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269, IS. November 1908. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 13275 An sie wendeten sich daher auch Musikoerleger, wie Longman L Broderip, Brenner u. a., wenn sie ein Musikwerk mit einem besonders prächtigen Titel zu versehen wllnschten. Von diesen Künstlern rührt z. B. das Frontispiz der neuen Ausgabe des Händelschen Messias her, der bei Bland L Wellers in London erschien. Hier ist Händel beim Komponieren geistlicher Musik dargestellt, wie ihn der Genius der Harmonie mit dem Lorbeer krönt. Sie haben ferner die allegorischen Figuren auf zwei Kompositionen zu CH. Fred Abels »8ix Haartetto« und »8ix Ooucerts pour ls Oiktveelll ou kiavolortsi, sowie das treffliche Porträt des Erb prinzen von Braunichweig-Lllneburg, vor dessen Posta ment zwei allerliebste Putten dargestellt sind, auf den ihm gewidmeten 12 Sonaten Felics Gardinis (1765) geschaffen. Auch der weibliche Genius mit zwei Putten auf Theodore Smiths »Lines kavorits Dusts« dürfte ihnen zuzuweisen sein. Der schönste Titelkupfer, den ich kenne, ist aber der von William Shields komischer Oper Rostna. Dies Blatt ist von außerordentlicher Grazie und Lieblichkeit, ohne daß die von den beiden nicht immer vermiedenen Klippen der Süßlichkeit auch nur berührt wurden. Cipriani und Bartolozzi haben auf die englischen Graphiker ihrer Zeit sehr stark gewirkt, und es erscheint daher selbstverständlich, daß neben einer Menge von Titel fassungen im Chippendale- und Zopfstil auch ein großer Teil der damaligen Notentitel vollständig unter ihrem Ein fluß steht.« Soweit von Zur Westen, dessen bewährtes Urteil auf diesem Gebiete man nur unterschreiben kann. Ein äußerst charakteristisches Stück bietet Giardanis »ä. seeovä sot ok six ooueertos» erschienen bei Longman Lr Broderips in London, von dem Zur Westen vermutet, daß er von der Angelika Kauffmann und von Cipriani herrührt. Dieser Titel soll dem Zeitgeschmack in solchem Maße entsprochen haben, daß er von dem Berliner Musikoerleger I. I. Hummel direkt nach gemacht wurde. Die italienischen Notentitel, die vornehmlich prospektartig oder in Form von Randoerzierungen gehalten sind, so daß die Mitte ein mehr oder weniger freies Feld bietet, zeigen die Titelschriften meistens in Schreibschrift ausgeführt. Dies geschah wohl hauptsächlich deshalb, damit der Titel für mehrere Werke oder wohl gar auch von mehreren Verlegern verwendet werden konnte. Als Graphiker kommen hier Car- loni, Bombelli und Silvestri in Betracht. Die deutschen Notenlitel des 18. Jahrhunderts stehen zwar im allgemeinen nicht ganz auf gleicher künstlerischer Stufe mit den englischen und französischen, da sie den ge schmackvollen Ausbau und die technische Durchbildung nicht völlig erreichen, den die anderen auszsichnen, gleichwohl finden sich immerhin sehr achtbare und charakteristische Blätter vor. Eine vortreffliche Arbeit ist u. a. der Titel zu Mottls »8ix Duos OoueertLuts«, von G. A. Lehmann gestochen, der bei August Böhme in Hamburg erschienen ist. Besonders wichtig als Verleger jener P riode ist Johann Julius Hummel in Berlin, der aus der be kannten Mustkerfamilie stammte. Er begann seine Tätigkeit als Notenstecher und Musikverleger zuerst in Amsterdam, wo 1766 das erste von ihm herausgegebene Werk erschien. Jedoch nicht lange danach verlegte er sein Hauptgeschäft nach Berlin und überließ das Amsterdamer Geschäft seinem Schwiegersohn zur Wetterführung. Seine Titel zeigen neben einfacheren ornamentalen, rahmenartigen Einfassungen auch reiche phantastische figurale Darstellungen, die aber einen stark barocken Charakter tragen. Bei den meisten Titeln, die aus seinem Verlag hervorgegangen sind, ist der Urheber ungenannt geblieben. Ein