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6344 Nichtamtlicher Teil. 207, 6. September 1899. stehen, — wie solche aber von abgenützten Platten fast unver käuflich sind. Bei dem hier nachgewiesenen Schaden war stets nur von der graphischen »Reproduktion« die Rede. Doch auch die »Originalradierung« tritt in den immer kleiner werdenden Kreis der Sammler zurück! Die ganze sogenannte »schwarz weiße« Kunst erliegt in der Gegenwart den seit etwa 2 5 Jahren gegen sie anstürmenden Feinden: der Renaissance-Dekorations sucht, der wiederaufgelebten Chinoiserie und dem Japanismus. Das Kunstgeschäft hat demzufolge auch einen veränderten Charakter angenommen. Die Vorräte von Kunstblättern in Mappen vermindern sich zu gunsten der Aufstellung von Wanddekorationsstücken in ausgesuchter Einrahmung. Der Kunsthändler wird zum Aussteller. Er huldigt mit mehr oder weniger innerer Ueberzeugung auch dem Zeitgeschmack. Es tummelt sich unter Umständen bei ihm wie in manchen gremialen Ausstellungen eine Farbenwelt, in der alle Stadien vorgeschichtlicher Wesensmöglichkeiten, des arkadischen Stumpf sinnes, brutaler Menschenbildung ohne und mit Verzeich nungen, krankhafter, zum teil unentwirrbarer Seelenverbin dungen von Jung und Alt, zur Schau geboten werden. Mit ihrem »guos ego« suchen gewisse Kreise das kunstliebende Publikum zu möglichster Anspruchslosigkeit bezüglich Abge schlossenheit der Komposition und Sorgfalt der Durchführung herabzustimmen I Allmählich gelangen diese Kreise indes wohl zur Einsicht, daß die große Menge neugieriger Beschauer noch nicht ihre Freunde geworden sind, und wenn ihr arka discher Nachwuchs seine Unbefangenheit zu etwas mehr künst lerischer Wohlanständigkeit umbilden sollte, so bekommen wir hoffentlich auch wieder ein einträchtigeres Künstlerleben und ein für dessen Erzeugnisse empfänglicheres Publikum! Die Erziehung, die der gegenwärtige Difsensus ihm angedeihen läßt, ist wahrlich nicht geeignet, die Liebhaberei an der intimen Kunst zu fördern, unter deren Signatur die Originalradierung doch wesentlich arbeitet. Das fühlt Herr Mannfeld auch selbst. Er will für sein graphisches Sanktuarium die Wohnsitze der aufregenden, wilden Farbe gemieden wissen. Außerdem spricht er mit Vorliebe von Frankreich, England und Amerika, als Heimstätten graphischer Unternehmungen. Aber sowohl die alte Loeiete ä«8 in Paris ist schon in den achtziger Jahren, wie — wenn wir recht berichtet sind — auch der Utolüog-OIubb in London in jüngster Zeit, eingegangen. Wenn es sich um Wiedergabe hervorragender Werke klassischer Kunst oder eines universal geltenden der neueren handelt, so könnte Herr Mannfeld recht behalte»; für kleinere intime Kompo sitionen aber bietet dem Ausländer das Natur- und Volks leben seiner Heimat entsprechendere Stoffe. Allen diesen der Graphik zugestandenen Verlusten steht indes auch ein namhafter Gewinn gegenüber, wenn auch leider nicht auf demjenigen Gebiete, das Herrn Mann felds Intentionen entspricht. Wir meinen das Bedürfnis von Illustrationen höheren oder niederen Ranges in oder an Schriftwerken. Wer, möchte sie zählen, die Tausenden von Platten und Plgttchen, die, als Einzelbild oder in die Druckcrform eingesenkt, als Textillustrativn das Auge des Lesers flüchtig erfreuen? Wie fanden bis vor etiva 12—15 Jahren alle reproduktiven Kunstfertigkeiten des Stahlstichs, der Kupferradierung, des Holzschnittes vollauf Beschäftigung ! Die Photographie und ihre llmdruckverfahren drängen leider auch hier die manuelle Kunsttechnik zurück; Zink- und Kupfer ätzung ersetzen sie! In den französischen Luxus-Albums von Uzanne (Goupil L Co. in Paris) feierte die Heliogravüre schon vor 15 Jahren ihre zartesten Triumphe; selbst in das Organ der Wiener Gesellschaft zur Förderung der graphischen Künste dringt zu Herrn