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7928Börsenblatt f. d. Dlschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. 130. 4. Juni 1924. Bücher gar nicht genug Wiederverkäufe! haben. Schwierig, hart und zuweilen auch Ungerecht wird diese natürlich« Auslese im deutschen Sortiment werden; am glimpflichsten wird aber auch hier derjenige fahren, der rechtzeitig seine Lage und die Unmöglichkeit, sich im Wirtfchaftskamps oben zu halten, erkennt und daraus die nötigen Schlüsse zieht. Wenn nun auch darüber kein Zweifel bestehen kann, daß wir wirtschaftlich nur dann wieder hochkommen können, wenn wir unfern Jnlandskonsum auf das äußerste einschränken und alle freien Mittel direkt oder indirekt dem Ausbau unserer Wirtschaft zur Verfügung stellen, so darf uns diese Erkenntnis doch nicht da« von abhalten, zu versuchen, aus der Gesamtsumme des wirtschaft lich erträglichen Jnlandskonsums so viel als irgend möglich dem Bücherabsatz zuzuleiten. Es liegt mir deshalb auch nichts ferner, als einem untätigen Pessimismus das Wort zu reden — nur Klarheit über die Größe unserer wirtschaftlichen Not möchte ich schaffen und verbreiten helfen, um dadurch dem gedankenlosen und gefährlichen Optimismus, als könnten wir unbesorgt so weiter wirtschaften wie in den letzten Jahren, den Boden zu entziehen. überlegen wir, mit welchen Mitteln wir den Bücherab- satz heben und fördern können, so stoßen Wir sofort auf einen ganzen Komplex wichtiger buchhändlerischer Zukunftsfragen. Im Vordergrund steht die so lange aus inneren und äußeren Grün den vernachlässigte Werbung für das Buch im allgemeinen und für das einzelne Schriftwerk im besonderen. Erfreulicherweise können wir auf diesem Gebiet in den letzten Monaten recht schöne Fortschritte feststellen und dürfen Wohl auch sagen, daß der Buch handel den Wert einer geschickten Propaganda immer besser er kennt. Aber auch die beste Propaganda wird auf di« Dauer ver sagen, wenn ihr nicht Erzeugnisse zugrunde liegen, die nach Aus stattung und Preis jedem Wettbewerb die Spitze bieten. Diesem Punkt werden wir also unsere ganz besondere Aufmerk samkeit zuzuwenden haben. Sind unsere heutigen Bücherpreife angemes sen oder sind sie zu hoch oder zu niedrig? Vom Publikum aus betrachtet und an seiner Kaufkraft ge messen werden sie zweifellos als zu hoch erscheinen. Es liegt da her auch für uns wie fast überall die Frage nahe, ob nicht durch eine möglichst allgemeine Ermäßigung der Bücherpreise neues Leben in das immer stiller werdende Geschäft gebracht werden könnte. Es gibt Skeptiker, die diese Frage von vornherein ver neinen und sich von einer Herabsetzung der Preise um 10, ja sogar um 20?S keine Belebung des Absatzes versprechen, die auch nur einigermaßen den Ausfall an Bruttogewinn wettmachen könnte. Ganz abgesehen von dieser Auffassung, zu der ich mich persönlich auch bekenne, deren Richtigkeit aber nur durch den Versuch bewiesen werden könnte, muß aber doch auch geprüft werden, wie sich die dem Publikum, ja sogar manchmal auch dem Sortiment zu hoch er scheinenden Bücherpreise vom Standpunkt des Erzeugers aus dar- sicllen. Hier wird mir jeder Sachkundig« ohne weiteres recht geben, wenn ich ausspreche, daß die heutigen Bücherpreise, soweit sie sich bei friedensmätziger Ausstattung um nicht mehr als 20^ über Friedenshöhe halten, und das dürfte aus die Mehrzahl aller Bücher zutreffen, nicht entfernt mehr mit den seit Beginn des Jahres von Monat zu Monat sich steigernden Herstellungskosten und Geschäfts spesen in Einklang stehen. Heut« schon klafft zwischen den Ende vorigen oder Anfang dieses Jahres festgesetzten Goldmarlpreisen und den derzeitigen Herstellungskosten eine Lücke, die jedem denken den und rechnenden Verleger ernste Sorgen bereitet. Eine allge meine Preisermäßigung müßte also entweder vom Verleger selbst — und zwar nicht aus dem Gewinn, sondern aus dem Ver mögen — getragen werden, oder es müßte die Aussicht bestehen, daß durch eine Herabsetzung der Herstellungskosten und Geschäfts spesen früher oder später ein Ausgleich geschaffen werden könnte. Wie liegen aber hier die Verhältnisse? Die Papterpreise sind um etwa 50 bis 807» höher als im Frieden; sie können nicht herabgesetzt werden, solange nicht die Preise für Holz, Kohlen und Frachten, die auf dem Itz^sachen bis Doppelten des Friedenssatzes stehen, ermäßigt werden. Die Aus sichten hierfür sind aber, wie jeder cinsehen wird, äußerst gering, weil das Reich und die Länder an alles ander« eher