Volltext Seite (XML)
12876 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 251. 28. Oktober 1910. waren zwei Offizieren eingeräumt. Nachkommen v. Cansteins. Ihnen zur Seite saßen der Oberprästdent der Provinz Sachsen Exzellenz von Hegel, der Vertreter des Oberkirchen rates Professor Kawerau, der Konststorial-Präsident von Doemming und der Vertreter der Preußischen Bibel gesellschaft Pastor Ina. Breest. Es reihten sich an Professoren der theologischen Fakultät der Universität Halle, die Abge ordneten der deutschen Bibelgesellschaften, ein Vertreter der Britischen und Ausländischen Bibelgesellschaft, die Geistlichkeit von Halle und viele andere Ehrengäste. Auch der Buchhandel war durch einige Herren ver treten. Der Börscnoerein hatte eine prachtvolle Adresse ge sandt, folgenden Inhalts: Zu dem zweihundertjährigen Bestehen der von Cansteinschen Bibelanstalt in Halle (Saale) spricht ihr der Unterzeichnete Vorstand des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig seine ausrichtigsten Glück wünsche aus. Die Gründung der Anstalt entsprang einem Gedanken A. H. Franckes, der Heiligen Schrist durch wohlseile Ausgaben die weiteste Verbreitung zu verschaffen. Bereits im Jahre 1702 erschien in der Buchhandlung des Waisenhauses die erste Aus gabe der Lutherbibel-Ubersetzung. Dem rastlosen Eifer Franckes genügte jedoch der damalige Vertrieb nicht. Sein Bestreben ging vielmehr dahin, das Wort Gottes möglichst in die Hände jedes Christen, auch der Nichtbegüterten, zu legen. Unter denen, die Franckes Plänen sich «„schlossen, muß vor allem der Freiherr Carl Hildebrand von Canstein genannt werden, der in der Folgezeit ein eifriger Förderer der Bestrebungen Franckes wurde. Unter zielbewußter Leitung tüchtiger Männer gedieh das Unternehmen zu hoher Blüte. Hierbei ist insbesondere der erfolgreichen Leitung August Schürmanns zu gedenken. Dieser hervorragende Berufsgenosse hat nicht nur der Bibelanstalt und der Buchhandlung des Waisenhauses, sondern auch dem Ge- samtbuchhandel durch seine Fähigkeiten und sein reiches Wissen wertvolle Dienste geleistet. Besonders seine Werke »Die Ent wicklung des Deutschen Buchhandels« und »Usancen des Deut schen Buchhandels« sind geradezu bahnbrechend für den buch händlerischen Verkehr geworden. In einem Zeitraum von 2M> Jahren hat die Bibelanstalt trotz mancherlei Hindernissen, wie Kriege und Zeiten der Teuerung, Millionen von Bibeln in den verschiedensten Aus gaben und Sprachen verbreitet und so die Bibel zum Gemein gut und Hausbuch des evangelischen Volkes gemacht. Sie hat damit die Absicht A. H. Franckes auss beste in die Tat um- gesetzt. Wöge es der von Cansteinschen Bibelanstalt unter der jetzigen bewährten Leitung ihres Administrators, Herrn Carl Manz, beschicken sein, das segensreiche Werk im Geiste Franckes und von Cansteins erfolgreich sortzusetzen und durch weitere Steigerung des Bibelabsatzes mitzuhelse» an der Er haltung und Förderung der ethischen Grundlagen unseres deut schen Volkes, diesem zum Heile, sich selbst aber zum Ruhme und zur inneren Genugtuung! Leipzig, den 21. Oktober 1918. Der Vorstand des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig. Um 11 Uhr nahm die Feier ihren Anfang. Sie wurde eingeleitet durch gemeinsamen Gesang und durch eine vom Stadtstngechor gesungene Motette. Daran schloß sich Schrift verlesung und Gebet. Nun betrat der Direktor der Franckc- schen Stiftungen Professor v. vr. Fries das Rednerpult. Nach dem er die Gäste willkommen geheißen hatte, ging er kurz aus Cansteins Leben und die Gründung der Bibelanstalt ein. Er betonte besonders ihre Bedeutung, ihr segensreiches Wirken in der Vergangenheit, daraus der Gegenwart und Zukunft die Aufgabe erwachse, in gleich edler Weise für Her stellung und Verbreitung der Bibel zu sorgen. Hierauf