Volltext Seite (XML)
7820 DLrsenblall f. d. Dtfchn. Buchhandel. Nichtaniüicher Teil. ^ 147, 27. Juni 1S12. schaffung einer allen Leinwand, sie muß, wenn irgend möglich, der Zeitepoche entstammen, da der betreffende, mit Nach ahmung beehrte Meister das Originalgemälde schuf. Allein im Notfälle kann man sich auch mit dem sogenannten »Ma- roufle« helfen, einer Art von sehr starkem, zähem Leim, der wie Eisen hält; damit klebt man die Leinwand auf ein altes, völlig wertloses Bild, so daß beide nunmehr ein Ganzes bilden und selbst der gelehrte Fachmann sich täuscht, und in Entsetzen gerät, wenn er seinen Irrtum merkt. Gewöhnlich kopiert der Maler ein schon vorhandenes Meisterwerk, dem Käufer wird weisgemacht, dies Bild sei ein authentisches Duplikat. Oder es wird, was noch besser ist, als das einzig wahre Original ausgegcben, und das in der Galerie hängende nur als Kopie bezeichnet. Merkwürdig bleibt freilich, daß viele Bilder- sammlcr, die Fanatiker in ihrer Manie sind, diese Angaben aufs Wort glauben. Sehr oft fabrizieren die Meister der Fälscherknnst auch ein neues Bild, man komponiert dann einen sogenannten »Lrlsguin«, das heißt, man entlehnt für das neue Sujet von früheren Bildern des nachgeahmten Künstlers einzelne Bestandteile, Kopf, Arme oder einzelne Figuren, und hat dann des Meisters Originalhandschrift so untrüglich echt, daß auch die ganz Klugen in die Falle gehen. Dem fertigen Bilde gibt man dann durch holländischen Firnis den sogenann ten Goldton oder auch in feinerer Art durch Sepia. Die schöne und immer bestrickende Patina, den Schmutz der Jahrhunderte, erzielt man durch Beimengen eines dickeingekochten Saftes von Eibischwurzeln und läßt das Ganze hierauf trocknen, oder man dörrt es kurzerhand im Backofen. Die Sprünge werden mit Hilfe von Nadeln hergestellt, und um Abblätte rungen zu erhalten, schlägt man mit einem Hammer daran, wodurch Farbe und Firnis stellenweise abbröckeln. Run bleibt nur noch übrig, die durch Rost und Schimmel entstehenden Flecken nachzuahmen, aber auch hier weiß man sich Rat, man reibt die Leinwand mit einem feuchten Lappen ein und läßt ein wenig Nässe zurück. Selbstverständlich sammeln sich dann eine Unmenge kleiner Pilze an, die nach dem Wegkratzen jene von den Kunstkennern »ebauel« genannten Flecke zurücklassen. Bei den Kopien von Werken noch lebender Meister kom men diese Kunstgriffe nicht in Betracht. Hier entscheidet lediglich absolute Ähnlichkeit der Malweise und die getreu uachgeahmte Unterschrift. Nimmt man es recht genau, so hat man es bei diesen Fälschungen sehr oft mit ganz ausgezeich neten Kunstwerken zu tun, die als hübsche Persiflage der jenigen gelten, die man für unübertrefflich hält. Passierte es doch erst kürzlich dem Altmeister der französischen Land schafter, Harpignies, daß, als man bei einem Kunsthändler der Rue St.-Honorä ein Bild mit seiner eigenen Signatur fand, er es für sein eigenes hielt, bis eine eingehende Unter suchung ergab, daß es eine meisterliche Fälschung war. Die Moral dieser Geschichte ist, wenn man von der Unmoral ab sieht, eben nicht gerade sehr erfreulich, und gibt vor allem jenen Künstlern zu denken, die sich für unerreichbar halten Wieviele solcher falschen Bilder die Wände der Museen zieren mögen, läßt sich kaum ausdenken. Vor etwa zehn Jahren war unter einer Reihe amerikanischer Finanzmagnaten eine wahre Epidemie des Bilderfammelns ausgcbrochen, und die europäischen Kunsthändler konnten der Nachfrage nach »be rühmten« Gemälden, bzw. Werken berühmter Meister nicht genügen. Was Wunder also, daß gewissenlose und findige Köpfe ihre eigene Schlauheit und die Dummheit der anderen sich zu nutze machten! Wer weiß, welche Dimensionen der würdelose Handel angenommen hätte, wenn nicht ein böser Zufall der ganzen geldbringenden Herrlichkeit ein jähes Ende bereitet hätte. Einer der New Docker Sammler glaubte bei dem rapiden Steigen der Bilderpreise ein glänzendes Ge schäft zu machen. Dem