu geben wünschte. Der Faust-Band ist jedenfalls das typischste Bei spiel, das man anführen könnte. Die Auseinanderreitzung des Wortes »Faust« zu einer langgestreckten Zeile, die aus den fünf mit etwa 2 bis LtzL ein Durchschuß gesetzten Buch- j staben gebildet wird, ist jedenfalls das Äußerste, was nach dieser Richtung geleistet werden könnte. Eingeweihte wollten wissen, daß bei dem Erscheinen der ersten Tempel-Bände die großen Grade der Weiß-Fraktur noch nicht geschnitten ge wesen wären, und daß Weiß aus einer Not gewissermaßen eine Tugend zu machen versucht hätte. Spricht dagegen schon die einfache Erwägung, daß es für einen Künstler wie E. R. Weiß, der früher so ausgezeichnete Buchtitel zu schreiben wußte, ein Kleines gewesen wäre, noch einmal zur Feder zu greifen, so beweist deutlich genug die Aufmachung des Haupt- mannschen »Emanuel Quint«, daß mit dieser Art Satz Weiß für das Buchgewerbe den Schritt tun wollte, der für das übrige Kunstgewerbe seit zwei Jahren von der Berliner Kunstgewerbeschule aus getan wurde, nämlich die Wieder anknüpfung an die keineswegs erfreuliche Geschmacksrichtung der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Neu an diesem neuesten Titelsatz ist nur der Mut, mit dem ein solch windiges, beinahe unkünstlerisches Schema aufgegriffen wird von den jenigen, die einmal mit sehr guten Gründen und doch auch nicht ohne überzeugte Begeisterung gegen Variationen dieses selben Schemas anqekämpft haben.