denken als an die Schwächung ihrer wichtigsten Einnahmequellen. Für Buch druck- und Buchbinderarbetten kann in absehbarer Zeit auf eine Verbilligung ebenfalls nicht gerechnet werden, da erst in diesen Tagen wieder neue, unter den heutigen Verhältnissen sehr empfind liche Lohnerhöhungen «ingetreten sind und auch die Materialpreise mit Ausnahme der Metalle, die aber keine groß« Rolle spielen, keine Ermäßigung erfahren haben oder erfahren dürften. Die Stei gerung der Geschäftsspesen seit Beginn dieses Jahres spürt jeder Einzeln« am eigenen Leibe so stark, daß es nicht nötig ist, sie noch im einzelnen anzuführen. Auf der ganzen Linie sehen wiruns also einer Situation gegenüber, die an «ine allgemeine Herabsetzung der Bücherpreife nicht denken läßt. Wohl werden da und dort unter dem Druck der Kapitalnot Ver käufe unter den Herstellungskosten erfolgen, Rabattangeboi« bis zu 70 und noch mehr Prozent sprechen ja ein« beredte Sprache, und auch im Sortiment wird manches Buch mehr oder weniger ver schämt als modernes Antiquariat verkauft werden. Diese Erschei nungen dürfen uns aber nicht beunruhigen und uns nicht den Blick dafür trüben, daß ein« allgemeine Herabsetzung der Bücherpreife, soweit dies« sich in dem oben angedeuteten Rahmen hält, keine nennenswerte Belebung des Geschäfts, Wohl aber eine kaum wieder gutzumachen.de Schädigung des ganzen deutschen Buchhandels zur Folge haben würde. Sollt« dagegen doch in absehbarer Zei! der heute nicht dorauszusehende und auch nicht wahrscheinliche Fall einer Ermäßigung der Herstellungskosten und Geschäftsspesen ein- treten, so wird der Verlag sicher keinen Augenblick zögern, sich der allgemeinen Bewegung anzupassen. Daß in einem solchen Fall auch die unter ganz anderen Verhältnissen geschaffen« Bestimmung des Z 4 der buchhändlerischen Verkehrsordnung über die Regreß- Pflicht des Verlegers gegenüber dem Sortiment kein Hindernis für eine Anpassung der Bücherpreise an das allgemeine Preisniveau bilden dürste, versteht sich von selbst. Diese Bestimmung ist ja auch bisher derständigermaßen nur da angewandt worden, wo ein Ver leger kurz vor einer Preisherabsetzung noch größer« Posten seine: Bücher an das Sortiment verkaufte. Zum Schluß sei mir noch eine kurze Betrachtung der schon tot- geglaubten, im letzten Herbst aber fröhlich wieder auferstandenen Einrichtung der Be d i ng t lie se ru n g gestattet. Wohl mutz die Entscheidung darüber, ob sich dies« Verkehrsreform unter den heutigen Verhältnissen noch lohnen kann oder nicht, jedem einzel nen Verleger oder Sortimenter, der sich ihrer bedient, überlassen bleiben; ich glaubt« mich aber doch einer Unterlassung schuldig zu machen, wenn ich nicht darauf hinwiese, wie unwirtschaftlich, ja geradezu gemeinschädlich für den ganzen Buchhandel die ausge dehnte Bedingtlieferung der Vorkriegszeit war. Ich will durch-- aus nicht in Abrede stellen, daß es für den wissenschaftlichen Ver lag wertvoll, vielleicht sogar unerläßlich sein kann, mit einer klei nen Zahl von Sortimentern einen beschränkten Bsdiiigtverkehr aus recht zu erhalten, verkenne auch nicht, daß für besondere Gelegen heiten, Sonderausstellungen u. dgl. Kommiffionslieserungen mit kurzfristiger Abrechnung am Platze sind; darüber hinaus sollte aber von jeder Bedingtlieferung abgesehen werden, da weder für den Verleger noch für den Sortimenter «in Gewinn übrig bleiben kann, wenn 3 bis 4 Bücher (und dieser Verhältnissatz ist noch günstig) hin- und hergesandt werden müssen, um ein einziges zu verkaufen. Zu diesem Mißverhältnis zwischen Erfolg und Spesen treten für den Verlag noch die Beschädigungen seiner vergeblich versandten Bücher und nicht zuletzt die Notwendigkeit hinzu, von vornherein größere Auflagen zu drucken und zu heften oder zu binden, als für den reinen Barverkauf erforderlich gewesen wären. Treffen diese Verluste in erster Linie den Einzelnen, so liegt die Gememschädlich- kcit des Bedingtverkehrs darin, daß der Markt für das gut« und absatzfähige Buch durch die Menge überflüssiger Erscheinungen, die nur auf dein Weg der Bedingtlieferung in das Sortiment hineiu- gepretzt werden können, verstopft wird und daß mit seiner Hilfe Existenzen großgezogen und künstlich erhalten werden, die nur dem gesunden und lebensfähigen Sortiment di« Arbeit und das Leben erschweren. Wenn der Verlag.seinen engeren Geschäftsfreunden, di« sich besonders für ihn verwenden, mit Vorzugsrabatten an die Hand geht und ihnen in besonderen Fällen auch ein beschränktes Um-