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827k ««rInMatId. Utlchn, «llchtz-md-I. Nichtamtlicher Teil. ^ 158. 10. Juli 1912. russischen Übersetzungen. Auf meine Frage: -Warum lesen Sie denn dies nicht deutsch?« erhielt ich regelmäßig zur Antwort: -Sehen Sie, deutsch kostet das Buch R. 3.—, aber russisch nur 20 Kopeken«, allerdings eine Ausgabe, in der die Übersetzung noch schlechter ist als das Papier. Über sonstige, die deutsch-russische Literaturkonvention betreffende Mitteilungen verweise ich auf die Notizen im Börsenblatt Nr. 118, 120. Erwähnen möchte ich, daß der in Deutschland als Mit arbeiter der »Zeitschrift für Bücherfreunde« und des »Lite rarischen Echo« bekannte vr. A. Luther zum Lektor der deutschen Sprache an die Moskauer Universität berufen worden ist. Luther studierte rn Leipzig. — Es sei mir gestattet, an dieser Stelle auf eine interessante Arbeit über -Russische Lyrik» in Westermanns Monatsheften 1912, April, Seite 201—216, von E. Zabel aufmerksam zu machen. In dem mir 9 Porträts geschmückten Aussatz gibt der Verfasser eine gute Übersicht über die russische Lyrik. — Schon einmal sagte ich, daß sich in Rußland das Interesse für Kunst- und Kunstwissenschaft immer stärker regt. Ein neuer Beweis dafür ist, daß die Regierung beschlossen hat, ein russisches archäologisches Institut nach dem Muster der deutschen, französischen, englischen usw. in Athen zu errichten. Bis jetzt hat Rußland nur ein archäologisches Institut in Konstantinopel, das sich in sehr fruchtbarer Arbeit byzantinischen Studien gewidmet hat. Soeben erschien der 15. Band der Nachrichten aus dem Institut in Konstantinopel. Die Akademie der Künste beherbergt jetzt eine sehr interessante Ausstellung, die dem Andenken Lomonossows und der Kaiserin Elisabeth gewidmet ist. Durch das einmütige Zusammenarbeiten eines Künstlers mit der Ge lehrtenkommisston ist eine Ausstellung von seltener Schönheit und intimem Reiz entstanden. — Lomonossow, dessen 200. Geburtstag im November vorigen Jahres geleiert worden ist, der erste europäische Gelehrte, den Rußland hervorgebracht hat, war der Begründer der ersten russtjchen Ünioerfität in Moskau und der eigentliche Schöpfer der neueren russischen Literatur. Der russische Leonardo da Vinci, wie man ihn hier wegen seiner Vielseitigkeit gern nennt, entstammte den untersten Volksschichten; als Sohn eines Fischers am Weißen Meere geboren, lernte er durch Zufall Lesen und Schreiben, und erst in seinem 20. Lebensjahre gelang es ihm, aus seiner Heimat nach Moskau zu fliehen, wo er zuerst seinen heißen Wissensdurst stillen konnte. Von da aus ging er nach Deutschland, um seine Studien fortzusetzen und kam dann nach Rußland zurück. Lomonossow war vor allen Dingen Naturforscher, aber die Umstände in Rußland brachten es mit sich, daß er auch auf vielen anderen Gebieten tätig sein mußte. Es gibt von ihm Arbeiten über Geschichte und Grammatik, eine Rhetorik, eine Verslehre und eine Anzahl von Oden. Auch als Feuer werker hat er Hervorragendes geleistet, denn, so komisch es auch klingen mag, die Veranstaltung von Feuerwerken gehörte in der damaligen Zeit zu den vornehmsten Aufgaben der Akademie der Wissenschaften. In der Ausstellung sind natürlich die Lomonossow gewidmeten Räume für den Buchhändler von besonderem Interesse. Mit einem eigentümlichen Gefühl betritt man diese Räume, die mit Büchern, Bildern und astronomischen Instrumenten angefüllt sind, denn in den kolossalen kunst historischen Schätzen, die hier aufgespeichert sind, liegen die Anfänge der russischen Wissenschaft. Es ist hier soviel Inter essantes zu sehen, daß es unmöglich