Pariser Kunsthändler Bernheim Io jenno in der ^.vbnnd clo 1'Oxöra wurde eine halbe Schiffs ladung kostbar gerahmter Bilder zugesandt, für die er jedoch dem höchst verblüfften Besitzer nur den Preis der Rahmen an- bieten konnte, denn alles andere erwies sich als gefälscht, die Bilder, die Siegel der früheren Auktionen, die Signaturen und die bis in die kleinsten Details ausgeführten Listen der frühe ren Besitzer! Wenn auch der deutsche Kunsthandel sich nicht ganz rein weiß von einzelnen Fällen, in denen unqualifizierte Händler vor dem Verkauf von Fälschungen nicht zurückschrecken, so bürgt doch das Ansehen unserer großen Firmen und Auktions- Häuser immer für die Qualität des Gebotenen. Das gleiche unbedingte Vertrauen, das ich kürzlich hier dem großen Stutt garter Auktionshause gegenüber bekunden hörte, genießen auch die anderen weltbekanntenHäuser, von denen aus in den letzten Wochen und Monaten Kunstschätze von ungeheuren Werten in alle Winde verstreut wurden. Ich erinnere nur an die Auktion der Galerie Weber bei Lepke in Berlin, an die kürz lich stattgefundene der Sammlung von Seydlitz bei C. G. Boerner in Leipzig, bei der für einen schönen Abdruck von Dürers Geburt Christi 10 OVO und für die 16 Blatt der Leidensgeschichte 26 000 erzielt wurden, ferner an die Ver steigerungen von Keller L Reiner in Berlin, Matth. Lempertz (I. M. Heberle) in Köln und endlich die der Galerie Helbing in München, die gerade in diesen Tagen wieder die hoch bedeutenden Sammlungen von Professor Meder (Ölgemälde hervorragender moderner Meister) und Julius Boscowitz, Wien (Antiquitäten, Silberarbeiten der deutschen Spätrenais sance und Gemälde alter und moderner Meister) zum Verkauf bringt und hiermit ihren alten guten Ruf bestätigt, nur erst klassige, vollkommen einwandfreie Objekte zu übernehmen und anzubieten. Nicht unerwähnt möchte ich lassen die Auktionen von Frederik Müller L Cie. in Amsterdam, die, wie die generös ausgestatteten Kataloge besagen, im Mai Kollektionen zur Versteigerung brachte, in denen die Namen erster Künstler, besonders des 17. Jahrhunderts, mit ausgezeichneter Qualität vertreten waren. Daß die Slgemäldefabrikation allerorten böse Blüten treibt, wissen wir ja alle bereits. Aber wie weit das Künstlerproletariat herabsteigen mutz, um sich über die Nöte des Lebens hinwegzuhelfen, dazu hat die letzte Zeit wieder ein be trübliches Beispiel gegeben. Eine Berliner Künstlergruppe ver sendet ein sehr feudales Zirkular auf Kunstdruckpapier, preist dar auf seine Dienste an und ersucht — borridils ckioku —, bei Be stellungen auf Landschaften anzugeben, ob auf dem Gemälde der Himmel in glühenden Farben des Abendrotes oder in anderem Ton gemalt sein soll. Der Rahmen kostet 18.50, das Bild ist gratis. Nun, weiter, tiefer kann die Kunst Wohl nicht mehr sinken. Es dürfte wohl klar sein, daß hinter diesem beschämenden Angebot irgend ein Bildertrödler steckt, der eine Anzahl von armen Teufeln, die nichts zu essen haben, durch diese Art der Massenfabrikation vor dem Verhungern schützt. Und wenn man auch geneigt ist, dies noch als Guttat zu be trachten, wenn man weiß, daß durch einen Taler, ja mit noch wenigerem, schon manches Künstlerleben vor einem gewalt samen Abschluß bewahrt wurde, so bleibt es doch trüb und erschütternd, daß es Maler, Künstler gibt, die sich zu solchem Geschäft hergeben müssen. Soll man dem Publikum davon abraten, mitzutun? Es ist schwer zu sagen, furchtbar schwer, weil schon, während man darüber nachdenkt, im Hintergründe der ungeheure Kontrast aufsteigt, der anderen das Geld nur so in den Schoß schüttet. Für den Kunstsortimenter aber ergibt sich angesichts solcher Angebote, mit denen das Publikum auf direktem Wege über schwemmt wird, immer wieder die Notwendigkeit und auch die Berechtigung, das kunstkaufende Publikum darauf hinzu weisen, daß eine anständige Reproduktion nach einem leidlich. guten Original immer noch weit besser ist, als jene