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Mchtamtlicher Teil. 298, 23. Dezember 1S8S. Nichtamtlicher Teil. Aus dem Deutschen Buchgewerbehaus in Leipzig. Die Weihnachtsausstellung. (Vgl. Nr. 288 d. BI.) II. »Um Viktor Müller bildete sich eine kleine Gruppe von Künstlern, und wenn der Name Sezession damals schon bekannt gewesen wäre, so wäre dies wohl die erste Münchener Sezession gewesen — wir wurden eigentlich sezessioniert —, denn wir ge hörten eben, ob wir wollten oder nicht, nicht dazu, wir standen abseits von der großen Kunstblüte, die mit den Gründerjahren hereingebrochen war. Für die Kunsthändler existierten wir nicht, also existierten wir überhaupt nicht: es waren auch nur ganz wenige, und es war für niemand verlockend, sich uns anzu schließen, Scholderer, Haider, Sattler, Eysen, auch Leibl mag, so lange Müller gelebt hat, dazu gehört haben. In treuer Kunst liebe hielt Dl. Bayersdorfer zu uns, den ich bei Viktor Müller kennen lernte. Programm hatten wir keins — Bayersdorfer gramm sei.« So plaudert Hans Thoma in seiner Lebensgeschichte über die in München verlebte Frühzeit seiner künstlerischen Entwick lung, und man darf sich angesichts dieses Bekenntnisses freuen, daß in der Kunstanschauung im allgemeinen eine Wandlung ein getreten ist und Thomas Schöpfungen fast volkstümlich ge worden sind. Was uns Breitkopf L Härtel in Leipzig von seinen Werken zeigen, sind ausnahmslos schlichte einfarbige graphische Blätter, die uns freilich die Innigkeit seines Ge müts und die Reinheit und Größe seiner Naturanschauung nicht minder klar vor Augen führen als seine Gemälde. Seine Weise zu schildern ist einfach und deutsch, uud aus ihr spricht so viel Lust am Schönen der weiten Welt, sie ist so fabelfreudig, daß wir uns ihr immer wieder gern hingeben. Vom Heiland erzählt er und von gläubigen Rittern, die wider die Drachen reiten oder im Zauber des Waldes mit den Nixen Zwiesprache halten, von Bauernburschen, die vom Rücken ihres Gauls herunter die Fruchtbarkeit der Äcker bewundern, von Fabeljungfrauen weiß er zu berichten, die feenstill im Lande des Glücks träumen, und von herzigen kleinen Landkindern, die beim Ringelreihen glücklich sind. Es braucht nicht fabelhaft zu sein, was er darstellt, und doch ist in allem Fabulierseele und Märchenreiz. Seine anspruchs losen und dennoch inhaltsvollen Schwarz-Weiß-Kunstblätter, die von allen äußerlichen Effekten frei sind, wirken wie die Klänge eines schlichten Volksliedes. Bei der Kollektion von Kunstblättern, die die Verlagsfirma I. I. Weber in Leipzig darbietet und die aus der noch jungen photochemischen Abteilung der Firma hervorgegangen sind, ist den Werten und Rechten der Farbe breiter Spielraum zugewiescn, so daß eine Reihe schöner und farbenfrischer Bilder entstanden ist, ganz dazu angetan, als Wandschmuck trefflich ihren Zweck zu er füllen. Die in Dreifarbendrucktechnik vortrefflich ausgeführten Blätter geben von alten Meistern unter anderen Werke von Rembrandt und Murillo wieder. Von ersterem befindet sich »Samsons Hochzeit und die Saskia«, von letzterem eine Madonna dabei. Von neueren Künstlern bietet Fr. Kallmorgen eine sonnige tonfeine »Kleinkindc^schule«, eine reizende Gartenszene, die die Kinder, v»..» einer frommen Schwester unterrichtet, im Freien zeigt. Die Wiedergabe des Hellen Sonnenlichts mit seinen zahl reichen differenzierten Reflexen gelangt besonders naturwahr und in schöner Farbengebung zur Erscheinung Max Fritz schildert in seiner flotten, ansprechenden Weise das stimmungsvolle Bild eines »Fischerdorfs auf Rügen« und das Außenbild eines idyllisch an einem Fluß gelegenen Landstädtchens am »Sommerabend«; Hugo Unger zeigt ein farbenreiches Herbstbild, zu dem er das Motiv einer »Birkenallee« verwendet hat. Eine äußerst geschmackvolle Bilderreihe führt auch Ernst Keil's Nachfolger (August Scherl), Berlin, vor. Sie besteht ausschließlich aus technisch vorzüglichen Nachbildungen von Schöpfungen mo derner Künstler, unter denen die besten Namen vertreten sind. Die Bilder sind gleichfalls für den Wandschmuck bestimmt und für diesen Zweck sehr geeignet. Es finden sich in dieser em pfehlenswerten Sammlung stimmungsvolle Landschaftsbilder und interessante Genre-, sowie historische Darstellungen. Mit einer reichen Kollektion einfarbiger und kolorierter Kupferdrucke ist die Kunstanstalt B. Grosz A.