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X- 254, 30. Oktober 1923. Redaktioneller Teil. «»rlkiMiM ,.». ro»i>- vuch«»»t-i. 7485 sich ohne weiteres daraus, dass nach den Mitteilungen der Vereint- > gung Deutscher Arbeitgeberverbände in Berlin die gesamte von Staat,' Wirtschaft und Landwirtschaft aufzubringende Lohnsnmme aus 4M Millionen Goldinarl in der Woche geschätzt wird, während der Gesamt umlauf an Goldanleihe zunächst ans 825 Millionen Goldmark begrenzt ist, da selbstverständlich eine unbegrenzte Herausgabe von Goldanleihe auch dieses neue Zah lungsmittel sofortiger Inflation aussetzen würde. Die zur Verfü gung stehende Menge wertbeständiger Umlaufsmittel wird auch nicht etwa dadurch vergröbert, daß von industriellen Werken, Handels kammern, Kommunen wertbeständiges Notgeld herausgegeben wird, da nach der Notverordnung ein entsprechender Betrag in Goldan leihe zu hinterlegen ist. Die Rcntenmark aber dürste in nächster Zeit für Lohnzahlungszwecke der Privatwirtschaft noch nicht in Frage kommen. Bei dieser Knappheit an Umlaufsmitteln kann im allgemeinen vorläufig mit einer vollen Aus zahlung der Löhne in wertbeständigen Zahlungsmitteln keines wegs gerechnet werden, sd sehr dies auch von Arbeitnehmerseite ge fordert wird. Vielmehr muß mit ganz geringen Prozent sätzen begönne nw erden, und zwar wird vielleicht eine Aus zahlung von IO"/» In wertbeständigen Zahlungsmitteln ins Auge ge faßt werden können. Aber auch dieser geringe Prozentsatz darf keineswegs tariflich feftgclegt werden, da die Ver hältnisse des einzelnen Betriebs entscheidend sind sür die Fähigkeit, in wertbeständigen Zahlungsmitteln zu entlohnen. Deshalb und auf Grund der Tatsache, daß cs ein Ding der Unmöglichkeit ist, die not wendigen Mengen von Umlaufsmitteln zu beschaffen, ist cs Pflicht aller aus Arbeitgeberseite an Tarisvcr Han diu Il gen Beteiligten, jede Verpflichtung zur Zahlung in wertbeständigen Zahlungsmitteln bis ans weiteres strikt abzulchnen. Wer sich trotzdem dazu ver pflichtet, verspricht Unmögliches wie die Unterzeichner des Versailler Vertrags. Soweit »n» einzelne Firmen in der Lage und gewillt sind, einen Teil des Lohnes in wertbeständigen Zahlungsmitteln zu zahlen, wofür namentlich Notgeld in Betracht kommen wird> ist cs dringend er forderlich, daß in den Buch Handelsbetrieben einheitlich verfahren wird. Dies gilt namentlich sür die K » r s n m r e ch n u n g. Der Lohn mutz zunächst nach seinem vollen Papiermarkbetrag berechnet werden, woraus ein Bruchteil in wertbe ständige Zahlungsmittel umzurechnen ist. Welcher Kurs soll nun dieser Umrechnung zugrundegelegt werden? Die praktischste und ge rechteste Lösung scheint mir die zu sein, die ich als Richtlinie für die Umrechnung im Buchhandel empfehlen möchte, daß der Kurs des Lohnabrcchnungstages der Berech nung zu grundegelegt wirb, wobei dieser Tag im Interesse der Arbeitnehmer so nahe an den Zahl tag heranzurUcken wäre, als es nach den Verhält nissen des Betriebs technisch möglich Ist. Zum Schluß möchte ich an die Arbeitgeber des Buchhandels die dringende Bitte richten, bei den Tarifverhandliingen die vorstehend angeführten Gesichtspunkte möglichst im Auge zu behalten und sich nicht durch den Druck der Arbeitnehmcrseitc zu unerfüllbaren Ver sprechungen drängen z» lassen. Erfahrungsgemäß beeinflußt e i n verfehlter Abschluß die übrigen Tarifverhandliingen des Gewerbes in verhängnisvollster Weise. Alle aber, die auf seiten der Arbeitgeber wie Arbeitnehmer bei dem Übergang zum Goldlohn mitzuivirlen haben, mögen sich der schweren Verantwortung bewußt fein, die sie Volk und Wirtschaft gegenüber zu tragen haben! L Viclisrt: Oie Oiunämarkpeclinunx unäikre^n- wenclunZ suk küsnrierunxen, kereclinunZs- UUl^ /littI vveiilkn mit dlaolitrgA: Inäoxlölins, Oolcl- marirnälirunA unck natürliche Lcdliwaelraiilev. — VIZ.: ^rankkurter Societäta-Vruckerei 6. m. b. H., Frankfurt aM. 1923. — 62 Leiten, OrclL. —.60. Wichert ist Ingenieur und ein Mann der Praxis» der seine Ge danken aus eigenem Arbeitsgebiet geschöpft und, soweit möglich, die gewonnenen Resultate nutzbringend für die Praxis zu verwerten ge sucht hat. Sind die einer solchen lebenswarmen Atmosphäre ent sprungenen Gedankengänge schon deshalb nicht als »blasse Theorie« zu bewerten, so muß andererseits gesagt werden, daß die vom Ver fasser ursprünglich nicht beabsichtigte Veröffentlichung der Nieder schrift ohne völlige Kenntnis der einschlägigen Literatur die Stärke und Schwäche der Broschüre zugleich ist. Verfasser hat — und das Börsenblatt f. den Deutschen Buchhandel. vv Jahrgang. scheint mir das Wesentliche an dem Büchlein — das ganze Geldent- wertnngsproblem