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Redaktioneller Teil. ISS, 23. August 1916. jenes Prinzip des K 28 von dem Gesetzgeber auch auf den analogen Fall des H 21 angewendet werden würde! Denn der 8 28 gibt einen klaren Zweckgedanken mit Konsequenzen, der K 21 eine ruschlige Opportunitätsborschrift. In unserem Falle aber finden wir in der Tat den grundsätzlichen Zweck- gedauken wieder, der die Beschränkung im 8 28 hcrbeigefllbrt hat: Handelt cs sich nicht um ein einzelnes Buch, so soll der Verfasser seine Zustimmung nicht versagen können oder er braucht nicht einmal gefragt zu werden! Es ist nun Geschmacksache, ob man im Methodenstreit sich auf die eine oder die andere Seite stellen will. 'Es wird immer eine große Anzahl oon Juristen geben, die an dem Wortlaut des letzten Satzes des 8 21 nicht Vorbeigehen zu können glauben, die also sagen: da steht's, daß es immer der Zustimmung des Verfassers bedarf. Aber es gibt andererseits heute auch eine ganze Reihe von Juristen, die sagen: hier haben wir es deutlich mit einer kasuistischen Vorschrift zu tun; ein höherer Grundsatz dagegen ist im 8 28 festgelegt, und dieser Grundsatz muß oder zum mindeste» darf auch für die Bestimmung des 8 21 gelten — in einem Fall, den der Gesetzgeber nicht hat regeln können, weil er ihm gänzlich fern gelegen und sich erst später möglich ge macht hat. Roch eine Bemerkung zum Schluß. Dieselben Juristen, die dieser freieren Auffassung zugängig sind, legen keinen übermäßi gen Wert auf die Darlegungen in den Motiven eines Gesetzes, während wir uns hier sowohl auf die Motive wie auf die freiere Auslegung nach dem Sinne des Gesetzes stützen. Da dürfen wir denn doch sagen: es ist ein großer Unterschied, ob die Motive eines Gesetzes nachträgliche Paraphrasen zu klaren Rechtsgrundfätzcn geben oder ob sie uns wie im vorliegenden Fall erst das Verständnis für eine eigenartige Sondervorschrift vermitteln, die nicht unmittelbar am Stamme des Gesetzes ge wachsen, sondern als ein später hinzugekommener und allein stehender Trieb anzusehen ist. Erlebtes und Erschautes. (Zum 70. Geburtstage des Bergingenieurs L. Rosenthal, 25. A u g u st 1916.) Es ist eigentlich herzlich wenig, was ich berichten kann, denn ich bin von Beruf Bergmann und habe die 'Schriftstellerei nur so neben her ausgeübt. Mein erstes Buch »Diesseits und Jenseits der Kor dilleren« hatte ich mehr für mich selbst als Erinnerung an jene wild schöne Zeit, während welcher ich, meist im Sattel, den südamerikanischcn Länderkoloß nach allen Richtungen hin durchzog, geschrieben. Auf den Rat guter Freunde gab ich diese Aufzeichnungen als Buch heraus, das 1872 in Berlin bei Elwin Staude erschien und bald eine zweite Auf lage erlebte. Heute ist das Buch vergriffen und nur noch hier und da antiquarisch anfzutreibcn. Für eine Anzahl deutscher illustrierter Zeitschriften schrieb ich dann Bergwerksgeschichten, Novellen mit ethnographischem Hintergründe, Neisebildcr usw. und war auf dem besten Wege, ein gesuchter Erzähler zu werden, wenn ich nicht umgesattelt und mich wieder dem Bergbau zugewandt hätte. Die Aussichten zu Vermögen zu kommen waren da doch eher zu verwirklichen als bei der Schriftstellerei, die nur so viel abwarf, das; man eben davon existieren konnte. Aber wie es so geht im Leben — auch auf dem bergbaulichen Gebiete kannte ich erst um die Wende des vergangenen Jahrhunderts durch Erbohrung ergiebiger Braunkohlenslöze bei Cassel-Wilhelmshöhe in einem Grubenfelde, das mir zu einem Drittel gehörte, größere Erfolge verzeichnen. Zwischen durch aber habe ich immer bald dies, bald das geschrieben, denn wer sich einmal mit der schwarzen Kunst (gemeint ist die Bnchdruckcr- schwärze) abgegeben hat, der bleibt ihr auch verfallen, und der Teufel des Gcdrucktweröens läßt ihn nicht wieder los. Und so kam ich schließ lich auf den Gedanken, meine gesammelten Erzählungen in 8 Bänden erscheinen zu lassen. Da galt es denn einen Verleger zu finden. Der erste, an den ich geriet, wohnte in L. Ich hatte ihm ans Em pfehlung seines hier in Basel lebenden Bruders, mit dem ich gut be kannt war, meine Schriften eingesandt und erhielt bald darauf die mich angenehm berührende Nachricht, ihn persönlich zu besuchen, »um das Weitere zu besprechen«. Ich reiste also nach L. und suchte den Herrn in seinem Geschäft auf. Er empfing mich recht liebenswürdig und geleitete mich dann ^ nach seinem eigentlichen Geschäftslokal, Bureau und Spcditions- j räumen, wo er mir seine Gattin und Gehilfin vorstellte, die gerade 1106 damit beschäftigt war, einen mächtigen Bücherballcn kunstgerecht zu verschnüren. Dann entspann sich zwischen uns folgendes kurzes, aber inhaltsvolles Gespräch: Ich : »Sie haben also meine Schriften gelesen?