Manufelds Bedauern die Heliogravüre zu rascher Veranschaulichuug mancher Künstlcrskizzen ein. Gegen eine solche Allmacht läßt sich leider etwas Wirk sames nicht unternehmen. Und wenn es Herrn Mannfeld, wie Jvsua, gelänge, der Sonne zu gebieten, so würden die verhaßten Photochemiker ihre Platten mit Magnesiumlicht erhellen! In seiner Umschau für Abhilfe ruft Herr Maunfeld auch die in Kunstdingen neu bevorstehende Gesetzgebung an; er wünscht einen vermehrten Schutz des künstlerischen (geistigen?) Eigentums, besonders gegen die »Heliogravüre«, — ferner aber auch eine gesetzliche Beschränkung der Künstler-Urheber bei Uebertragung ihrer Eigentumsrechte. Hierbei ist zunächst darauf hinzuweisen, daß der gegen wärtig vorliegende Gesetzesentwurf sich nur auf Schrift- und, was Kunst anbetrifft, nur auf Werke der Musik be zieht und auf die mit beiden verknüpften dramatisch- musikalischen Aufführungen. Die Regelung von Urheberrechten auf dem Gebiete der bildenden Künste ist einem Spezialgesetze Vorbehalten. Für letzteres möchten wir den graphischen Künstlerkreisen unmaßgeblich folgenden Rat unterbreiten: Der Z 7 unseres gegenwärtigen Kunst gesetzes vom 9. Januar 1876 gewährt dem künstlerischen Nachbildner (Lithographen, Stecher, Radierer, Holzschnitt zeichner) selbst bei Kunstwerken, die längst der Nachbildungs freiheit verfallen sind — wohlbemerkt: nur für diese seine Kunstleistung — einen Rechtsschutz, der noch 30 Jahre nach seinem Tode fortdauert. Damit durfte man sich früher auch begnügen. In der Gegenwart aber kann dem Eigen tümer einer kostbaren Platte, wenn der Kupferstecher jung verstirbt, nach Ablauf von 30 Jahren durch eine helio- graphische Kopie eines Elite-Abzuges sofort ihr ganzer Wert genommen werden. Und in der Thal sind 30 Jahre zur Verinteressierung des auf eine solche Platte veranlagten Kapitals unter Umständen zu gering. Es mögen Künstlerkreise sich zusammenthum, um, wie bei den Werken der Musik, 50 Jahre Schutz zu fordern. Das 'ist alles, was wir Herrn Mannfeld in Aussicht stellen können! Einen Schutz gegen die Heliogravüre im allgemeinen wird er ernstlich wohl nicht verlangen! Einen großen Raum widmet Herr Mannfeld ferner seinen Beschwerden über den Kunstverlagshandel, der mit seinen Maximen, seiner Organisation der graphischen Kunst, ja jeder Kunst überhaupt, schädigend gegenüberstehe. Eine Organisation des Kunstverlagshandels existiert für graphische Arbeiten allerdings in der Richtung, daß in eine öffentliche Liste (Eintragsrolle) die von Verlagshandlungen durchgeführte Anzahl von Abdrücken, von der Üprsuvs ä'arttsts bis znm gewöhnlichen Abdrucke mit der Schrift, wahrheits gemäß angemeldet und eingetragen wird. Es soll hiermit dem Besitzer von Vorzugsabdrücken über die Zahl der davon umlaufenden Exemplare Sicherheit geleistet werden. Andere Organisationen, die auf die Mehrung der Vorteile innerhalb der Verlagsgeschäfte ausgingen, ein gemeinsames Handeln hierfür festgesetzt hätten und sonnt vielleicht die Transakttonen des Künstlers einzuengen geeignet wären, giebt es nicht. Der Künstler bleibt gesetzlich vollständig Herr seiner Handlungen. Er vermag »beschränkt oder unbeschränkt« über das Nach bildungsrecht seiner Werke zu verfügen, d. h., er kann es ausschließlich für dieses oder jenes Knnstverfahren, sogar für eine bestimmte Anzahl von Abdrücken innerhalb desselben, abtreten; endlich kann er sich des vollen Verlagsrechtes be geben — und dann behält er z. B. als Maler immer noch die freihändige Wiederholung seines Originales für sich zurück, als das Recht, das ihm allein znsteht. Ist es Herrn Mann felds Wxinsch, daß der Künstler in dieser seiner Verfügungs freiheit gesetzlich beschränkt werde?? Wenn hier nachgewiesenermaßen nichts vorhanden, was Herr Mannfeld zu Nutz und Frommen seines Berufes zu