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8738 Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Spkechsaal. 191, 18. August 1908. Name des Kollegen verschwiegen, der das Posener Christliche Vereins-Sortiment übernimmt? Ich glaube ihn zu kennen, und glaube, daß er erst nach vielem Überlegen und nach von ihm gemachten anderen Vorschlägen dahin gekommen ist, diesen Vertrag zu unterschreiben. Warum ist ein Posener Kollege nach voll zogenem Vertrage zum Konsistorium gekommen, um sich in der Sache als Teilhaber anzubieten? Vielleicht steht dieser Kollege der Unterschrift N. N. vom 16. Juli nicht fern. Warum wird der Inhaber der neuen Vereinsbuchhandlung in Posen durch Angabe, er habe die größte Kontinuation auf den »Simplicissimus», denunziert? Nun wissen wir Posener Buchhändler, auch ohne die Vertragsunterschriften gelesen zu haben, wer gemeint ist. -Ich halte dem Kollegen die Stange», so möchte ich mich an einen dieser Tage bekannt gewordenen Ausspruch anlehnen; denn ich kenne den betreffenden Posener Sortimenter als einen durchaus sympathischen und treuen Kollegen, dabei aber auch als einen gut rechnenden Sortimenter. Den Vertrag hätte ich genau so unter schrieben wie er und hundert andere Sortimenter auch. Warum sollte Z 10 nicht unterschrieben werden, und warum soll er eine Achtungsverletzung der eigenen Person darstellen? Weiß N. N. genau, daß besonders dieser Z schon unterschrieben ist? Verträge werden nicht für die Ewigkeit geschlossen, wie die so oft gebrochenen Friedensverträge. Hier ist eine zeitlich- Grenze für beide Parteien richtig. Im übrigen hat es der Kollege mit einer, soviel uns allen im Osten bekannt ist, einsichtsvollen und liberalen evange lischen Geistlichkeit zu tun, deren Arbeit im zweisprachigen* meist katholischen Gebiete nicht minder schwer ist, als die der Buchhändler auf demselben Gebiete. Wir deutschen Buchhändler können uns in der Ostmark nicht beklagen, daß wir im nationalen Kampfe gegen das Polentum von oben allzusehr unterstützt würden; besonders die kleinen Sortimenter in der Provinz und außerhalb der Stadt Posen kämpfen schwer. Aber ein Gedanke ringt sich immer mehr im Osten durch, und den müssen wir Sortimenter pflegen und fördern; er ist eS auch, der mir die Feder gegen Kollegen Cludtus in die Hand drückt: »Die Provinz Posen den Posener Buchhändlern!-, und damit komme ich zum letzten Teile der Überschrift: Bilder aus der Ostmark. Als ich im Jahre 1894 mein Geschäft übernahm, fand ich in diesem ein seit Jahrzehnten gesiegtes Spezial - Sortiment für katholische Literatur vor, obgleich die Firma Ebbecke in Lissa stets in den Händen evangelischer Buchhändler war. Zwei Jahre genügten, um mir dieses katholische Spezial-Sortiment zu ent reißen; der in dieser Zeit ausflammende Nationalitätenkampf rief polnisch-katholische Buchhändler aus den Plan, die aller orten kleinere und, besonders in Posen, auch größere Sortimente schufen, unterstützt natürlich von der katholischen Geistlichkeit. Ich durfte nicht klagen, wie Herr Cludius, sondern bei mir hieß es: wenn du bestehen willst, so arbeite, oder — wie das »Geschwisterpaar- im Westen uns so oft vorführt —: »Arbeiten und nicht verzweifeln-. Was lag mir näher, als ein Spezial- Sortiment für evangelische Geistliche einzurichten? Hier wirst du als Evangelischer dein Feld finden, meinte ich. — Fehlgcschossen I — Die Zeit der christlichen Vereins - Sortimente war noch nicht gekommen. Unsere Posener Pastoren würdigten wohl die Arbeit meines Sortiments, gebrauchten mich bei kleinen und eiligen Be stellungen als Notnagel und kauften — in Berlin, bei den christ lichen Missionsbuchhandlungen, Sonntagsschulbuchhandlungen usw. Wieder zwei Jahre verflossen und nichts erreicht, dachte ich und warf mich der Schule und der Lehrerschaft in die Arme, hier den Grundgedanken eines Spezial-Geschäftes weiter verfolgend. Ob ich hier etwas erreicht habe, das zu beurteile», überlasse ich gern meinen Posener Kollegen. Es gab auch bei dieser Spezialisierung schwere Kämpfe, und es mußten Lieferungs beziehungen, die seitens der Behörden in Berlin festlagen, zer stört und bekämpft werden; es mußten Zentralisierungsversuche von Lieferungen in der Stadt Posen selbst bekämpft und neue Wege eingeschlagen werden, um die von der Provinz nach außen laufenden Beziehungen der Schule, der Lehrer und der Vorgesetzten Behörden zum Spezial-Geschäft zusammenzuztehen. Schwere