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^ IL8, 10. Juli 1d12. Nichtamtlicher Teil. Damen!)«. Man schüttelte darob heimlich die Köpfe. Die Schwaben hatten ja ca. 70 Jahre schon ihr Juni-Festmahl so ganz selbstverständlich »ohne Damen« gehalten, wie ihre Urahnen, die alten Alemannen in deutschen Wäldern ihre Fest- gelagc »ohne Damen« geliebt und geübt haben sollen, wie ein Naturgesetz. Die auswärtigen Gäste aus Baden, Bayern, Elsatz und der Schweiz konnte diese alemannisch-derbe Sitte auch nie genieren, denn sic sind meist gleichen Stammes. Still schweigend nimmt man so etwas auch ruhig hin. Doch hier war es zum ersten Male befohlen: »<Ohne Damen!)«. »Hosemännchen! Hosemännchen! Das ist viel gewagt als höflichster der Sachsen!« — soll Otto Pettersens warnende Stimme dem Solodirigentcn des ganzen Meßvergnllgens zu- gerufcn haben. »Wenn man an den üppigen Damenflor vom Sonntagabend sich angenehm gewöhnt hat, nu hcer'n Se mal, uff ecmal: Ganz ohne Damen!« Heiliger Rosenmontag, was wird das werden! Sonst konnte Freund Nägele abhelfen. Er fuhr die auswärtigen Damen in seinem eleganten Auto wäh rend des Essens spazieren; doch diesmal waren es zuviel für das einzige Verleger-Auto in Stuttgart. Aber Curt A. Hosemann, der kennt das Ewig-Weibliche als Abkömmling der alten Sachsen von anderer Seite, als die Schwaben. In seines Herzens Grxnde will er ja die Damen auch bei der Tafel gar zu gerne haben. Er weiß, das Einzige, was die Damen ohne tatkräftigen Wider spruch nicht verstehen, das ist so ein kategorischer Befehl! — Die Festmahlstunde nahte. Die Teilnehmerzahl war viel größer als gewöhnlich. Das Essen kann aber immer erst los gehen, wenn Freund Liebermann-Karlsruhe da ist, der mittags sein Schläfchen braucht, und eines Tags das Festmahl ganz verschlafen haben soll. Deshalb hatte er seine liebenswürdige Tochter mitgebracht, die ihn zuverlässig zu Wecken pflegt. Auf den Hotelportier ist ja doch kein Verlaß. Und richtig! Welche angenehme Überraschung! Alles hatte schon an der Tafel Platz genommen, da öffneten sich Punkt 4 Uhr noch einmal des Saales Flügeltüren, und bei den Klängen der trefflichen Kapelle Brauer hielten die auswärtigen Kollegen, Freund Liebermann mit Tochter an der Spitze, mit ihren sieggewohnten Damen ihren Einzug. Und Curt? Aha! — hieß herzlich sie will kommen! Hatte er doch, wie er offen eingestand, seinen schon jahrelang vergeblich und schmerzlich gehegten Wunsch endlich erreicht durch diplomatisch kühnes Versteckenspiel. Otto Petters war zunächst ganz paff, setzte sich aber zwischen Frau Kommerzienrat Schöpping und Fräulein Liebermann schmun zelnd zur Tafel. Die Reihe der Festreden eröffnetc der Vorsitzende des »Süddeutschen«, Kommerzienrat Alfred Bonz, mit einem schwungvollen Toast auf die Majestäten des Deutschen Kaisers und des Königs Wilhelm II. von Württemberg. Die Gäste erhoben sich, und ihre Gläser erklangen zum dreimaligen, brausenden Hoch, das mit der Nationalhymne den üblichen feierlichen Abschluß fand. An der mit Rosen und — sinnig huldigend — mit Fähnchen in den Landesfarben der an wesenden Gäste reichgeschmückten Festtafel mit Damen entfaltete sich nun rasch von Rede zu Rede die die sem fast familiärgemütlichen Festmahl immer eigene frohgemute Stimmung. Als zweiter Redner begrüßte der zweite Vorsitzende des Stuttgarter Buchhändlervereins, Otto Sperling, die auswärtigen Buchhändlergäste. Er bemühte sich offenbar in angeborener Sachsenhöflichkeit, jeden seiner Ge danken für die mit Damen quasi zwiefach erschienenen Kol legen auch möglichst zwiefach zum Ausdruck zu bringen. Ein schwieriges motorisches Experiment, das ihm Dank seines be kannten, angenehm-ruhigen Temperaments etwas »läng lich«, aber noch gut gelang. Zwischen jedem Gang verteilten freundliche Sendboten von den Stuttgarter Groß-Buchbindereien A. Crönlein, Heinrich Koch, H. Wenn berg, gewinnend feine Proben ihrer Leistungsfähigkeit Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 79. Jahrgang. ;als Festangebinde, ebenso ließen an der Tafelrunde die Firmen Carl L Aug. Uhlshöfer-Stuttgart farben photographische Postkarten, Oskar Friehmelt und die Waldors« Astoria Company-Stuttgart eine feine Raucherspende, die Württemb.