anderer deutscher Musikverleger, der für die Musik- literatur in Betracht kommt, ist Bernhard Theodor Breitkopf, der sich später mit Härtel assoziierte und die heute welt bekannte Firma Breitkopf L Härtel gründete. An der Ausführung der früheren in ihrem Verlage erschienenen Titelkupfer waren Bolt, W. Böhm, Kiniuger, Jügel und Schnorr beteiligt. Im Anfang des neunzehnten Jahrhunderts beginnt nach der epochemachenden Erfindung Senefelders die Litho graphie die Vorherrschaft auf dem Gebiete des Notentitels zu erringen. Und hier ist es namentlich Frankreich, wo der aus den Stein gezeichnete Titel zuerst zur vollen Geltung kommt, da viele der besten französischen Graphiker sich auch mit der Ausführung von Notentiteln beschäftigt haben. Diente die Lithographie in Frankreich mit zur Verherrlichung des Bonapartismus, so tat dies der Notentitel ebenfalls. Be sonders Charlet, der nicht bloß als Zeichner, sondern zu gleich auch als Dichter und Komponist tätig war, hat in dieser Richtung vieles geschaffen. Aber noch ein anderes sollte der lithographierte Noten titel im Gefolge haben, und diese Wandlung wurde bedingt durch die Technik der Steinzeichnung, die dem Künstler er möglichte, seine Ausdrucksmittel weit malerischer zu gestalten, als dies den alten Stechern gelang. So ging der Charakter des Titels, der ehemals rein dekorativ war, zum Illustrativen und Bildmäßigen über. Selbst die großen Romantiker unter den Malern, wie Delacroix und Johannot, haben sich hier betätigt. Besonders mit dem Notentitel hat sich Cölestin Nanteuil (1813—1873) beschäftigt. Seine Arbeiten zeichnen sich durch eine außergewöhnliche Kraft und Mannigfaltigkeit der Tönung aus; in seinen Steinzeichnungen findet sich der tiefe, sammetartige Charakter, der sich als Kennzeichen der besten Kreide-Steinzeichnungen geltend macht. Mouilleron hat im Hinblick auf die Weichheit und Tiefe der Töne wohl das Bewundernswerteste aufzuweisen, was die Steinzeichnung überhaupt zuwege gebracht hat. Neben Nanteuil sind dann noch Raffet, Horrors Daumier, Gavarni, Grandville, Fröre, Stopp und der geistvolle Cham, der lauge Zeit auch für den »Charivari« tätig war, hervorgetreten. Mit dem Beginn des zweiten Kaiserreichs tritt dann eine Verflachung des Notentitels ein, wenn es auch nicht an einzelnen recht ge schickten Spezialisten fehlt, unter denen Chatiniöre, Darjou, Danjeau und Bertrand zu nennen sind; von neueren wären zu erwähnen Chsret und Grasset. Eine so bedeutsame Entwicklung wie in Frankreich hat der Notenritel in Deutschland nicht durchgemacht. Das Widerstreben vieler deutschen Künstler in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, ihre Kunst in den Dienst des täglichen Lebens zu stellen, die Furcht, sie dadurch zu pro fanieren, hat viele gerade unserer Besten davon abgehalten, sich auf diesem Gebiet zu betätigen. Dennoch sind auch einige unserer hervorragendsten Künstler jener Periode so einsichtsvoll gewesen, auch die Zeichnung zu einem Noten- titel nicht unter ihrer Würde zu halten; wir haben auch Schöpfungen von Moritz von Schwind, Neureuther, Burger, Ludwig Richter, Theodor Hosemann und Adolf Menzel zu verzeichnen. Ludwig Richter hat einige ganz reizende Titel für Breitkopf L Härtel geschaffen zu Schumanns Klavier stücken und Kinderliedern, die Carl Reinecke heraus gegeben hatte. Gewiß ein höchst erfreuliches Zeichen der neueren Zeit ist es, daß sich unsere Künstler nicht scheuen, auch einen Notentitel zu zeichnen. Sie wissen, daß nicht die Sache den Wert ihrer Kunst einschätzt, sondern das Wie. llnd darum verschmähte es selbst kein Geringerer als Max Klinger, eine Serie Titel zu zeichnen zu Kompositionen des ihm geistes verwandten Brahms (Verlag von N. Simrock in Berlin), I7SS»