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Redaktioneller Teil. 253, 28. Oktober 1922. st euer sind eine Last sür uns alle. Ich möchte aber bei dieser Gelegenheit alle Anwesenden auf die Gefahr Hinweisen, die uns gedroht hat, und die bei der jetzigen Zusammensetzung unserer Regierung noch nicht beseitigt ist, das ist die Gefahr, daß die Sozialdemokratie mit ihrem Antrag, daß Genossenschaften von ^ der Steuer befreit werden, doch noch Erfolg haben könnte. Es würden in diesem Fall« Milliarden der Steuer entzogen werden. Der Umsatz der Konsumvereine ist um Hunderte von Millionen in den letzten Monaten gestiegen. Diese alle erhielten dadurch ein Vorzugsrecht gegenüber dem gesamten freien Handel. Aller dings ist dieser Antrag einstweilen zurückgestellt, aber es ist die Gefahr noch nicht vorüber. Ich bitte alle diejenigen, die Ein fluß auf die politischen Parteien bzw. auf wirtschaftliche Körper schaften haben, alles daranzusetzen, daß diese Gefahr unter allen Umständen nicht wieder entsteht. Die zweit« Steuerlast, die ganz speziell in Preußen sehr drückend empfunden wird, ist d i e G e w e r b e st« u e r. Die Ge werbesteuer gab schon vor dem Kriege Veranlassung zu mannig- fachen Beschwerden. Es handelt sich um eine grundsätzliche Be lastung von Handel und Gewerbe. Heute liegt die Ursache der Erregung aber darin, daß die Gewerbesteuer eine Höhe erreicht, die ernste Befürchtungen für die Lebensfähigkeit der deutschen Wirtschaft berechtigt erscheinen läßt. Die Gemeinden sind be- kanntlich nach Übernahme der Einkommensteuer durch das Reich und durch weiter« Ausdehnung der Steuerhoheit aus andere Steuerquellen, in ganz besonderem Maße auf die Realsteuern, das sind Grund-, Gewerbe- und Gebäudesteuern, angewiesen, da her die Überspannung dieser Steuer. Zunächst muß dafür Sorge getragen werden, daß die Höhe der Überweisung aus der Reichs- Einkommensteuer den Bedürfnissen der Gemeinden mehr Rech nung trägt. Es darf nicht übersehen werden, daß Handel und Industrie die Hauptträger der Steuerlasten sind. Von ihrem Wohlergehen hängt letzten Endes das Schicksal des ganzen Lan des ab. Die dritte Steuer ist di« Zwangsanleihe. Di« Zwangsanleihe sieht Zinslosigkeit in den ersten drei Jahren vor; sie bringt einen Kapitalverlust, den das Sortiment, überhaupt der gesamte Handel in den ersten drei Jahren nicht wird ersetzen können, denn die Beleihungsfähigkeit der Zwangsanleihe wird sehr minimal sein. Es wird eine außerordentliche Schwächung der Kaufkraft des gesamten Handels einsetzen, außerdem möchte ich Ihnen die Schilderung der Gefahr des vollständigen Ver lustes all des Geldes, das Sie für die Zwangsanleihe zeichnen, nicht vorenthalten. Dabei kann ich auf die Geschichte meiner Familie zurückgreifen. Wir stammen aus Angeln, südlich von Flensburg, das bekanntlich früher durch Personalunion mii dem Königreich Dänemark vereinigt war. Dänemark legte zur Zeit der französischen Revolution ein« Zwangsanleihe aus, und diese mußte von den Grundbesitzern für ihre Ernte angenommen werden. Meine Vorfahren hatten einen großen Hof. Zugunsten dieser Zwangsanleihe hatten sie ihre gesamten Getreidevorräte zu verkaufen, und als sie sich die Zwangsanleihe richtig besahen, da haben sie sich Fidibusse daraus gedreht, zu etwas anderem war sie nicht zu gebrauchen, denn Dänemark hatte inzwischen Bankerott angesagt. Von dem Tage an, 150 Jahre sind es, wurden die Mitglieder der Familie, di« Jahrhunderte in dem Lande gelebt halten, Vertrieben und mußten sich einen neuen Boden für ihre Existenz suchen. Ich fürchte, mit der deutschen Zwangsanleihe wird es uns nicht viel besser gehen. Neben diesen Unkosten spielt die Hauptrolle die augen blickliche Kreditnot. Wer von Ihnen einmal einen Bank kredit gebraucht hat, weiß, welche Schwierigkeiten die Banken schon in den letzten Jahren, eigentlich überhaupt immer, dem Detaillisten gegenüber gemacht haben. Die fortschreitende Infla tion hat den Geldbedarf auch der größten Unternehmungen ver mehrt, so daß für den Einzelhandel, für den Sortimenter über haupt kein Kredit zu haben ist. Man zahlte für den offenen Kre dit im vergangenen Jahre 5—87» Zinsen und 4?6 Provision pro anno, die nun beinahe auf das Doppelte gestiegen sind. Da bei hat der von den Verlegern gewährte Kredit fast ganz ausge hört, Lieferung