nach Art einer mathematisch-technischen Aufgabe an gegriffen und für speziell industrielle Verhältnisse zu lösen versucht. Immerhin enthält die Schrift soviel Allgemeines und Grundsätz liches, daß alle Zweige des Wirtschaftslebens, nicht zuletzt auch der Buchhandel, daraus profitieren können. Scharf hebt Verfasser die Zeit als »neuen Faktor« hervor, der in jede, auch die kleinste Wertberechnnng heute gewichtig ein- tritt und dessen Nichtberücksichtigung gleichbedeutend ist mit wirt schaftlichem Bolschewismus. Wirtschaft, Verwaltung, Gesetzgebung und Recht haben sich geradezu hilflos gezeigt gegenüber diesem neuen nie geahnten Einfluß der Zeit. In dem Kapitel: »Maßnahmen zur Berücksichtigung der Wertveränderlichkeit der Mark« sind den Unter abschnitten drei Dinge vorangestellt, die bei jedem Geschäft durch den erwähnten Einfluß der Zeit berührt werden, nämlich: 1. die Berechnung der Leistung (Rechnungswert der Lieferung); 2. die Berechnung der Gegenleistung (Wert der Zahlung) und damit 3. die Bilanz eines jeden einzelnen Geschäfts. Die zeitlich absolute Markbilanz muß ersetzt werden durch eine zeitlich relative, am besten durch die Grundmarkbilanz. (Die Be zeichnung »Goldmarkbilanz« wird dabei absichtlich vermieden, da man sich wegen der vielen Indizes verschiedene ^Begriffe darunter vor stellen kann, ohne auf die wirkliche Friedensgoldmark zu stoßen.) Die Grnnömark errechnet sich als Goldmark, Elektromark, Lebenshal tungsmark, Buchmark nsw., mit jeweils verschiedenem Ausgangs- grnndpreis. So fußt z. B. der Elektromultiplikator auf einem etwa dreifachen Friedenspreis. Nicht stichhaltig ist die kleine Attacke, die auf Seite 18 gegen die buchhändlerische Schlüsselzahl geritten wird. Wichert scheint sich über den Charakter des buchhändlerischen Grund- und Schlüsselzahlsystems im Unklaren zu sein. Die Ausführungen über die Berechnung der Multipli katoren und Schlüsselzahlen enthalten manches Bemerkens werte. Die Multiplikatoren werden in der Industrie ganz verschieden artig berechnet. Unternehmer mit nur einfach zusammengesetzten Produkten verzichten auf eine gleichbleibende Bezugszeit, stützen sich vielmehr bereits in ihren Angeboten auf Material- und Lohnnotie rungen. Wertvoll erscheinen mir hier die aufgestellten vier For meln über die Berechnung der Tagespreise und Multiplikatoren unter jeweilig verschiedenen Voraussetzungen, deren Studium ich jedem, der mit Kalkulation zu tun hat, dringend empfehlen möchte. Nur bezweifle ich, ob 1. die Formeln der Teuerung auch vollkommen ge recht werden, ob nicht z. B. der Anteil der Löhne ein jeweils überholter ist (beim Metallarbeiter- und Großhanöelstarif — ganz zu schweigen vom Bnchhändlertarif — waren bisher noch immer Nach zahlungen für den bereits abgelaufenen Monat nötig geworden); 2. ob die mathematischen Kalkulationsformeln für alle Unternehmer- gruppAi mit verwickelter Produktion praktisch wirklich anwendbar sind (Schätzungen werden nie ganz zu umgehen sein; auch die Nisiko- prämie kann nur »abgewogen« werden); 3. wäre es einer Unter suchung wert, inwieweit die Formeln durch die neueste Steuergesetz gebung ihre Zuständigkeit behalten. Doch gebe ich zu, daß man derartige mathematische Richtlinien nötig hat, um überhaupt zu annähernd richtigen Kalkulationsergeb nissen zu gelangen. In dem kurzen Abschnitt über »G r u n d m a r k b i l a n z e n« wer den einige der Praxis entnommene Beispiele aus verschiedenen Ar beitsgebieten gezeigt. Freilich, wer sich in diesem Abschnitt etwa die Behandlung des schwierigen Problems der Geldentwertung in der Jahresbilanz vorgestellt hat (was ja auch nicht Sache Wicherts ist), der dürfte eine kleine Enttäuschung erleben. Wichert will hier ledig lich unter Bilanz den allgemeinen Begriff der Gewinn- und Verlust rechnung verstanden wissen; ich verstehe unter Bilanz sonst etwas mehr, gebe aber zu, daß man schließlich jede Gegenüberstellung von Soll und Haben als »Bilanzierung« .ansprechen kann. Seine Beispiele sind daher auch ziemlich einfach, für die vielversprechende Überschrift »Grundmarkbilanzen« fast zu einfach: sie bestehen aus einer bloßen Nubrikengegenüberstellung von Ausgaben und Einnahmen, aus Grund markkonten. Doch zeigt uns hier Wichert in eindringlicher Weise, wie aus der falschen Berechnung der Multiplikatoren und dem falschen Berechnungsvcrfahren nach dem arithmetischen Mittel zwischen Aus gaben (Vezngsdatum) und Einnahmen (verschiedenen Daten der Zah lungseingänge) Verluste erwachsen können, trotz des zahlenmäßigen Mehrausweises von Papiermark. Nichtig ist, daß der zeitweist außer ordentliche Kapitalbedarf unserer Industrie einmal eine Folge war 1000