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Nichtamtlicher Theil. 235 14, 19. Januar. Zu einer Folgerung, daß die Absicht Vorgelegen habe, die Unter zeichner des Antrages über den Umfang der eingegangenen Ver pflichtungen im Unklaren zu lassen, konnte nur ein ganz besonderes Mißtrauen führen. Für weit gerechtfertigter hätten wir es gehalten, wenn Einwendungen dagegen erhoben wären, daß die gefaßten Beschlüsse nach so kurzer Frist in Kraft treten sollen. Gebräuche, welche Jahre hindurch geduldet worden sind, lassen sich nicht plötz lich beseitigen, ohne manche berechtigten Interessen zu verletzen. Hätte man aber für die Ausführung der gefaßten Beschlüsse einen späteren Termin bestimmt, so würde Zeit geblieben sein, die geschäft lichen Einrichtungen den veränderten Verhältnissen anzupassen, und manche der aufgeworfenen Zweifel, namentlich über die Behandlung der noch vorhandenenKatalogemit herabgesetzten Preisen hätten sich in solchem Falle ohne große Schwierigkeit erledigen lassen. Für so schioerwiegend haben wir aber auch dieses Bedenken nicht gehalten, um daraus einen hinreichenden Grund für ein ablehnendes Ver halten gegen den Leipziger Antrag herzuleiten. Wenn es uns nun auch durchaus wünschenswerth erscheint, daß bei den verschiedenen Interessen, welche bei einer Reform von so großer Tragweite in Frage kommen, die sich entgegenstehenden Ansichten zum Ausdruck gelangen, so können wir doch die Mittel, welche seitens einzelner Gegner angewandt worden sind, um den Leipziger Antrag in Mißkredit zu bringen, nur ebenso miß billigen, wie es bereits von mehreren Seiten geschehen ist. Es geht unseres Erachtens über eine erlaubte Kritik hinaus, wenn die Ab sichten der Unterzeichner des Leipziger Circulars auf Grund un beglaubigter Mittheilungen verdächtigt werden. In dem Aufsatz in Nr. 291 d. Bl. sind die Zustände eines, wie es scheint, größeren Verlagsortes in einer Weise geschildert worden, die wenig Schmeichel haftes für die dort herrschenden Gesinnungen enthält. Ob diese Er zählungen viel Glauben finden werden, müssen wir dahingestellt sein lassen; bei den im Allgemeinen im Buchhandel allerorts vor wiegenden ehrenhaften Gesinnungen halten wir die mitgetheilten Thatsachen, wonach zahlreiche Firmen ersten Ranges ganz offen und freundschaftlich über eine Organisation zur Umgehung der von ihnen sanctionirten Beschlüsse beratheu sollten, so lange für absolut unmöglich, bis uns die Beweise dafür beigebracht werden. Der betreffende Aufsatz erinnerte uns lebhaft an einen anonymen Brief ähnlichen Inhalts, welcher, ebenfalls in einem größeren Verlags orte, zur Verlesung gelangte, um die Unterzeichner des Leipziger Antrages zu compromittiren. Der Brief verfehlte seinen Zweck vollständig, und die gebührende Bezeichnung ist dem unbekannten Verfasser desselben s. Z. nicht vorenthalten worden. Man hob mit Recht hervor, daß es wohl nicht ganz statthast sei, wenn aus ein zelnen Vorgängen — für die eine parlamentarisch zulässige Be zeichnung schwer zu finden ist — Schlüsse für die Intentionen einer großen Genossenschaft gezogen würden, der die ehrenhaftesten und angesehensten Firmen angehören. Vorläufig wollen wir an dem Glauben festhalten, daß Jeder, der dem Leipziger Anträge beigetreten ist, auch die redliche Absicht hat, für seine Unterschrift voll einzutreten. In ähnlichem Sinne hat sich Verfasser des Aussatzes in Nr. 4 des Blattes ausgesprochen. Wenn derselbe aber folgert, daß Vor gänge, wie die vorstehend erwähnten, die Separaterklärung der Berliner Firmen nothwendig erscheinen ließen, so möchten wir dem doch nicht beipflichten. Eine Ablehnung können wir nicht als einen Schritt vorwärts betrachten, und als eine solche ist dieses Separat