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14626 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 292, 16. Dezember 1908. Dank dafür wissen, daß er nicht bloß die tatsächlichen Angaben über Lindenborns Lebenslauf gesammelt, sondern auch eine genaue Darstellung des Inhalts seiner Satiren geliefert hat. Die Preßverhältnisse und den Stand der Zeitungsschreiber kannte Lindenborn aus eigener Erfahrung. Die Ansätze zu einer Zeitung im modernen Sinne, die selbständig Stellung zu allen Ereignissen nimmt, die, wie Prutz sagt, nicht bloß berichtet, sondern auch richtet, entwickelten sich gerade erst zur Zeit Lindenborns. Er selbst hat in seinem Welt-und Staatsboten damit einen Anfang gemacht. Lindenborn spottet über die alte Art der Berichterstattung, die sich häufig in der Mitteilung höchst unwichtiger Dinge erschöpft. Sagen die Journalisten die Wahrheit, d. h. halten sie sich streng an die Geschehnisse, so müssen sie, da diese oft sehr dürftig sind, »gar magere Soupen« schlucken«, und der Leser ist mit dem Stoffe nicht zufrieden. Anderseits sieht ihnen aber auch die hohe Behörde scharf auf die Finger, wenn sie allzu genau deren Geheimnisse ausplaudern. Darum ziehen die Journalisten es vor, »der Fürstine Verita geschwvrne Feinde« zu sein Um dem Ver langen des Publikums nach Neuigkeiten gerecht zu werden, strengen sie ihre erfindungsreiche Phantasie gewaltig an. Aus einigen pikantes Artikelchen. Selbst Skandal und Familienklatsch ist Hunden das Ausgespiehene wiederum durch einen Widerruf ein fressen müssen«, so wird dadurch der angerichtete Schaden nicht wieder gut gemacht, denn Auch die Politik wird in solcher Weise von den Zeitungs schreibern gemacht. »Kaum reget Franckreich einen Finger«, so schleudern sie, wie Nostradamus seine Weissagungen, ihre politi schen Nachrichten in die Welt, und im »Nostradamus-mäßigen Deutschen Stylo Lappidario« prophezeien sie bald, »weme dermal- eins die Kaiser Cron zu Theil fallen werde«, bald halten sie »nach ihrem Belieben eine papierne Campagne«. Manche Zeitung stand in naher Beziehung zu irgend einem Fürstenhof oder einer Partei und empfing von dort die Wei sungen für ihre politische Haltung. Dafür, »daß sie diesem oder jenem Hofe, dieser oder jener Fraktion zuliebe fein partheyisch liegen (lügen) mögten«, erhielten solche Blätter ansehnliche Jahrgelder. Interessant für den damaligen Stand des Zeitungswesens ist der Spott Lindenborns über die langsame Berichterstattung. So genannte Korrespondenzbureaus in den größeren Städten lieferten den Zeitungsherausgebern die neuesten Nachrichten gegen eine jährliche Gebühr, wobei sich die Reihenfolge der Abfertigungen nach der Höhe der Gebühren richtete. Blätter mit geringen Mitteln wurden dementsprechend schlechter, d. h. langsamer be dient und konnten ihren Lesern erst sehr spät mit den »neuesten« Nachrichten aufwarten. Lindenborn verspottet dieses Nachrichten system, indem er einen Harlekin mit einem Heringsfäßchen an kommen läßt, in dem die Korrespondenzen aufbewahrt werden, damit sie nicht verschimmeln oder verfaulen. Wer Beckmanns Buch über Lindenborn liest, wird staunen über die Fülle interessanten Stoffes. Man darf wohl annehmen, daß in Zukunft der Kölner Diogenes sowohl in der deutschen Literatur, als auch in der Geschichte des Zeitungswesens den ihm gebührenden Platz erhalten wird. Ein anderes Werk aus der Geschichte der Presse führt uns nach dem Osten: vio Kr68lun6r polit-iselle ?r6886 von 1742—1861. l^6l)8t l-eonirurck Nüllei-. 