« Er : »I wo! Dazu habe ich keine Zeit — das besorgt ein anderer für mich, auf dessen Urteil ich mich verlassen kann. Ich selbst bin nur Geschäftsmann — sonst nichts«. I ch : »Man sollte aber doch denken . . .« Er: »Wie so denken — was is dabei zu denken? Gar nix. Bücher sind für mich eine Ware, gehen sie, ist's gut, gehen sie nicht — fort damit. Man muß immer was Neues bringen und mit der Zeit gehen. Sehen Sie hier diese neue Ausgabe des Don Quixote — Don Quischott sprach er das Wort aus — von mir, da liegt was drin, das zieht — meinen Sie nicht auch? Damit nahm er eins der Bücher, die seine Frau zu einem weiteren Ballen znsammenpacken wollte, und hielt es mir unter die Nase. Es war lang, schmal, dabei aber sehr dick, also unhandlich, und die mit modernsten Buchstaben nur teilweise bedruckten Blätter ge mahnten an kribbelnde Ameisen, die man mit dem Stock aufgestört hat. Einfach scheußlich. »Nun, was sagen Sie dazu?«, wiederholte er seine Frage, da ich nicht gleich antwortete. Ja, was sollte ich dazu sagen — mit meiner wahren Meinung mußte ich zurückhalten, denn ich durfte meinem künftigen Verleger doch nicht auf »die Zehen treten«, wie man zu sagen pflegt. So be gnügte ich mich denn mit einem stummen Kopfnicken. Aber im Herzen tat er mir leid, d. h. nicht der Buchhändler, sondern der Edle von La Mancha, daß er sich zusamt seinem so einfältig erscheinenden und doch lebensklugen Knappen so was gefallen lassen mußte. Schild, Schwert und Lanze des gepanzerten Ritters paßten schlecht zu der hypermodernen Ausstattung des Buches. Nun kam mein Honorar zur Sprache, oder vielmehr ich regte die Frage an. Schüchtern erlaubte ich mir zu sagen: »Sie werden mir dach ein bescheidenes Honorar bewilligen?« Aber da fuhr mein Buchhändler von seinem Stuhl in die Höhe, als hätte er sich auf einen spitzen Nagel gesetzt. »Ne, mein Lieber — das gibt's nicht«, rief er und die Stimme schnappte ihm förmlich über vor Erregung. »Ich denke, Sie sollten doch froh sein, daß Sie jemand gefunden haben, der Ihre Sac^n drucken läßt, selbstverständlich ans Ihre Kosten. Ich habe deren noch genug durch den Vertrieb, Reklame usw. Mit den meisten meiner Autoren halte ich es so, und sie sind alle sehr zufrieden damit.« Nun — ich war nicht damit zufrieden, ließ mir meine Arbeiten wiedergeben und »Empfahl mich alsobald Äußerst höflich — aber kalt«, wie Altmeister Busch so famos in seinen »Abenteuer eines Jung gesellen« irgendwo sagt. Nach dieser Erfahrung ließ ich mich durch ein Zeitungsinserat, worin ein Verleger Autoren suchte, verleiten, mit diesem in brieflichen Verkehr zu treten. Da kam ich aber vom Regen in die Traufe. Nicht weniger als 4000 sollte ich vorher einsenden. »Die Erzählungen sind brillant«, schrieb mir der Herr von Charlottenburg aus, »und ich bin sicher, daß ich Ihnen nicht nur diese vorläufige Auflage ersetzen, son dern auch noch einen erklecklichen Gewinn auszahlen kann, d. h. später, wenn der nicht zu bezweifelnde Erfolg sich cinstellt, wovon Sie mir die Hälfte abzutreten haben.« Es verdroß mich nicht wenig, daß dieser Büchermacher mich für so naiv hielt, ans dergleichen einzugchen. Später las ich dann in den Zeitungen, daß die Nemesis ihn ereilt habe. Er hatte einen armen Teufel von Lehrer um mehrere hundert Mark erleichtert, und das war der Tropfen, der das Maß zum Überlaufen brachte. Durch Vermittlung eines Neffen von mir, der ebenfalls das Büchereigewerbc betreibt, kam ich endlich an den richtigen Mann, an den Verleger Richard Frensch in Leipzig (Müller-Mann'sche Verlags- Handlung). Schon sein erster Brief an mich zeigte mir, daß er Ver ständnis für meine Schriften hatte und Engherzigkeit ihm fernlag. Für die Folge sind wir dann auch vortrefflich miteinander ausgekommen. Nasch hintereinander erschienen: »Aus ewiger Nacht«, Bergwerksge- schichtcn, »Von der Sonnenseite des Lebens«, Humoresken, und »Tra gödien des Lebens«. Alle 3 Bände wurden von der Kritik beifällig ausgenommen. Näher darauf einzugehen, ist hier nicht der Ort — auch verbietet mir das die Bescheidenheit. Nur soviel will ich noch bemerken, daß manche der Herren Rezensenten trotz des gespendeten Lobes es nicht unterlassen konnten, mir eins zu versetzen — natürlich man ^ mußte doch zeigen, daß man über dem Autor stand. ! Schließlich noch ein paar Worte über die moderne Ausstattung ! mancher Bücher. Man braucht nur an den Schaufenstern der Buch-