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253, 28. Oktober 1922. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. geschränkt wird. Fordern Sie die Einzelhandelsausschüsse Ihrer Handelskammer zu solcher Einrichtung auf, dieser werden sich gewiß sämtliche Gewerbetreibenden und viele Handelskreise anschließen. Es würde über den Rahmen meines Themas hinausgchen, wollte ich über das Einziehungsamt genaue Auskunft geben, aber ich bin gern bereit, wenn Sie es wünschen, nachher in der Diskussion Ihnen genau zu sagen, wie dieses Einziehungsamt, das mit ganz geringen Kosten arbeitet, mit dem Handel ver bunden ist. Ich hoffe, daß auch in anderen Städten ähnliche Einrichtungen sich werden schassen lassen. Ich möchte nun zu der jetzigen Krisis übergehen, und zwar zu dem Hilfsmittel, das dem Sortimenter zur Ver fügung steht, um seinen Verpflichtungen dem Verlage gegen über nachzukommen. Die bisherigen Quartalskonten 'werden in den aller meisten Fällen mit sofortiger Wirkung gekündigt. Der Verlag verlangt die Zahlung des bisher Gelieferten sofort, ohne nach meiner Auffassung immer dazu berechtigt zu seine Stützt sich der Sortimenter aus sein Recht, das ihm zukommt, so erhält er als Antwort ein Schreiben wie etwa das nachstehende: »Meine Bitte bedeutet lediglich einen Appell an die Einsicht des Sorti menters und an sein Verständnis für die wirtschaftliche Lage des Verlages. Der Zeitpunkt der Zahlung wird bekunden, inwieweit dieses Verständnis vorhanden ist oder nicht«. Meine Damen und Herren, das hat ein großer Leipziger Verlag wörtlich geschrie ben. Also irgendeine Einsicht für die wirtschaftlichen Verhält nisse des Sortimenters ist nicht vorhanden. Wo der Sor- timenter alles Geld herbekommen soll, wenn ihm sämtliche Quai- lalskonten gekündigt werden, danach fragt der Verlag nicht. Als mich Herr Kretschmann aufforderte, über die wirtschaft liche Lage des Buchhandels zu sprechen, hat er mir geschrieben, es handle sich heute darum, die wirtschaftlich« Lage von Verlag und Sortiment in ruhiger Form zu behandeln und keine Gegensätze hervorzurufen. Ich betone daher, es handelt sich darum, dem Verlag Einsicht in unser« Lage zu gestatten, ebenso wie wir Ein sicht in die Lage des Verlags zu nehmen wünschen, und diese Ein sicht haben wir durch die Ausführungen des Herrn Paschke in überzeugender Weise erhalten. Meine Damen und Herren! Mit solchen Ausführungen wie den eben skizzierten kommen wir nicht weiter. Es handelt sich nicht darum, ob jemand etwas einsieht, sondern darum, ob der Sortimenter entgegen seinem ausgesprochenen Rechte das Ge wünschte leisten kann, und damit wird es in der augenblicklichen Übergangszeit sehr hapern. Hier heißt es gegenseitiges Ver- ständnis, nicht nur aus der einen Seite: verlangen, und auf der andern Seite: erfüllen müssen. Der Verlag ist nervös geworden, viel nervöser als das Sortiment, das sich schon 1914 bei Kriegs ausbruch an die Nervosität des Verlages gewöhnen mußte. Der Verlag besteht auf Barzahlung. Dabei kommen wir zur ersten Frage, die die Nachnahmespesen betreffen. Bei Nachnahmen wären zu gewähren 2°/» Kassaskonto, dann hat der Verleger sofort das bare Geld und der Sortimenter spart an Rechnungsarbeit. Seien wir uns doch klar, die tägliche Arbeit des Umzeichnens, des Beantwortens der Bestellungen von Büchern, die nicht geliefert werden können, di« vielen direkten Zahlungen, sie alle entziehen dem eigentlichen Zweck des Sorti ments viel zu viel Kraft. Der Zweck des Sortimenters ist Ver kauf guter Bücher. Bekommen wir die Hände frei für diesen Zweck, dann können wir allen Wünschen des Verlages wegen Barzahlung entsprechen. Dazu kann uns der Verlag verhelfen durch Vereinfachung des Rechnungswesens, durch kaufmännisches Denken. Oder ist es etwa korrekt, Nachnahme karten zu senden, ohne anzugeben, was geliefert worden ist, oder zu mahnen, ohne Bezeichnung, was bezahlt werden soll? Der Verleger ahnt nicht, welche Zeitver geudung dem Sortimenter bei solchen ungenauen An gaben entsteht, die doch leicht vermieden werden können. Welche Nachlässigkeit liegt ferner darin, daß der Verleger eine bezahlte Antwort dem Sortiment erst nach Wochen zurück sendet! Die Zeit könnte der Sortimenter besser zum Verkauf benutzen, als sich die Finger wund zu schreiben, um seinem Be« . steiler doch Mitteilen zu müssen, das Buch sei vergriffen. Wie aber kommen wir über die Notlage der letzten pWochen hinweg? Was wir bisher betrachtet haben, sind aka- j demische Erörterungen gegenüber dieser einen Frage: »Was tun ' wir nun?