8". V, 443 8. Lr68luu 1908, Ooeiliell L Oooll (Uuckolk 8prielr). Schlesiens erste unter preußischer Herschaft herausgegebene politische Zeitung war begründet von dem aus Kurbrandenburg stammenden Buchhändler Johann Jakob Korn, dem am 22. Ok tober 1741 das Privileg auf Herausgabe einer Zeitung für 20 Jahre gegen jährliche Entrichtung von 200 Talern bewilligt wurde. Diese Zeitung erschien zu Beginn des Januar 1742 unter dem Titel: »Schlesische Privilegierte Staats-, Kriegs- und Friedens-Zeitung«. Seitdem dieses Blatt, das später den Namen »Schlesische Zeitung« annahm, zum erstenmal erschien, hat auch in Breslau das Zeitungswesen eine große Wandlung durch gemacht und einen bedeutenden Aufschwung genommen. Auf die Blätter mit nüchternem und trockenem Inhalt sind angesehene politische Zeitungen gefolgt, in denen sich alle Er eignisse des öffentlichen Lebens wiederspiegeln. D> . Leonhard Müller behandelt nicht bloß die äusere Geschichte der einzelnen Zeitungen, sondern er hat auch ihren Inhalt durch forscht, und so ist sein Werk nicht bloß ein Beitrag zur Geschichte der Presse, sondern es enthält auch Material zur Entwicklung der öffentlichen Meinung und der politischen Parteien. Der 1. Teil behandelt das Breslauer Zeitungswesen von 1742 bis 1820 (die politischen Zeitungen und die schlesischen Belehrungs zeitschriften und Handelszeitungen), der 2. Teil die Geschichte der Breslauer Zeitungen von 1820 bis 1861 (Schlesische Zeitung, Breslauer Zeitung, Schlesische Chronik, Konservative Zeitung für Schlesien, Oderzeitung, Breslauer Volksspiegel und Fliegende Blätter, die politische und die Witzblatt-Literatur der Jahre 1848 49, Breslauer Morgenzeitung, Schlesisches Kirchenblatt, Zeitung für freie Gemeinden, Schlesische Volkszeitung). Im 3. Teil erörtert der Verfasser die Politik der Schlesischen Zeitung und der Breslauer Zeitung von 1861 bis 1871 Jahr für Jahr, so wie sie in den Leitartikeln dieser Zeitungen ihren Ausdruck fand. Der 4. Teil ist der übrigen Breslauer Presse von 1861 bis 1871 ge widmet (Provinzialzeitung für Schlesien, Breslauer Morgenzeitung, Schlesisches Morgenblatt, Breslauer Hausblätter und Schlesische Volkszeitung). Es folgt dann noch eine schematische Übersicht über die Breslauer politische Presse und ihre jeweilige Richtung sowie ein Aktenanhang, der noch manches bemerkenswerte Material enthält, u. a. ein Verzeichnis derjenigen »Schriftsteller und Zeitungs-Korrespondenten, welche der Umsturzpartei zugetan oder- verdächtig sind« (1853). Der Verfasser hat für sein umfangreiches Werk, das mit Recht durch einen Preis der Universität Breslau ausgezeichnet wurde, außer den von ihm behandelten Zeitungen und einigen anderen gedruckten Quellen auch viel ungedrucktes Material im Breslauer Staatsarchiv, im dortigen Stadtarchiv, in der Schlesischen Ober- präsidial-Registratur und im Verlagsarchiv der Schlesischen Volks zeitung benutzen dürfen. Hierdurch hat er zahlreiche Angaben er mittelt, die den Wert seiner Arbeit wesentlich erhöhen. Dieses reichhaltige Werk soll später noch eine Ergänzung finden in der bis zum Jahre 1890 fortgeführten Geschichte der Schlesischen Volkszeitung aus der Feder desselben Verfassers. T. Kellen. Oil', Uudonnu. ?U88lON. Ke8>8N3ll0N. Vou HglIN8 >VoIk 83N8 kalk. LI. tzO. 54 u. 8 8. Nit 1ardiA6lu ll'itol- dilck. Lravlrkurt ». Naiu 1908, Oarl Lr. 8eliul2, (geb. 5 ^E) und in 30 Exemplaren Luxusausgabe (20 >) gedruckt. Verfasser und Verleger in einer Person vereint finden wir in dem im Verlage von Carl Fr. Schulz, Frankfurt a. M., er schienenen Gedichtbuch: »Dir, Madonna«. Hanns Wolfgang Rath verrät in seinen Versen ein tiefes Empfinden, von Herzen kommend — zu Herzen gehend! Wenn wir lesen: Ich habe einmal Liebe gefühlt Zur Frühlingszeit, Es wurde mein Sommerleid — Es war alles, alles ein Traum, dann empfinden wir, daß hier ein Lyriker zu uns spricht, ein Lyriker, an dem unsere gegenwärtige Zeit wohl so reich — und in Wirklichkeit doch so arm ist! Und das ist's ja, was uns an Raths Versen immer und immer wieder an ieht, das Gefühl, daß