überreichte Exzellenz Hegel dem Direktor, dem Inspektor und zwei Angestellten der Bibelanstalt die ihnen von Seiner Majestät dem Kaiser verliehenen OrdenSauszeich- nungen. Nach ihm traten die Gratulanten vor. In kürzeren oder längeren Ansprachen brachten sie ihre Segenswünsche dar. Es waren dies die Herren: Professor vr. Kawerau im Namen des Oberkirchenrates, der Konsistorial-Prästdent von Doemming für die kirchlichen Behörden. Professor v. Kattenbusch als Vertreter der theologischen Fakultät Halle, dann Pastor I-io. Breest von der Preußischen Bibel gesellschaft, der im Namen von 21 deutschen Bibelgesell schaften eine Adresse überbrachte, ferner ein Vertreter des Senates der Stadt Bremen und noch einmal Exzellenz Hegel. Als Abgesandter der Magdeburger Bibelgesellschaft sügte dieser den Betrag von 200 den Jubiläumsgaben hinzu. Daraus sprach Kollege Albert Neubert-Halle als Vorstandsmitglied des Sächsisch-Thüringischen Buchhändler verbandes. Er wieS in seiner markigen Ansprache besonders auf die Verdienste ElerS' hin. Er rühmte den engen Zu sammenhang zwischen dem deutschen Buchhandel und der Bibelanstalt. Diese habe sich Verdienste um das deutsche Volk erworben, indem sie die deutsche Sprache durch die Lutherbibel förderte. So habe sie zur Hebung der Geistes kultur beigetragen. Das Volk war fähig geworden, dis Geistesschätze aufzunehmen, die ihm der deutsche Buch handel vermittelt. In diesem Sinne wünschte er der Bibel anstalt weiteres Gedeihen. Nach ihm sprachen noch Superintendent v. Wächtler im Namen der Halleschen Bibel-Gesellschaft und Konsistorial- rat Runge als Haupt der Georgen-Gemeinde in Halle, zu der die v. Cansteinsche Bibelanstalt gehört. Jedem Herrn dankte Geheimrat Fries mit einigen Worten. Die Feier beanspruchte etwa zwei Stunden. Sie schloß mit einer Motette und gemeinsamem Gesang. Die Gäste begaben sich nun in die Räume des Vorder gebäudes. wo die Bibelausstelluug besichtigt wurde. Hier sind außer sämtlichen Ausgaben und Auflagen der v. Can steinschen Bibelanstalt viele alte Bibeln vom Jahre 1522 an ausgelegt. Ferner die Stadeschc Bibel, die s. Z. Canstein als Manuskript gedient hat. Dann Bibeln in 70 ver schiedenen Sprachen und eine Blindenbibel in 25 Bänden. Manch interessantes und wertvolles Buch enthält diese Bibel sammlung. Sie veranschaulicht die weite Verbreitung, die dieses Buch in der ganzen Welt gefunden hat. Nach dem nun folgenden Festessen besichtigten die Fest gäste noch die Bibel-Druckerei. So schloß die Jubiläums feier der v. Cansteinschen Bibelanstalt, die gezeigt hat, welch hohe Bedeutung ihr in den weitesten Kreisen beigemessen wird. Die Teilnehmer sahen, wie viel Großes die Bibel anstalt geleistet hat. Für die Zukunft erhoffen wir ein Fort dauern dieser schönen, segensreichen Leistungen. Kleine Mitteilungen. Die Einnahmen der Reichspost und Reichseisenbahnen. — In der ersten Hälfte des lausenden Rechnungsjahres sind die Einnahmen aus der Reichspostverwaltung nicht sehr günstig gewesen. Die Gesamteinnahme in dieser Zeit betrug 329,58 Millionen Mark. Für das ganze Jahr ist eine Einnahme von 893,23 Millionen Mark vorgesehen, so daß also bis Ende September eine solche von 348,81 Millionen Mark der Durch schnitt gewesen wäre. Die tatsächlichen Einnahmen liegen also um 17,05 Millionen Mark hinter diesem Durchschnitt zurück, sind mithin um säst 5 v. H. zu niedrig gewesen. Immerhin läßt sich aus dem bisherigen Ergebnis noch nicht unbedingt auf ein UN- günstiges Abschneiden der Einnahmen aus der Reichspostver waltung rechnen, da die Wintermvnate erfahrungsgemäß ein nicht unerhebliches Anwachsen dieser Einnahmen bringen. Besser als bei der Reichspost sind die Einnahmen der Reichs- eisenbahnverwaltung in der ersten Hälfte des Rechnungs- jahres 1910 gewesen. Es kamen bei ihr 65,49 Millionen Mark