erfolgt fast nur noch gegen Kasse, allerhöchstens Monatskonto. Nur einige einsichtige Verleger haben das Quar- 150« talskonto beibehalten. Die Situation ist genau so wie vor Aus, bruch des Krieges, ich will damit sagen, es herrscht dieselbe Ner vosität. Sie muß beseitigt werden, wollen wir sicheren Boden sür unsere weitere Existenz gewinnen. Der Sortimenter ist seinerseits nt cht in der Lage, jede Kreditge währung auszuschalten. Er hat mit drei Arten Kun den zu rechnen: I. mit Privatleuten, 2. mit Handelshäusern und Industrie, 3. mit Bibliotheken und Behörden. Die Privat leute gehen vielfach zum Barkauf über. Sie sind durch den Krieg zum Barkauf gelangt, aber es gibt hier immer noch Kreise, die aus der alten Gewohnheit nicht herauskommen können und den Kredit in Anspruch uehmen. Aus meinem Geschäftskreis kann ich Mitteilen, daß bis Ende Juli d. I., also iu 7 Monaten, von den auf Rechnung entnommenen Beträgen der dritte Teil am 1. August noch nicht bezahlt war. Handel und Indu strie, die zweite Gruppe der Käufer, ist zur pünktlichen Bezah- lung durch die Verhältnisse erzogen. Diese Gruppe denkt kauf männisch und zahlt auch entsprechend. Im Gegenteil, Hände! und Industrie sind früher sehr häufig gezwungen gewesen, das Sortiment an die Rechnungslegung zu erinnern. Ich hoffe, daß das heute nicht mehr vorkommt. Bei beiden Kundcnarten gibt es ein einfaches Hilfsmittel, das meist vollen Erfolg hat, näm lich bei jeder Sendung eine Begleit rech nun g, nicht Nota, ordnungsmäßig zusammengezählt, mitzusenden. Daraus wäre unterhalb der Summe ein Stempel zu setzen etwa des Inhalts: »Zahlbar in 8 bzw. 14 Tagen«, je nachdem Sie das Ziel setzen wollen. Ob Sie berechtigt sind, bei Nichteinhaltung des Ter- mins Verzugszinsen zu nehmen, wie es einige tun, wage ich zu bezweifeln. Ich bin der Ansicht, daß Verzugszinsen erst nach einem längeren Termin beansprucht werden können; das müssen Sie jedoch selber in Ihrem Ortsverein beurteilen. Unbekannten Bestellern darf selbstverständlich unter allen Umständen nur gegen bar geliefert werden. Dabei möchte ich Ihnen einen Rat geben: Wenn Sie einen unbekannten Besteller in der Pro vinz haben, dann liefern Sie solchen Leuten nicht unter Nach nahme. Wenn diese Leute «in Paket erhalten mit 1—2000 Mk. Nachnahme, dann wird es häufig Vorkommen, daß sie nicht soviel Geld zur Hand haben und die Nachnahme nicht cinlösen. In solchem Falle schicken Sie besser eine Vorfaktur und lassen sich das Geld vorher schicken, das ist praktisch, Sie sparen dabei auch die Unkosten. Auch am Platz sollt« die Barsendung Haitz stramm durchgeführt werden. Ich glaube, wenn die Sortimenter eines einzelnen Ortes einig sind, daß auf diesem Gebiet sehr viel zu erzielen wäre. Der schwierigste Punkt liegt bei den Bibliotheken und Behörden. Es ist eine Krediteinschränkung diesen Stellen gegenüber nicht gut durchführbar. Der Sortimenter muß in Rechnung liefern, er muß sich den Wünschen dieser Kundschaft anpassen, da die Begleichung der Rechnung oft von einem großen Beamtenapparat abhängig ist. Hier wäre das Eingreifen der Stadt- und Staatsverwaltungen zu begrüßen, die dahin zu wirken hätten, daß die Gelder bei pünktlicher Ein reichung der Rechnungen sofort angewiesen würden. Zu emp- fehlen ist hier die Einführung von Monatsrech nungen. Wo nun ein Kredit gewährt wird, da tritt auch die Schwie rigkeit beim Einziehen der Außenstände ein. Das Mahnverfahren muß streng organisiert werden (Zuruf: Sehr richtig!), wie es der Verlag uns gegenüber tut. Von den Sor timentern einer Stadt gemeinsam herausgegebene Zahlungs aufforderungen haben sich als praktisch erwiesen. In Wilhelms haven stehen sämtliche Sortimenter namentlich aufgesllhrt zusam men, das Publikum ersieht daraus gleich, daß es nicht etwa von einem zum andern lausen kann, wenn es bei einem vergeblich einen Pump versucht hat, sondern daß alle Sortimenter geschlossen dieselbe Zahlungsart haben. In Großstädten wird sich diese namentliche Aufführung nicht durchführen lassen. Wo nun alles versagt, da muß die amtliche Einziehung einsetzen. In Hamburg ist eine solche von der Detaillistenkammer einge richtet. Die Detaillistenkammer hat den Wunsch, daß ihre Ein richtung recht viel Nachahmung finden möge, damit durch innige Zusammenarbeit auch nach außerhalb die Kreditgewährung ein-