votum in der veröffentlichten Form unbedingt anzusehen, da die be treffenden Verleger sich nicht auf eine Resolution beschränkt, sondern die Erfüllung ihrer Forderungen als Vorbedingung für ihren Beitritt hingestellt haben. Wären die Verleger anderer bedeutender Verlagsorte dem Beispiele der Berliner gefolgt, so lag die Gefahr nahe, daß die angeregte Reform scheitern werde, und wir begreifen und würdigen es daher vollkommen, wenn die betreffende Erklärung in Leipzig in hohem Grade verstimmt hat. Der bereits ausgesprochenen Meinung, daß die in dem Votum der Berliner aufgestellten Bedingungen unerfüllbar sind, können wir uns nur vollständig anschließen. Selbst, wenn sämmtliche Ver leger mit den Ansichten der Berliner Firmen harmonirten, und ihre Erklärung zu Gunsten des Separatantrages zurückziehen woll ten, so wäre doch ausgeschlossen, daß sich die Herren Commissionäre zur Annahme des vorgeschlagenen Strafgesetzparagraphen verstehen würden, auch wenn sie den getroffenen Bestimmungen der Verleger in loyalster Weise zu entsprechen Willens sind. Wenn der geehrte Verfasser der „Quartalrundschau" in Nr. 1 d. Bl. für eine viel weiter gehende Reform, wie die jetzt angeregte, auf die Unterstützung der Commissionäre baut und eine Verständigung mit denselben für nicht schwierig erachtet — nun, dann sollte man meinen, daß eine solche in der vorliegenden Sache um so leichter herbeizuführen sei. Ausgesprochenes Mißtrauen erscheint uns aber als der am wenigsten geeignete Weg, um solche Verständigung an zubahnen. Einige praktische Winke für die Verhandlungen mit den Commissionären sind inzwischen durch die Firma Teubner in die Oeffentlichkeit gelangt. Wir können nur unser aufrichtiges Bedauern darüber aus sprechen, daß in Bezug auf den Leipziger Antrag nicht seitens der Berliner Verleger dieselbe Einigkeit hat erzielt werden können, wie an anderen großen Verlagsorten. Die Zahl der Verleger Berlins, welche der Erklärung ohne Vorbehalt zugestimmt haben, kann nicht als eine überwiegende angesehen werden, da derselben ein gleich großer und gleich gewichtiger Theil in der Separaterklärung gegen übersteht. Wir hoffen aber, daß das letzte Wort in dieser Sache noch nicht gesprochen ist. Eine Einigung aller Verleger in einer so wichtigen Reform frage ist durchaus wünschenswerth, und da prinzipielle Bedenken gegen den Leipziger Antrag auch iu der Berliner Separaterklärnng nicht geltend gemacht worden sind, so scheint eine Verständigung über einzelne Meinungsverschiedenheiten doch nicht ganz aus geschlossen. Es wird an die Verleger die Nothwcndigkeit herantreten, sich über eine Declaration zur Beseitigung zweifelhafter Punkte der erlassenen Bestimmungen zu verständigen, um eine gleichmäßige Durchführung derselben herbeizuführen, ohne welche die be schlossene Reform allerdings ihrem Zwecke nicht entsprechen würde. Vielleicht lassen die Unterzeichner der Berliner Separaterklärung, wenn dies geschieht, im Interesse der Sache ihre Bedenken soweit schwinden, daß sie die für nothwendig erachteten Garantien nur als Wunsch aufrecht erhalten, und sich, nachdem sie ihren S-andpnnkt in der vorliegenden Frage durch die erlassene Erklärung gewahrt, nachträglich der stattgefundenen Vereinigung der Verleger an schließen. Man darf aus dem Umstände, daß mehrere Firmen, welche die Separaterklärung Unterzeichneten, gleichzeitig bedingungs los dem Leipziger Anträge zugestimmt haben, entnehmen, daß nicht alle Unterzeichner mit ihrem Votum eine Ablehnung haben ans sprechen wollen. 6. oll. Pcrsonalnnchrichten. Herrn Herm. Loesch er in Turin ist vom König von Italien in Anerkennung seiner umfassenden Verlagsthätigkeit das Ritter kreuz vom italienischen Kronenorden verliehen worden.