-G. in Leipzig- Reudnitz vertreten, die außer Werken alter Meister auch Gemälde moderner Meister wiedergeben. Der Verlag von Ernst Finkh in Basel und Gerhard Stalling in Oldenburg i. Gr. bieten sehr gut gelungene photomechanische Wiedergaben nach Zeichnungen und Gemälden von Künstlern der Jetztzeit. Als schönes Mappenwerk sei hier noch erwähnt »Die deutsche Landschaft« in farbigen Bildern von Ernst Liebermann, erschienen im Gutenberg-Verlag in Hamburg. Die farbig getönten Bilder veranschaulichen eine Reihe charakteristischer Motive der deutschen Landschaft. Ernst Kiesling. Wie »Onkel Toms Hütte« entstand. Von A. Veschoren-Dresden. Jetzt zur Weihnachtszeit stehen vor allem wieder die Jugend schriften im Vordergrund des Interesses und finden — hoffentlich nicht nur im Warenhaus — wieder ganz besonderen Absatz, wie zu keiner anderen Jahreszeit. Eins dieser Jugendbücher, das vor mehr als fünfzig Jahren zum ersten Male erschien, aber heute noch viel gekauft und von der Jugend mit größter Begierde gelesen wird, ist »Onkel Toms Hütte« von Harriet Beecher-Stvwe, und es dürfte von allgemeinem Interesse sein, über die Ent stehung dieses Buches einiges zu erfahren. »Wenn mein Kind meiner Aufsicht nicht mehr bedarf«, rief eines Tages Harriet Beecher-Stowe aus, als sie eben einer Er zählung einer schrecklichen Episode aus dem Sklavenleben zugehört hatte, »dann will ich ein Buch schreiben, das das Gewissen der Nation aufwecken soll«. Und sie führte ihren Vorsatz aus, indem sie ihre ganze Seele in ein Werk goß, das der Sklaverei den Todesstoß versetzen sollte. »Onkel Toms Hütte« erschien zuerst als Feuilleton in der »National Lra.« in Amerika und begann mit dem Teil, der von Onkel Toms Tod erzählt. Dieses Fragment erschien im Sommer 1851 und zog das allgemeine Interesse in solchem Maße auf sich, daß die Verfasserin die Geschichte noch vervollständigte, indem sie einen Anfang und eine Fortsetzung hinzufügte. So wurde die Erzählung in wöchentlichen Lieferungen herausgegeben, bis sie im März 1852 beendigt war und dann bei Putnam in New Vork als Buch erschien. Eines Abends, es war Ende desselben März-Monats, kam ein gewisser Henry Vizetelly in London in eine Druckerei in der Bouverie Street, die erst vor kurzem ihr Geschäft da eröffnet hatte. Hocherhoben hielt er in seiner Hand ein Buch, das, wie er erklärte, soeben frisch von Amerika eingetroffen sei. Es war »Onkel Toms Hütte« in zwei Bänden, er hatte es von einem Geschäftsfreund, dem Verleger David Bogue, eben erhalten. David Bogue war überhaupt nicht geneigt, Nachdrucke zu ver anstalten, und entgegen dem Vorschlag seines literarischen Rat gebers Henry Mayhew hielt er auch in diesem Falle das Buch nicht für wertvoll genug, um eine Ausnahme zu machen, — ein Entschluß, den er später immer aufs tiefste bereute. Er hatte daher das Buch an Mr. Vizetelly gegeben, der es nun der Firma Clarke L Co. anbot. Frederik Greenwood war damals Lektor und literarischer Ratgeber bei Clarke L Co. und war an dem Folgenden in besonderer Weise beteiligt. Vizetelly sagte, daß sobald wie möglich ein Entschluß über das Buch gefaßt werden müsse, da sehr viel Wahrscheinlichkeit bestehe, daß mit der nächsten Post ein zweites Exemplar voll »Onkel Toms Hütte« voll Amerika eintreffen werde. Er könne daher nur bis zum Mittag des nächste» Tages Frist zur end gültigen Entscheidung geben. Clarke steckte den ersten Band iil seine Tasche und zerteilte den zweiten in zwei Hälften; den einen Teil gab er Mr. Greenwood, den andern seinem Kom pagnon Mr. Salisbury, und er versprach, den Entschluß der Firma über Annahme oder Abweisung des Buches zur fest gesetzten Zeit bekanntzugeben. Seinen ersten Band durchflog er sehr schnell. Mr. Salisbury saß die halbe Nacht in seinem