ist, aus Einzelheiten cinzugehen. Hier sehen wir eine große Sammlung Lomo- noffowscher Handschriften, Bücher, die Lomonossow gehört oder ihn zum Verfasser haben, Ansichten von Orten, in denen Lomo nossow gelebt, und Bilder aus seinem Leben; neben Diplomen und Gnadenbnefen liegen hier die Konserenzprotokolle der Akademie der Wissenschaften, die recht viel Interessantes ent halten und doch für den flüchtigen Besucher nicht in Be tracht kommen. In einem Nebenraume hat die Akademie aus ihren reichen Bacherschätzen eine Musterbibliothek der damaligen Zeit zusammengestellt, die so manche Seltenheit für den Bücherfreund und Antiquar enthält. Besonders schön ist em Schrank mit alten handgebundenen, eleganten Ganzlederbänden und ein Schrank, der übersichtlich aus gestellt Schriftproben, Flugschriften, Dokumente u,d Manifeste mit prächtigen, wertvollen Siegelkapseln enthält. — Ein buntes und überreiches Bild bieten die der Kaiserin Elisabeth gewidmeten Räume. Von den Wänden blicken alte Porträts verwundert aus die Fülle und den modernen Besucher. Herrliche Waffen, Prachikarossen, wertvolle und seltene Münzen, das Schwerdifegersche Modell zum Alexandec-Newski-Kloster und noch tausenderlei andere Dinge ziehen an uns vorüber und lassen uns eine interessante Epoche russischer Geschichte lebendig werden. Zum Schluß noch zwei kurze Notizen: Vom 10. bis 18. Juli wiid in Moskau ein Allrussischer Kongreß der Verlagsbuchhändler und Sortimenter tagen, aus den in Nr. 156 schon aufmerksam gemacht wurde. — Im Jahre 1913 wird in St. Petersburg eine »Internationale Hygiene- Ausstellung« stallfindcn. St. Petersburg. Erich Haake. Süddeutsche Buchhändlermesse in Stuttgart vom 16. dis 18. Juni 1912. (Fortsetzung zu Nr. 157 d. Bl.) Der zur Junitagung, wie oben berichtet, nach Vater Bonzens dreißigjähriger Erfahrung so allgemach zur feucht fröhlichen Sitte gewordene Begrüßungsplatzregen hatte kräftig abgekühlt. Für die 2 Hauptversammlungen war das sehr wohl tuend gewesen, weil die Kollegen auch hier, wie im Deutschen Buchhändlerhause zu Leipzig, zusammengedrängt im geschlosse nen Saale sitzen müssen, um die Reden zu verstehen. Was aber im Bürgermuseum Wohltat war, wäre nun bei zirka 12° U im Garten des Hotel Royal bei kühlen Bieren zur Plage ge worden. Zum offiziellen Frühschoppen zog man daher den freundlichen, reservierten Gartensaal vor. Hier fand man sich nach Schluß des süddeutschen und württem- bergischenBuchhandelsParlamentsmitdensprogrammgemäß?!) erschienenen Damen zu einem zwanglosen Plauderstündchen sehr zahlreich zusammen. Denn hier tauchte jetzt noch mancher Provinzler auf, der den Sonntagfrühzug nach Stuttgart oder sich sonstwie versäumt hatte. Das Bier war gut, die Stimmung noch besser, und die berühmten Stuttgarter Laugenbrezeln wären sogar fein ge wesen. Es gab aber heute keine mehr. Anton Hofsmann hatte im Bürgermuseum zu lange predigen müssen, bis er Robert Frey-Ulm nebst Freunden endlich überzeugen konnte, daß der verdienstvolle Antrag gegen die schleudernden Buchbinder doch nicht ganz durchzusetzen sei. Darüber waren dem Rohal-Wirt sogar die Brezeln ausgegangen. Gegen 2 Uhr Verkrümmelten sich die Frühschöppler nach und nach zum Mittagschläfchen in die Quartiere, um — dispensiert von Lack und Frack und Claque — mit neuester Sonntagsbinde feierlich beflaggt, dem Höhepunkt des Festes angemessen wieder zu erscheinen. Auf 4 Uhr nachmittags versprach uns Curt A. Hosemann im Gartensaal der Silbcrburg laut Festprogramm ein Festmahl (ohne Damen). Da stand es groß und breit in halbfetter Cicero, wenn gleich verschämt in Parenthese, als kategorischer Ukas: »(Ohne