« Die Ostermesse 1922 hat uns eine Wirtschaftsordnung gebracht, die Fortsetzung der Notstandsordnung. Ich habe die j denkwürdige Sitzung miterlebt, ich habe die Auslegung des Ver lages über diese Majorisierung durch das Sortiment mich um- brausen hören, und heute? Ist diese Wirtschaftsordnung über- Haupt zu entbehren? Ich glaube nicht, daß auch nur ein Sorti menter sie missen will. Was sollen wir aus ihr machen, das ist die Frage. Ich Hab« schon zu Anfang gesagt: der Teuerungszu schlag ist eine Veränderung der Kalkulationsgrundlage gewesen. Das müssen wir uns klar machen, wenn wir an die Frage der Handhabung der Wirtschaftsordnung Herangehen. Die Wirtschaftsordnung sieht das Fortbestehen des Teue- rungszuschlages vor, sie überträgt die Festsetzung den Kreis« und Ortsvereinen und den Arbeitsgemeinschaften. Dadurch hat das Sortiment die Freiheit des Handelns erhalten, der nun auch die Verantwortung, di« Pflicht, nur das unbedingt Nötige zu verlan gen, gegenübersteht. Nun ist die Lage doch so: Der Verlag hat kaufmännisch rechnen gelernt, die Not der letzten Wochen mutz ihn das gelehrt haben. Er bringt seine Bücher endlich zu Preisen heraus, die der allgemeinen Wirtschaftslage entsprechen. Ist es nun richtig, daß das Sortiment durch erhöhte Zuschläge seinen Verdienst zu erhöhen versucht? Ich nehme ein Beispiel: Ein Roman zu 400.— Mk. Verlauf, 240.— Mk. Einkauf kostet mit 30?S Zuschlag 520.— Mk. Das ergibt einen Bruttonutzen von 54N. Die Frage ist nun die: braucht das Sortiment wirklich auf Grund genauer kaufmännischer Kalkulation bei einem Roman einen Bruttoverdienst von 54"/» oder nicht? Ich stehe auf dem Standpunkt, daß bei der jetzigen Preiserhöhung für einen Teu«. rungszuschlag von 30N di« Grundlage nicht gegeben ist. Wir kommen durch bei einem Aufschlag von 20?S aus die jetztein - treffenden Bücher. Ganz etwas anderes ist es aber, wie behandeln wir die Lagervorräte? Im Buchhändlerverband »Kreis Norden haben wir am letzten Sonntag eine Versammlung in Flensburg gehabt, dort hat uns die Frage der Lagervorräte ganz ungemein beschäftigt. Wir sind uns klar geworden, daß ein Buch, das im Mai bezogen wurde und damals ausgezeichnet war, jetzt unmög lich zu diesem Preise verkauft werden kann. Der Verleger ver kauft zu Tagespreisen. Wenn Sie aber seit Mai das Buch nicht neu bezogen haben, dann können Sie sicher sein, daß es heute einen andern Tagespreis hat. Diesen Tagespreis wissen wir nicht, denn der Verleger veröffentlicht die Tagespreise nicht, er verkauft nach Gutdünken; es muß also unbedingt beim Lagerverkauf ein Aufschlag einsetze n, der dem jetzigen Tagespreis in irgendeiner Form versucht gerecht zu werden. Wie sehr man sich da täuschen kann, will ich an einem Bei spiel klar machen: Ich habe im Juli Meumanns Vorlesungen der Pädagogik verkauft, drei Bände gebunden zum Preise von 450.— Mk. Wie ich Anfang August nach dem Leipziger Streik das Werk wiederbekam, mußte ich netto 820.— Mk. dafür be zahlen. Ich hatte sehr viel Geld von andern Verkäufen hinzu zulegen, um mein Lagsrexemplar wiederbekommen zu können. Außer den Verlegern, die zu Tagespreisen verkaufen, gibt es Verleger, die in der Preisbildung durchweg bisher rückständig geblieben und vielleicht erst durch die Teuerung des Monats August aufgewacht sind; sie haben es aber nicht für nötig gesunden, uns durch das Börsenblatt zu sagen, daß Sie aufgewacht sind und neue Preise festgesetzt haben. (Zuruf: Sehr gut!) Diesen Verlegern müssen wir in irgendeiner Weise bei dem Lagerexemplar Nachhilfen; und bei der Tagung des Kreises Norden ist der Vorschlag gemacht worden, auf alle Lagerbcstönde, die bis 15. August d. I. eingetroffen sind, also auf Lager gewesen sind und seitdem nicht um- oder ausgezeichnet wurden, einen Aufschlag von 100"/» zu nehmen. (Zuruf: löOü