Arbeit hat es gekostet, festen Boden zu fassen, und schwere Arbeit kostet es noch, ihn zu festigen. Unsere ostmärkischen Sortimenterverhält nisse sind teilweise recht erbärmliche, und der Kollege, der nicht aus diesen Verhältnissen herauszukommen sucht, sinkt. Ich freue mich deshalb, daß ein Posener Sortimenter seine Beziehungen festigt, daß er, ehe ein fremder Buchhändler weiters Zersplitterungen im Posener Sortiment schafft, zugegriffen hat, um dem zu begegnen, und daß dadurch viele Beziehungen künftig in der Provinz bleiben, anstatt nach außen, besonders nach Berlin zu gehen. Vor zwei Jahren schon gab ich dem Posener Sortiment den Rat, den Bahnhofs-Buchhandel in der ganzen Provinz für sich zu reklamieren und nicht die Buchhändler von außerhalb in unsere Provinz herübergreifen zu lassen. Auch heute noch rate ich den Herren in Posen, welche meinen, ihnen gehe etwas am Umsatz verloren, diesen voraussichtlichen Verlust einzuholen, in dem sie sich den Bahnhofs-Buchhandel als Spezialität angliedern oder irgend ein anderes Feld zu ihrer Betätigung suchen, statt den Kollegen anzugretfen, der, wie die Verhältnisse lagen, richtig handelte, als er selbst Christlicher Vereins-Sortimenter wurde. Das deutsche Sortiment hat sich mit dem Reise-Buchhandel, dem Warenhausbuchhandel abfinden müssen; es wird sich auch mit dem christlichen Vereins-Buchhandel abfinden, und dieser ist nur ein Teil dessen, was uns noch alles droht: das Spezial-Ge schäft in allen Fach» und Beamtenkreisen. Wohl dem Sortimenter, der bei der Umwandlung der Dinge rechtzeitig seinen Regenschirm ausspannt, um nicht naß zu werden. Was uns Buchhändlern aber besonders schadet, ist, daß wir in den Handelskammern zu wenig vertreten sind. Wir leben, besonders im Osten, zu vereinzelt, um eine Wahl in die Handels kammer erzielen zu können. Es wehrt sich heute jeder seiner Haut, und wenn ich sehe, daß zur Unterstützung des Deutschtums im Osten sämtliche Papier-Lieferungen an die Justizbehörden, Zoll- und Steuerbehörden rc. in Posen zentralisiert werden und uns kleinen Sortimentern und Auch-Papierhändlern in der Pro vinz genommen wurden, wenn ich bedenke, daß unsere Behörden ihre Kuverts in Gefängnissen kleben, ihre Buchbinderarbeiten in Zuchthäusern Herstellen lassen, mit ihren Druckarbeiten Land armenhäuser durch Einrichtung eigener Druckereien beschäftigen, so frage ich mich imnier: warum sind es gerade die Gebiete des Buchhandels und seiner Schwestergebiete, die den Behörden das beste Feld zum Eigenbetrieb geben? Weil wir Buchhändler nicht energisch genug Vorgehen, weil wir wohl Handelskammerbeiträge zahlen, aber keine entsprechende Vertretung darin haben, weil wir, mit anderen Worten, uns zu wenig rühren. Wenn wir erreichen, unsere Beziehungen in der Provinz Posen so zu fördern, daß es heißt: -Posen den Posener Deutschen!» und »Gebet dem Buchhändler mit seinen Nebenbranchen, was ihm zu kommt, um sich im schwerbedrohten Osten zu halten!» dann wird auch unser Posener Buchhandel erstarken und blühen. Daß dies jetzt nicht der Fall ist, zeigt die geringe Zahl der dem Posener Provinzial-Buchhändler-Berbande angehörigen Firmen. Der Posener Kollege, der das Christliche Vereins-Sortiment seinem Geschäft angliederte, geht den richtigen Weg; er wird Bezugsquellen von auswärts verstopfen und neuen Absatz in und für Posen schaffen. Er hilft bauen in der Provinz Posen, und sein Baustein festigt ein Gebäude, an dessen Eingang einst stehen wird: »Posen den Posenernl- Lissa i/P., August 1908. Oskar Eulitz. Zum Artikel: »Christliche Vereinssortimente« in Nr. 186 d. Bl. (Vgl. auch Nr. 157, 178 d. Bl.) Zu dem in Nr. 186 d. Bl. durch Herrn Karl Cludius (Cludius L Gauß, Berlin) mitgeteilten Brief von N. N. in Posen hat uns dieser letztere seinen Namen genannt. Um Jrrtümern vorzubeugen, bittet er um Bekanntgabe seiner Erklärung, daß es ihm fern gelegen habe, in den Worten seines Briefes (Zeile 9 und 10): «und gegenüber den hier noch bestehenden 4 bedeutenden jüdi schen Buchhandlungen- einen Gegensatz zwischen den Posener Kollegen evangelischer und jüdischer Konfession zu konstruieren. Er habe in Beleuchtung der Posener Verhältnisse lediglich sagen wollen, daß es außer den drei bedeutenderen evangelischen Buch handlungen noch vier bedeutendere Buchhandlungen in Posen gibt, welche von Herren jüdischer Konfession — selbstverständlich in durchaus deutschem Sinne — geleitet werden. Red.