-Hohenzollerische Vereinigung für Fremdenverkehr »Das Schwabenland in Wort und Bild« und Ullrichs Gärt nerei, gestiftet von der Festleitung, einen postfertigen Rosengruß an die Lieben daheim verteilen. — Vom Festausschuß des »Württembergischen« ergriff Carl Berk- Han-Stutlgart das Wort, um die Künstlergäste, für die der Buchhandel der große, unentbehrliche Bahnschlitten zum Erfolg auf dem literarischen Weltmarkt sei, zu bewillkommnen. Seine breitangelegie Huldigung der Künste wand sich in kühner Kurve, wie die Bahn auf der Geislinger Steige, aber etwas arg plötzlich wie zum Kranz geschlossen, um die Häupter der anwesenden Jünger in Apoll: der Maler, Schriftsteller und Redakteure. Privatdozenl Or. Baum entgegnete darauf, na mens der Gefeierten dankend, mit so einer Art Schicksalsfrage: »Was wären wir Autoren ohne die Zauberer, die aus un scheinbar schlichtem Manuskript begehrlichfeine Bücher zu for men verstehen?« Hierauf stieg das Tafellied — das einzig eine, aber sehr feine. Dieses Tafellied schließt mit dem heiligen Beteuern begeisterter Herzen: »Für Rosen, Wein und Fraucnhuld Wir allezeit erglühen —, Stoßt an, trinkt aus! Auf Wiedersehn, Wenn Rosen neu erblühen!« Wir werden also beim Festmahl — ohne Damen natürlich — im nächsten Jahr für Rosen, Wein und Frauenhuld, wie allezeit, wieder zu erglühen haben. — Deshalb haben wir den Curt A. H. jetzt doch stark im Verdacht, daß er der Dichter des Liedes sein könnte, dessen Namen wir leider nicht sicher ermitteln konnten, wenn auch kräftige Spuren nach dem»Nesen- bächler» hinführten. Kaum war das schöne Lied verhallt, da erhob sich die all bekannte, aber doch etwas Graf-Zeppelin-Eindruck vor täuschende Gestalt des Kollegen Gustav Liebermann-Karlsruhe zu seinem Dankspruch namens der Vertreter des auswärtigen Buchhandels. Das besorgt er immer gern und sehr hübsch, wenn ihn sein quecksilberner Tischnachbar Otto Petters dazu ausnahmsweise drei Minuten in Ruhe läßt. Was sich liebt, das neckt sich! Die beiden sind alte gute Freunde und an der Festtafel stets getreue Nachbarn. Nach einem künstlerisch-vornehmen Violinsolo des Kapell meisters Brauer feierte Herr Kommerzienrat Schöpping-Mün- chen die Damen in humorvollen Worten, die trotz Programm »ohne Damen-, so liebenswürdig waren, als die ersten ihres Geschlechts in 70 Jahren, am Festmahl teilzunehmen. Zu unserem Verwundern klopfte nun selbst Anton Hossmann ans Glas, der sich sonst zu gern um jede Rede drückt. Und siehe, es erhob sich statt seiner die jüngste Blüte im Damcnkranz, Fräu lein Geiger aus Kiel, Schwägerin des Hofverlegers Georg W. Dietrich-München, um dem Vorredner für sein Willkom men zu danken. Sie schloß mit einem versöhnlichen Blick auf das Opfer der Damenrache: »Diesmal sind wir zum Festmahl gekommen, weil Sie es verboten haben. Es war zu schön! Wir kommen wieder, auch wenn Sie es wieder verbieten!« — Nun brachte Otto Petters seine humoristische Kritik aller Vor redner, die immer ein Hochgenuß übersprudelnd froher Laune, aber ganz unbeschreiblich ist. Die muß man von ihm selbst hören. Er dankte dem aufopferungsvollen Festausschuß Curt A. Hosemann und seinem geheimen Dramaturgen vr. Drucken- mllller, der auch des gelungenen Tafelliedcs verdächtig schien. Zum Schluß meldete sich noch Max Levy-Stuttgart zum Wort, vielleicht um sich der satirischen Kritik seines einstigen Lehrkollegen Petters schlau zu entziehen, dessen Schlagfertig keit er Wohl in der Lehre schon ebenso fürchten, wie seine muntere Kameradschaft schätzen lernte. Sein Hoch galt den dies- >07«